Süddeutsche Zeitung

Der richtige Mitarbeiter:Bauchgefühl statt Köpfchen

Bewerber, die anders denken, fallen bei den meisten Eingungstests aus dem Rennen. Ein neues Verfahren soll das nun ändern.

Nicola Holzapfel

Wer als Bewerber in die engere Wahl kommt, muss sich häufig Eignungstests unterziehen. Unternehmen wollen damit die Klasse aus der Masse der Kandidaten filtern.

Doch genau das verhindert ein Test womöglich, behauptet der Psychologe Matthias Rosenberger von der Technischen Universität Chemnitz. ,,Die meisten Eignungstests haben dasselbe Problem. Sie geben einen Rahmen vor, in den der Bewerber hineinpassen muss. Tut er das nicht, fällt er durch den Raster. Dabei wäre vielleicht gerade er für die Stelle bestens geeignet'', sagt er.

Rosenberger will mit einem neuartigen Testverfahren zusammenbringen, was zusammengehört. Neu ist, gerade bei der Unterschiedlichkeit der Kandidaten anzusetzen - statt sie über einen Kamm zu scheren.

Ansatz aus den fünfziger Jahren

Der Ansatz basiert auf der Theorie der ,,persönlichen Konstrukte'', die der amerikanische Persönlichkeitspsychologe George Kelly in den fünfziger Jahren aufgestellt hat: Danach erwirbt jeder Mensch im Laufe seines Lebens eine ganz individuelle Sicht auf die Welt. Durch diese Brille sehe er alle Anforderungen, die ihm begegnen, und danach handele er dann auch.

Die Chemnitzer Psychologen haben aus Kellys Theorie einen Online-Test entwickelt. Damit soll es gelingen, die individuelle Gedankenwelt einer Person zu erfassen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Tests werden keine Antworten vorgegeben, die man auf einer Skala von ,,zutreffend'' bis ,,nicht zutreffend'' auswählt.

Stattdessen werden offene Fragen gestellt, die der Teilnehmer intuitiv beantworten soll. Rosenberger spricht daher auch davon, dass er das ,,Bauchgefühl'' der Test-Personen misst.

Ein Beispiel

Eine mögliche Aufgabe: Drei Elemente werden vorgegeben - ,,Abteilungsleiter'', ,,Ich'', ,,Lehrer von früher''. Der Teilnehmer muss nun zwei Elemente benennen, die aus seiner Sicht zusammengehören. ,,Diese Entscheidung wird intuitiv getroffen'', sagt Rosenberger.

Als nächstes muss die Testperson das Elemente-Paar charakterisieren: Ist es zukunftsorientiert oder eher traditionell? Am Ende des Tests ergibt sich für jeden Teilnehmer eine bestimmte Struktur seiner Entscheidungen. Das Ergebnis wird als dreidimensionale Grafik dargestellt, die den Entscheider quasi in die Gedankenwelt des Bewerbers hineinblicken lässt.

Nun muss das Programm nur noch das Strukturbild der Testperson mit dem gewünschten Aufgabenprofil vergleichen. So sehen die Psychologen, wer zu welchem Aufgabengebiet passt.

Der Harmonie-Test

Der Vorteil: Mit dem Testverfahren lässt sich auch ermitteln, welche Mitarbeiter gut miteinander auskommen würden. Dafür werden zunächst die spezifischen Anforderungen, die sie mitbringen sollten, definiert.

,,Es ist ein Unterschied, ob ein Team schnell arbeitsfähig sein oder kreative Leistungen erbringen soll'', sagt Rosenberger. Im ersten Fall wird nach Kollegen gesucht, die harmonieren und ähnliche Zukunftsvisionen haben. Für eine kreative Gruppe werden dagegen möglichst unterschiedliche Charaktere ausgewählt.

Auch bei Kommunikationsproblemen kann der Test helfen. So hatte ein Unternehmen beispielsweise ihre Führungskräfte zum Mitmachen verpflichtet, weil sie sich nicht auf eine Strategie einigen konnten. Rosenberger fand heraus: ,,Die eigentlichen Probleme lagen gar nicht auf der sachlichen, sondern auf der emotionalen Ebene.''

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Quelle:
SZ vom 05.01.2007
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