Die Arbeitsamt-Affäre:Zauberwort Privatisierung

Viele Pläne zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit zielen auf Abbau der Bürokratie.

Alexander Hagelüken

(SZ vom 22.2.2002) Die Stellenausschreibung könnte ungefähr so lauten: "Wir bieten die Leitung einer Behörde mit fast 90.000 Mitarbeitern, über 50 Milliarden Euro Etat, aber bisher nur 10.000 Euro Gehalt. Wir suchen einen Sanierer, der keine Konflikte scheut und schnelle Erfolge garantiert".

Auch wenn die Bundesregierung weit davon entfernt ist, den Chefposten der Bundesanstalt für Arbeit (BA) per Annonce zu suchen: Das Jobprofil deutet an, welche Erwartungen auf dem Nachfolger Bernhard Jagodas lasten. Die Nürnberger Anstalt und ihre Arbeitsämter sind wegen ihrer frisierten Erfolgszahlen schwer angeschlagen. Reihenweise melden sich Job-Vermittler krank, offenbar demoralisiert sie das Image ihrer Behörde. Und die Politik verlangt rasche Veränderungen.

Der Bundeskanzler lässt es sich nicht nehmen, an diesem Freitag persönlich mit Arbeitsminister Walter Riester (SPD) ein neues Konzept für die BA und womöglich einen neuen Chef zu präsentieren. Gerhard Schröder hat erkannt, dass sich die Affäre gegen die Regierung wenden könnte, wenn sie nicht handelt.

Falsche Prioritäten

Die Diskussion um die Neuordnung der Arbeitsämter hat bisher mehrere Schwerpunkte. Weit gehend einig sind sich alle Parteien, dass die Bundesanstalt sich stärker auf die Arbeitsvermittlung konzentrieren soll, mit der sich bisher nur knapp zehn Prozent ihrer Angestellten beschäftigen. "Die Prioritäten sind völlig falsch gesetzt", schimpft die grüne Sozialpolitikerin Thea Dückert. Sie stellt sich vor, dass ein guter Teil der mehr als 25.000 Angestellten, die bisher soziale Leistungen ausrechnen, in die Vermittlung wechselt.

Doch da beginnen schon die Hindernisse. Die mächtigen Personalräte der Bundesanstalt sträuben sich gegen radikale Veränderungen, und zumindest die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dürfte diesen Widerstand unterstützen. Dückert räumt ein, dass die Politik sich erst einmal einen Überblick über den Nürnberger Moloch verschaffen muss: "Unternehmensberater sollten die Strukturen analysieren, damit unsere Reformen zielgenauer ansetzen."

Interessante Koalitionen

Der FDP-Abgeordnete und ehemalige Job-Vermittler Dirk Niebel fordert, die Ämter müssten weniger verwalten und mehr vermitteln. Er schlägt unter anderem vor, die Landesarbeitsämter abzuschaffen, die kaum Kompetenzen, aber viel Personal hätten. Die Bundesanstalt will Niebel von sachfremden Aufgaben wie der Auszahlung des Kindergeldes oder der Bekämpfung illegaler Beschäftigung entlasten. In diesem Punkt harmoniert der Liberale mit der Gewerkschafterin Ursula Engelen-Kefer - in diesen Tagen des Aufbruchs entstehen interessante Koalitionen.

Kaum umstritten ist in der Politik, dass den Arbeitslosen mehr private Vermittlung helfen könnte. Das neue Job-Aqtiv-Gesetz gibt Arbeitslosen nach sechs Monaten einen Rechtsanspruch auf private Vermittlung. Die Grünen wollen dies vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an ermöglichen, was in der SPD noch diskutiert wird. Eine vollständige Privatisierung der Arbeitsvermittlung ist dagegen politisch ausgeschlossen. Das liegt nicht nur an der Befürchtung, dass sich Privatfirmen kaum für schwer vermittelbare Arbeitslose interessieren. Der ideologische Widerstand gegen Privatisierung bei SPD und Gewerkschaften, aber auch in der Union ist zu groß.

Vergebliche Kritik

Auf den Prüfstand werden die Beschäftigungsprogramme kommen, für die die Bundesanstalt dieses Jahr 22 Milliarden Euro aufwendet. Sie sind zu teuer und zu ineffektiv, lautet seit langem die Kritik von Ökonomen und Arbeitgebern.

Doch auch hier sind die Beharrungskräfte stark. Die großen Volksparteien CDU und SPD setzen seit langem auf diese Programme, um Arbeitslose zu beschäftigen. Die Bildungswerke von Gewerkschaften und die Arbeitgeber erhalten auf diese Weise Milliardenaufträge. Da erstaunt es geradezu, wenn der Arbeitgeberfunktionär Christoph Kannengießer berichtet, er werde für seine Forderungen nach einer Kürzung der Programme im eigenen Lager nicht kritisiert.

Kannengießer steht gemeinsam mit der Gewerkschafterin Engelen-Kefer dem Vorstand der Bundesanstalt vor, der wegen der Affäre ebenfalls unter Druck geraten ist. So fordert die FDP, Gewerkschaften und Arbeitgeber zu entmachten und die Anstalt nur der Regierung zu unterstellen - eine klassische Oppositionsforderung. Abgesehen von der FDP verspürt bisher keine politische Kraft den Wunsch, sich mit den beiden Tarifparteien anzulegen.

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