Direktversicherungen:Keine Wahl, aber Qual

Arbeitgeber bieten Berufseinsteigern oft Direktversicherungen an. Aber ist das für den Arbeitnehmer überhaupt sinnvoll?

Von Berrit Gräber

Die Großeltern und viele Eltern hatten noch Glück. Sie gehören zu den Generationen in Deutschland, denen die Firma von den 60er-Jahren an freiwillig noch großzügige Betriebsrenten spendierte. Für ihre Nachkommen sind die fetten Jahre längst vorbei. Junge Arbeitnehmer und Berufsanfänger müssen sich selbst um ein Finanzpolster fürs Alter kümmern. Doch mehr als eine Direktversicherung haben viele Unternehmen den Nachwuchskräften heute gar nicht mehr zu bieten, wenn überhaupt. Und selbst da stellt sich die brennende Frage: Ist eine Direktversicherung eigentlich sinnvoll für Jobeinsteiger?

Eher nicht, winkt Georg Plötz ab, Altersvorsorgespezialist der Verbraucherzentrale Bayern. Grundsätzlich zahle sich die Direktversicherung nur dann aus, wenn der Chef noch ordentlich was beisteuere zu den monatlichen Beiträgen. Ein Zuschuss des Chefs von mindestens 20 Prozent ist notwendig, damit sich die Investition für den Arbeitnehmer am Ende auch wirklich rechnen kann, sind die Experten in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen überzeugt. "Wenn nur der Beschäftigte allein zahlt, wird es häufig ein Minusgeschäft", betont Plötz. Wer einen Vertrag vom Chef vorgelegt bekomme, sollte ihn in jedem Fall nicht sofort unterschreiben, rät Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

In Ruhe abwägen ist wichtig. Ein Beispiel: Eine junge Frau, Eva Müller, 26 Jahre alt, tritt nach ihrem Studium ihre erste feste Stelle in einem großen Versandhandel in München an. Mit dem Arbeitsvertrag bekommt sie auch die Chance, über den Betrieb mithilfe einer Direktversicherung fürs Alter zu sparen. Wie in den meisten Fällen üblich, soll auch Eva Müller eine klassische Lebensversicherung mit Kapitalgarantie abschließen. Weil vor allem kleinere Betriebe oft selbst wenig Ahnung von der Materie haben, ist das Angebot einer Direktversicherung für die meisten der bequemste Weg, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Schlechte Konditionen bedeuten über Jahrzehnte gerechnet Tausende Euro weniger

Denn seit 2002 haben Arbeitnehmer das Recht auf betriebliche Altersvorsorge. Jeder Beschäftigte kann vier Prozent seines sozialversicherungspflichtigen Bruttogehalts durch eine Entgeltumwandlung in einen Vertrag investieren, den der Chef für ihn abschließt - und zwar noch bevor er darauf Steuern und Sozialabgaben zahlen muss. Auch der Arbeitgeber hat Vorteile, weil er sich seinen Anteil an den Sozialabgaben erspart. Die Direktversicherung ist einer von insgesamt fünf Wegen zur Betriebsrente. Derzeit werden Einzahlungen bis zu 4488 Euro im Jahr vom Staat gefördert, wie Plötz erläutert. Das klingt so weit erst einmal prima.

Doch der Vorteil bei der Einzahlung schmilzt schnell dahin. Ob sich die Direktversicherung über den Chef rentiert, hängt unter anderem auch davon ab, welchen Vertrag er ausgehandelt hat. Eine Direktversicherung mit schlechten Konditionen bringt bei einem Monatsbeitrag von hundert Euro über zwanzig Jahre gerechnet gut 4000 Euro weniger ein als eine gute Police, wie die Stiftung Warentest berechnet hat.

Die Unterschiede der Produkte am Markt sind immens. Größere Unternehmen haben meist günstige Rabattverträge mit großen Versicherungsgesellschaften wie der Allianz oder Axa ausgehandelt, die sie ihren Mitarbeitern anbieten. Auch der Vermittler spielt eine Rolle. Aber wie sollen junge Menschen, wie beispielsweise Eva Müller, abschätzen können, ob der vorgelegte Versicherungsvertrag tatsächlich rentabel ist?

