Digitalisierung im Job:Früher war alles anders

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"Ich habe hauptsächlich Briefe geschrieben und Präsentationen vorbereitet", sagt die Sekretärin über ihre Arbeit vor 25 Jahren.

(Foto: Getty Images)

Tastatur statt Schreibmaschine, E-Mail statt Brief, Google-Suche statt Telefonrecherche: Mit der Digitalisierung hat sich der Berufsalltag komplett verändert - und mit ihm auch die Anforderungen in der Arbeitswelt. Wie erleben das Fachkräfte, die seit Jahrzehnten in ihrem Job arbeiten? Sechs Menschen aus verschiedenen Branchen berichten, was Computer und Internet aus ihren Berufen gemacht haben.

Von Maria Fiedler

Die Architektin

"Als ich 1985 zu arbeiten begann, war das noch eine ganz andere Welt: Man benutzte ein Türblatt als Zeichenfläche, das von zwei Tischböcken getragen wurde. Darauf lag ein großer Bogen Transparentpapier und eine längs angebrachte Schiene, an der man mit dem Geodreieck Parallelverschiebungen machen konnte. Gezeichnet habe ich mit Stiften, die mit Tusche gefüllt waren, sogenannten Rapidografen. Ging etwas schief, wurde es aufwendig: Dann musste ich mit einer Rasierklinge die falschen Linien wegkratzen und anschließend das Papier mit einem harten Radierstift glätten. Eine wahnsinnige Arbeit, Veränderungen waren entsprechend schwer.

Heute haben wir komplizierte CAD-Programme - CAD steht für Computer Aided Design. Wenn man da eine Sache ändert, passen sich die Maße aller Räume, die Schnitte und Ansichten automatisch an. So kann man schnell mal 20 oder 30 Varianten eines Plans erstellen. Gleichzeitig greifen viele Kollegen, die mit diesen Programmen arbeiten, auf bereits fertige Entwürfe zurück und modifizieren sie mit ein paar Klicks für den aktuellen Auftrag. Da geht viel Individualität verloren.

Ich zeichne heute noch meine Skizzen mit der Hand, und meine Mitarbeiter setzen sie dann mit CAD um. Andere Büros benutzen Programme zum parametrischen Entwerfen: Dabei gibt man in den Computer gewisse Daten ein, und dieser kreiert dann eine Formenvielfalt, sodass man den Prozess nur noch stoppen muss, wenn man es gut findet. Aber Architektur wird in meinen Augen durch die Digitalisierung nicht besser. Es hat eine Verflachung stattgefunden. Und nicht alles, was am Computer möglich ist, wollen wir auch in unserer gebauten Umwelt haben."

Der Fotograf

"Mit den Fotos vom Mauerfall hat alles begonnen, ich wollte Fotograf werden. Gleichzeitig war es der Start für mein Berlin-Bildarchiv. 1994 machte ich mich selbständig. In der Anfangszeit habe ich ausschließlich schwarz-weiß fotografiert, hatte ein Labor in meiner Wohnung und entwickelte die Filme und Bilder selbst. Unter dem Vergrößerungsgerät konnte ich die Helligkeit und den Kontrast der Bilder steuern oder den Ausschnitt neu bestimmen. Später, als ich mich auf die Architekturfotografie spezialisierte, verwendete ich Diafilm, der keine Nachbearbeitung mehr zuließ.

Das hat sich natürlich alles grundlegend geändert: Meine erste Digitalkamera habe ich mir im Jahr 2000 in Hongkong gekauft. Die hatte nur 1,5 Megapixel und war so groß wie eine Zigarettenschachtel. 2003 bin ich dann relativ früh mit einer digitalen Spiegelreflexkamera komplett umgestiegen. Mit Programmen wie Photoshop kann ich heute weit mehr als nur die Helligkeit oder den Kontrast angleichen - bei Auftragsarbeiten können auch umfangreichere Retuschen anfallen.

Aber bei der analogen Fotografie war die eigene Handschrift viel deutlicher zu erkennen, beispielsweise wenn man die Bilder etwas dramatischer entwickelte oder Bildteile keine Zeichnung hatten und einfach schwarz waren. Dagegen wirken die Bilder der Digitalkamera eher glatt und zu gleichmäßig. Durch die Nachbearbeitung ist vieles zu retten, was im Analogen kaum möglich war. Da spielte das fotografische Können eine noch größere Rolle.

Trotzdem war für mich die Entwicklung hin zur Digitalfotografie in jedem Fall von Vorteil: Dass ich am Ort die Bilder kontrollieren und später gegebenenfalls noch optimieren kann, weiß ich zu nutzen."

Bibliothek und Reisebüro

Der Bibliotheksleiter

"Vor 20 Jahren hätte man sich wirklich nicht vorstellen können, wie schnell die Digitalisierung voranschreiten würde. Terabyte als Speicherkapazität oder Leitungskapazitäten im Megabit-Bereich - das klang für mich zu Beginn meiner Laufbahn im Jahr 1994 wie die Reise zum Mond.

Damals haben Bibliotheken grundlegend anders funktioniert als heute: Es war üblich, dass es einen zentralen Zettelkatalog gab, der sich im Katalogsaal befand. Um herauszufinden, welches Buch vorhanden ist, musste man diesen physisch aufsuchen. Der Katalog wurde vom Bibliothekar gepflegt: Er sortierte für neue Bücher weitere Katalogkarten ein.

Hat er dabei einen Fehler gemacht, war das Buch für immer verloren. Und weil diese Kataloge nicht mehrfach vorhanden waren, mussten sich Bibliothekare besonders mit der Nutzung von Nachschlagewerken auskennen: Wo werden Bibliothekskataloge zusammengefasst? Welche Bibliografie berichtet von wann bis wann? Dieses Wissen ist heute etwas in den Hintergrund getreten.

