Deutsche Studenten in Österreich:Dr. Austria

Immer mehr Deutsche studieren in Salzburg, Innsbruck und Wien - dort wächst der Ärger über den Ansturm aus dem Nachbarland. Finanzielle Forderungen werden laut.

Michael Frank u. Tanjev Schultz

An Österreichs Hochschulen wächst der Unmut über den Ansturm deutscher Studenten. Zuwanderer werden in Österreich traditionell mit Argwohn betrachtet, wobei es stets eine klare Trennlinie gab: Solche aus dem Westen Europas, besonders aus Deutschland, waren eher willkommen, solche aus dem Osten, der Türkei oder noch ferneren Gefilden eher ungelitten.

Deutsche Studenten in Österreich: Auch in diesem Semester zieht es wieder zahlreiche Deutsche zum Studieren ins Nachbarland Österreich.

Auch in diesem Semester zieht es wieder zahlreiche Deutsche zum Studieren ins Nachbarland Österreich.

(Foto: Foto: iStock)

Seit aber immer mehr Deutsche zum Studieren und Arbeiten nach Österreich kommen, treffen auch sie zunehmend auf Skepsis. Zu Beginn des neuen Studienjahres gibt es daher wieder einmal Proteste und Warnungen wegen einer angeblichen "Flut" deutscher Studienanfänger.

Etwa 18.000 Deutsche waren im vorigen Semester in Österreich eingeschrieben. In der Universität Salzburg stellen Deutsche im Fach Publizistik unter den Neueinschreibungen mittlerweile gut die Hälfte, in Innsbruck im Fach Psychologie ungefähr zwei Drittel. Österreichs Hochschulen sind seit je Ziele für Numerus-clausus-Flüchtlinge, wie man sie im Nachbarland tituliert.

Jetzt aber ist der Zustrom noch einmal erheblich angeschwollen. Denn in Deutschland verhängen immer mehr Hochschulen lokale Zugangsbeschränkungen, mehr als jeder zweite Studiengang hat einen Numerus clausus. Viele, die daran scheitern, suchen ihr Glück im Nachbarland.

Dazu kommt, dass Österreich seine Studiengebühren wieder abgeschafft hat, während Studenten etwa in Bayern bis zu 500 Euro im Semester bezahlen müssen. In Salzburg und Innsbruck sind die meisten Neuzugänge Studenten aus Bayern. Allerdings gibt es umgekehrt auch etwa 4500 Österreicher an deutschen Unis.

Der Ansturm wird noch stärker

Uni-Vertreter in Österreich befürchten, der Ansturm der Deutschen werde noch stärker sein, wenn in mehreren deutschen Ländern die sogenannten doppelten Abitur-Jahrgänge aus den Schulen strömen. Wegen der verkürzten Gymnasialzeit (G8) werden 2011 zwei Jahrgänge gleichzeitig in Bayern die Gymnasien verlassen. Baden-Württemberg, Berlin und Bremen folgen 2012, ein Jahr später Nordrhein-Westfalen. Zwar wollen die Kultusminister in den kommenden Jahren bundesweit 275.000 Studienplätze schaffen. Experten vermuten aber, dass in gefragten Fächern die Aussichten der Bewerber, an einer deutschen Hochschule zugelassen zu werden, weiter sinken.

Der österreichische Steurzahler muss es finanzieren

"Kann man dem österreichischen Steuerzahler zumuten, dass er universitäre Infrastruktur zur Verfügung stellt für weite Teile Mitteleuropas, die jetzt unser Land überfluten, weil wir gratis Studienplätze zur Verfügung stellen?", fragt der Innsbrucker Rektor Karlheinz Töchterle, an dessen Institution rund 3000 Deutsche eingeschrieben sind. Töchterle und andere Uni-Vertreter fordern, Deutschland müsste Ausgleichszahlungen leisten, wenn Österreich so viele Deutsche aufnehme. In Skandinavien seien Ausgleichleistungen seit langem üblich.

Der christsoziale Wiener Wissenschaftsminister Johannes Hahn ist jedoch dagegen: Da viele Österreicher auch im Ausland studierten, sehe er eine eher ausgeglichene Bilanz, weshalb solche Forderungen wenig sinnvoll seien. Auch das Bundesbildungsministerium in Berlin weist Forderungen nach Ausgleichszahlungen zurück. Sie seien nicht mit dem EU-Recht vereinbar; wenn es einen Ausgleichsmechanismus gäbe, müsste dieser auch für andere Länder gelten. Und Zulassungsbeschränkungen speziell für deutsche Bewerber verstießen gegen EU-Recht, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Hochschulen übernahmen die Numerus-clausus-Regeln

Die Präsidentin der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, äußerte Verständnis für die Sorgen der Nachbarn. Nötig seien "angemessene Studienbedingungen" in beiden Ländern. Ausgleichszahlungen lehnte Wintermantel ab. Sie forderte "eine gesamteuropäische Lösung". Das verlangte auch die österreichische Wissenschaftspolitikerin Andrea Kuntzl von den Sozialdemokraten. Andere Länder haben ähnliche Probleme wie Österreich, etwa Belgiens Landesteil Wallonien, der französischsprachige Bewerber aus den Nachbarstaaten anzieht.

Früher hatte Österreich deutsche Bewerber nur zum Studium zugelassen, wenn sie einen entsprechenden Platz auch in Deutschland nachweisen konnten. Damit übernahmen die Hochschulen de facto die Numerus-clausus-Regeln der Deutschen, was den Zustrom in Grenzen hielt. Diese Regelung wurde vom Europäischen Gerichtshof gekippt, weil es dem Gleichheitsgrundsatz widersprach, wenn für Österreicher weniger strenge Regeln galten als für die Deutschen. Seither gibt es in Fächern wie Human- und Tiermedizin sowie Pharmazie Zugangsprüfungen. Diese halten viele Deutsche aber von einer Bewerbung nicht ab.

Studiengebühren sind unsozial

Österreichs Wissenschaftsminister Hahn und seine christsoziale Volkspartei fordern die Wiedereinführung von Studiengebühren, um den Zustrom an die Universitäten zu regulieren. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann und seine SPÖ - beide Parteien bilden eine große Koalition - lehnen das aber als unsozial ab.

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