"Schießt der Arbeitgeber nicht mindestens das zu, was er sich durch den Wegfall der Sozialabgaben erspart hat, ist die Rechnung für den Mitarbeiter von vornherein uninteressant", betont Plötz. Sein Tipp: Wer ein Gefühl dafür kriegen will, wie teuer ihn die Betriebsrente zu stehen kommt, sollte sich vom Chef den garantierten Übertragungswert als Prognose geben lassen. "Ist der nach fünf Jahren noch nicht im Positiven, ist die Direktversicherung unrentabel."

Von Nachteil ist auch, dass die Entgeltumwandlung den späteren Rentenanspruch schmälert. Weil junge Arbeitnehmer über Jahrzehnte hinweg einen Teil ihres Bruttogehalts in die Direktversicherung stecken und erst danach die Rentenversicherungsbeiträge vom Lohn abgezogen werden, zahlen sie weniger in die Rentenkasse ein. Unter Umständen kann sich das auch auf die Höhe von Kranken- oder Arbeitslosengeld sowie auf eine Erwerbsminderungsrente niederschlagen.

Häufig kann der Vertrag nicht ohne Einbußen weitergeführt werden

Der größte Nachteil taucht aber erst zu Rentenbeginn auf. "Das ist brutal, was da auf die Betroffenen zukommt", sagt Plötz. Die Krankenkasse steht dann auf der Matte und hält die Hand auf: Gesetzlich Versicherte müssen auf ihre Betriebsrente den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag zahlen. Derzeit macht die Einbuße fast ein Fünftel aus. In jedem Fall bekommen Versicherte viele Tausend Euro weniger heraus, als all die Jahre erhofft. Dazu kommt: Jeder, der von 2040 an in Rente geht, muss seine Alterseinkünfte zu hundert Prozent versteuern. "Wer sich einen Einmalbetrag auszahlen lässt, kann damit konfrontiert sein, dass die Hälfte davon weg ist", gibt Plötz zu bedenken.

Außerdem gilt es zu beachten: Sollte Eva Müller sich für die Direktversicherung über ihren Arbeitgeber entscheiden, muss ihr klar sein, dass sie den Vertrag nicht kündigen kann. Auch dann nicht, wenn sie einen finanziellen Engpass bekommt oder während einer Babypause kein Einkommen hat. Es ist nur eine Beitragsfreistellung möglich, die am Ertrag nagt. Erst im Rentenalter kann der Kunde an sein Geld. "Junge Frauen sollten eine Entscheidung auch von ihrer Familienplanung abhängig machen", betont Weidenbach. Außerdem wichtig: Beim Jobwechsel kann der Vertrag nicht ohne Einbußen beim neuen Arbeitgeber weitergeführt werden. Dieser muss nur das Guthaben übernehmen, frühere Rabatte oder niedrige Gebühren gelten dann aber nicht mehr.

"Wir raten jungen Leuten meist ab, sich mit einer Direktversicherung auf Jahrzehnte zu binden", so das Fazit von Altersvorsorgeexperte Plötz. Weil ihr Arbeitgeber keinen Cent zuschießt und sie in spätestens drei Jahren den Job wechseln will, hat sich Eva Müller dazu entschlossen, die Betriebsrente erst einmal sausen zu lassen. Privat sparen oder ein guter Riester-Banksparplan ist nach Ansicht der Verbraucherschützer die bessere Alternative, flexibler und bestenfalls sogar rentabler.

Hätte die junge Münchnerin in ihrem ersten Job gleich ein Riesengehalt bekommen, sähe die Sache jedoch anders aus. Für Spitzenverdiener, womöglich noch privat krankenversichert, kann sich eine Direktversicherung durchaus rechnen. "Je höher der persönliche Steuersatz, desto mehr lohnt sich das", sagt Weidenbach.

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