Heute sind die Bibliothekskataloge elektronisch vorhanden, oft im Verbund von mehreren Bibliotheken. Die Studierenden brauchen weniger Hilfe beim Aufsuchen von gedruckten Werken - vielmehr müssen sie lernen, welche der verfügbaren Datenbanken was bieten und wie man dort etwa statistische Daten abrufen kann. Auch viele Bücher sind mittlerweile digitalisiert, Aufsätze und E-Books können von zu Hause aus aufgerufen werden.

Jeder Bibliothekar muss heute gute IT-Kenntnisse haben, ohne geht es nicht. Er sollte sich mit der Qualitätskontrolle von Daten und digitalem Publizieren auskennen. Das war auch für mich eine große Umstellung, weil sich das Anforderungsbild komplett gedreht hat. Neulich haben wir beispielsweise nach einem Kollegen gesucht, der Videoschnitt beherrscht - er soll Video-Tutorials erstellen."

Die Reiseverkehrskauffrau

"Früher fing mit dem Gang ins Reisebüro die Vorfreude auf den Urlaub an. Richtig los ging es, wenn die Tickets mit der Post nach Hause kamen. Für mich war das immer ein wunderschöner Beruf, weil ich den Kunden geholfen habe, die beste Zeit des Jahres zu organisieren. Seit ich 16 war, habe ich im Reisebüro gearbeitet, 2005 mein eigenes eröffnet. Aber das Internet hat den Job ein Stück weit entzaubert und dem Gang ins Reisebüro einiges von seinem Charme genommen. Mittlerweile lassen sich Kunden im Reisebüro aufwendig beraten und buchen dann zu Hause. Dabei ist das nicht preiswerter. Es gibt zwar Sonnenschein-Rabatte, XXL-Frühbucherrabatte und alle möglichen Lockangebote - aber in meinen Augen ist das Schönmalerei.

In meiner Anfangszeit war das übersichtlicher. Damals haben wir viel mit Katalogen gearbeitet und anhand der Tabellen die Preisberechnungen durchgeführt. Vieles wurde auch über Telefon abgefragt. Jetzt habe ich online ein Abfragesystem für alle Anbieter. Das ist natürlich praktisch. Trotzdem finde ich es schade, dass sich das Verhalten der Kunden so geändert hat. Es wird oft nur auf den Preis geschaut. Zum Glück gibt es noch immer einige, die sich bei mir nach einer schönen Reise mit einem Strauß Blumen bedanken."

Sekretariat und Redaktion

Die Sekretärin

"Vor 25 Jahren war der Beruf der Sekretärin noch anders angesehen - da war man eine Schreibkraft, die Termine des Chefs organisiert hat. Der Schwerpunkt meiner Arbeit lag damals in der Korrespondenz. Ich habe hauptsächlich Briefe geschrieben und Präsentationen vorbereitet.

Heute kann ich viel eigenständiger arbeiten und habe eigene Projekte. Das liegt daran, dass auch die Chefs eigenständiger arbeiten und moderner geworden sind. Sie schreiben ihre E-Mails selbst. Briefe werden kaum noch verschickt. Durch das Internet ist es für mich auch einfacher geworden, Reisen für meinen Chef zu organisieren. Früher musste man für Flüge stundenlang mit dem Reisebüro diskutieren. Telefon, Kataloge und Fax waren das Mittel der Wahl. Die Routen kann ich jetzt online zusammenstellen. Das Gleiche gilt für Bestellungen oder Übersetzungen. Insgesamt ist mein Aufgabenbereich größer und interessanter geworden. Ich habe einen von meinem Arbeitgeber ausgeschriebenen Sekretärinnen-Wettbewerb organisiert - so etwas wäre früher kaum denkbar gewesen."

Der Journalist

"Bevor es das Internet gab, war unser Archiv die größte Hilfe. Dort haben die Mitarbeiter Zeitungsartikel ausgeschnitten und auf Kartons geklebt, sodass man sich über die Berichterstattung der vergangenen Jahre informieren konnte. Es war ein wirres System, das nur jemand verstand, der tief in der Materie drinsteckte. Daneben konnte man zu Recherchezwecken natürlich zum Hörer greifen und einen Experten für das Thema anrufen. Kannte man aber niemanden, wurde es schwierig.

Geschrieben habe ich zu Anfang meiner Karriere in den Achtzigerjahren noch auf der Schreibmaschine. Um einen fertigen Text umzustellen, musste ich das Papier zerschneiden und neu zusammenkleben. Das Manuskript haben wir dann per Boten an die Setzerei geschickt, wo an riesigen Maschinen Artikelzeilen aus Blei gegossen und später zu einer Zeitungsseite zusammengefügt wurden. Das war furchtbar aufwendig.

Auch die Arbeitszeiten waren damals andere: Wir kamen gegen eins oder zwei in die Redaktion und blieben bis acht oder neun. Es gab ja keine Webseite, die aktuell gehalten werden musste. Als wir Anfang der Neunziger die ersten Computer in der Redaktion bekamen, war die Freude groß. Andere Zeitungen hatten damals schon umgestellt, bei uns war es also eher ein Nachziehen. Zum Teil ist der Journalismus heute oberflächlicher, aber das Internet erleichtert vieles. Etwa in meinem Bereich: Wenn es bei U- oder S-Bahn eine Störung gibt, muss ich nicht mehr mühsam rumtelefonieren, ich erfahre es sofort."

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