Süddeutsche Zeitung

Der Weg zum MBA:Der gute Ruf zählt

Wer seinen MBA an einer Spitzen-Uni machen will, muss Deutschland verlassen - am besten Richtung USA.

Christine Demmer

Das Mantra bekommt jeder zu hören, der sich für eine MBA-Weiterbildung interessiert: "Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl einer Business School ist ihr Renommee. Nehmen Sie deshalb die beste Schule, die Sie nehmen würde!" Dieser Rat mag zwar ein Schlag ins Gesicht von Fachhochschulrektoren und Zwergschuldekanen sein, aber er ist berechtigt. Denn die Wirtschaft, die den MBA-Absolventen ja schließlich abnehmen soll, schätzt vor allem jene paar Business Schools, die sich jahrein, jahraus auf den Top-Ten-Listen behaupten.

Ganz vorne liegen regelmäßig die US-Klassiker Harvard, Wharton und Kellogg. In Europa sind es die London Business School, Insead in Fontainebleau, Erasmus in Rotterdam, IESE in Barcelona und IMD bei Lausanne. In den Vereinigten Staaten, dem Mutterland des MBA, gibt es noch einige, die knapp dahinter liegen. Aber in Europa ist die Liste mit den oben aufgeführten Namen bereits zu Ende - zumindest was den Junior MBA für Frischlinge angeht, nicht unbedingt den Executive MBA, der sich an erfahrene Führungskräfte richtet. Keine Business School von Rang findet sich in Skandinavien, keine in Osteuropa und keine in Italien. Geschweige denn im Heimatland Wilhelm von Humboldts, dessen revolutionäre Ideen zur universitären Ausbildung einst Pädagogen aus aller Welt in Scharen nach Deutschland getrieben haben. 200 Jahre nach Humboldt ist Deutschland in puncto Top-Wirtschaftsschulen finsterste Provinz.

Warum das so ist, weiß Detlev Krahn. Er ist Leiter der Bonner Geschäftsstelle der FIBAA (Foundation for International Business Administration Accreditation) und zuständig für die Prüfung von Wirtschaftsschulen in Deutschland. "Es gibt zwei Gründe. Erstens historische: In Deutschland war die Vergabe von Master-Abschlüssen bis 1999/2000 verboten. Wir hatten dafür Diplom und Magister. Ein Gesetz aus den dreißiger Jahren verbot außerdem die Gründung und den Betrieb privater Business-Schulen. Somit konnte in Deutschland gar keine Tradition entstehen, wie sie zum Beispiel in den USA seit fast einem Jahrhundert die Landschaft der privatrechtlich organisierten Business Schools prägt."

Kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende wurde die Harvard Business School gegründet, das zum Leuchtturm erhobene Vorbild aller angelsächsischen Wirtschaftsschulen. Auch Kellogg, Wharton, Darden, Cornell und die namhaften europäischen Einrichtungen haben teils mehr als 30 Jahre auf dem Buckel. In allen anderen Ländern aber, wo der Staat das Bildungsmonopol für sich behielt, konnte gar kein privatwirtschaftliches Unternehmertum entstehen, das sich von der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften einen Gewinn versprach.

Hierin erkennt Detlev Krahn den zweiten Grund, warum es in Deutschland auch heute noch keine Business School von Weltgeltung gibt: "Solch eine Institution muss streng nach betriebswirtschaftlichen Regeln geführt werden. Das heißt: Die besten Lehrer engagieren - die sind teuer. Die beste Infrastruktur bieten - das ist teuer. Und sich diesen Aufwand plus Gewinnzuschlag über angemessene Gebühren von den Studierenden zurückholen. Das aber war den deutschen Unis bis vor kurzem untersagt. Die staatlichen Hochschulen beginnen erst jetzt die Freiheitsgrade zu nutzen, die mit dem Bologna-Prozess ausgelöst worden sind."

Was Bildungspolitiker und Hochschulrektoren Mitte der neunziger Jahre im italienischen Bologna vereinbart hatten, nämlich die europaweite Einführung von Bachelor- und Master-Graden und damit die Anpassung des europäischen an das angelsächsische Hochschulsystem, rief die deutschen Business Schools erst an den Start. Zugleich sahen sie sich aber weit abgeschlagen hinter den etablierten Champions in England, Frankreich und der Schweiz, die sich längst einen klangvollen Namen im Markt gemacht hatten. Kein Wunder also, dass die Rekruiter aus der Wirtschaft deren Absolventen bevorzugten: Da wusste man - zumindest nach dem Hörensagen -, was man bekam. Als logische Folge sahen Unternehmer und Manager ihren Nachwuchs lieber im Ausland als auf dem Experimentiertisch der ersten privaten Hochschulen in Deutschland. Ganz davon abgesehen, dass ein Auslandsstudium auch anderweitig bildet.

Detlev Krahn sieht denn auch nur geringe Chancen, dass binnen kurzer Zeit bei uns eine Managerschmiede von Weltrang entsteht. "Insead hat vor 35 Jahren mit einem einzigen Professor angefangen, es dauerte 20 Jahre bis zum heutigen Ruf", sagt er. "Auch wenn wir mit der LMU in München und mit den Hochschulen in Münster, Köln, Frankfurt und Mannheim erstklassige wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten haben, braucht der Prozess bis zur Anerkennung durch die Welt doch seine Zeit."

Das sieht der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka anders. "Die deutschen Eliten hatten nie ein Problem damit, ihren ökonomischen Nachwuchs an deutschen Hochschulen zu rekrutieren", sagt er. "Ich glaube, dass diese neue Beschwörung von Eliten eher eine symbolische Politik ist, ein Mittel zum Zweck, um den Wettbewerb unter den Hochschulen zu stimulieren. Die heutigen Spitzenmanager sind ja meist auch durch die Universitäten gegangen. Vielleicht sind sie ja deshalb oft schlechte Manager?"

Dem Sponsor zu Willen

Und was ist mit den privaten Hochschulen, die sich dem Führungsnachwuchs verschrieben haben, der EBS im Rheingau zum Beispiel, der WHU in Koblenz oder der noch ganz am Anfang stehenden ESMT in Berlin? FIBAA-Manager Krahn schweigt beredt. Professor Gruschka trauert noch um sein gescheitertes Campus-Projekt in Duisburg, das vor Jahren ebenfalls eine Kaderschmiede ins internationale Rennen schicken wollte (nach anfänglicher Begeisterung hatten sich die Financiers aus der Wirtschaft aus dem Projekt zurückgezogen).

Die ESMT wurde erst zu Beginn des Jahres mit Hilfe der führenden Unternehmen Deutschlands an den Start gebracht. Der erklärte Anspruch lautet, ein "deutsches Harvard" hervorzubringen. Fragen wir Krahn: Wird das gelingen? "Das kann ich nicht sagen", sagt er. "Wir von der FIBAA haben jedenfalls mit gutem Grund empfohlen, die ESMT an die Humboldt-Universität anzuhängen. Das wollten die Sponsoren aber nicht. Akkreditiert ist diese Schule noch nicht."

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SZ vom 15.7.2006
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