Süddeutsche Zeitung

Der Jobcoach:Soll ich das Kopftuch beim Bewerben weglassen?

SZ-Leserin Mona F. fragt: Ich bin promovierte Ärztin mit mehrjähriger Berufserfahrung an zwei Krankenhäusern. Trotzdem erhalte ich nur Absagen auf meine Bewerbungen. Kann das am Foto in meinem Lebenslauf liegen?

SZ-Leserin Mona F. fragt:

Ich bin promovierte Ärztin, 30 Jahre alt, mit mehrjähriger Berufserfahrung an zwei verschiedenen Krankenhäusern und einem sehr akzeptablen Lebenslauf. Nun möchte ich meine Stelle wechseln, bekomme jedoch bisher nur Absagen auf meine Bewerbungen. Daher frage ich mich: Soll ich das Bewerbungsfoto, auf dem ich ein Kopftuch trage, weglassen?

Vincent Zeylmans antwortet:

Liebe Frau F., auch wenn der Fachkräftemangel gelegentlich hinterfragt wird, sind sich Arbeitsmarktspezialisten einig: Bei Medizinern herrscht tatsächlich Mangel. Wenn Sie also nur Absagen erhalten, lohnt es sich, nach Ursachen zu suchen.

Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick schreibt: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Sie lösen mit der Aufmachung Ihrer Bewerbung - sei es mit der Wortwahl, der Optik oder dem Foto - zwingend Emotionen aus. Denn Ihr Gegenüber kann nicht nicht empfinden. Ich möchte keine Wertungen vornehmen, gebe aber zu bedenken: Wer Wirkungen versteht, kann sein Leben möglicherweise erfolgreicher gestalten.

Studien haben gezeigt, dass Lehrer an deutschen Schulen vom Potenzial eines Kevin oder einer Chantal weniger überzeugt sind als von den Fähigkeiten eines Maximilian oder einer Katharina. Es ist auch erwiesen, dass Bewerber, die in Deutschland aufgewachsen sind, öfter zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden als Kandidaten mit Migrationshintergrund. Das kann man beklagen, doch man muss sich auch überlegen, wie man pragmatisch damit umgeht.

Damit der Betrachter sich nur von der Leistung und nicht vom Sympathiefaktor leiten lässt, ist man in einigen Ländern dazu übergegangen, das Foto bei Bewerbungen abzuschaffen. Auch in Deutschland wurde mit der sogenannten anonymen Bewerbung experimentiert, doch sie hat sich nicht durchgesetzt. Es ist zwar möglich, eine anonyme Bewerbung zu versenden, die Frage ist aber, ob es hilfreich ist. Leicht entsteht beim Empfänger der Verdacht, dass der Bewerber etwas zu verbergen hat. Empfindet er sich als zu attraktiv? Zu hässlich? Zu dick? Zu dünn? Zu alt für das biologische Alter? Da Arbeitgeber Unwägbarkeiten scheuen, empfiehlt es sich, ein Bewerbungsbild beizulegen.

Ich hatte vor einiger Zeit eine Anfrage von einer Bewerberin aus der Schweiz, die sich ebenfalls mit Kopftuch bewarb und keine Einladungen zum Vorstellungsgespräch erhielt. Wir telefonierten, und sie erzählte mir, dass sie das Kopftuch weniger aus religiösen Motiven trug. Es hatte vielmehr eine kulturelle Bedeutung, sie würde sich einfach ohne Kopfbedeckung unwohl fühlen. Wir überlegten, ob es zielführend wäre, ein Bewerbungsbild ohne Kopfbedeckung beizulegen, dann aber mit Kopftuch zum Interview oder zum ersten Arbeitstag zu erscheinen. Dabei hatten wir kein gutes Gefühl, auch wenn die Strategie vielleicht aufgegangen wäre. Wer im Laufe des Bewerbungsverfahrens den Eindruck weckt, Informationen zurückzuhalten, wird in der Probezeit kritischer wahrgenommen.

Ich schlug ihr vor, ein Foto ohne Kopftuch beizulegen, aber im Anschreiben darauf hinzuweisen, dass sie normalerweise mit Kopfbedeckung arbeite. Sie entschied sich dazu, am Ende des Anschreibens knapp darauf hinzuweisen, dass sie nicht religiös engagiert sei, aber mit Kopftuch zur Arbeit erscheine. Sie wählte diesen Weg, weil sie sich bewusst war, dass es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck gibt. Wenige Wochen später erreichte mich ihre Nachricht: Sie hatte den Job - übrigens auch im Gesundheitswesen - bekommen.

Vincent Zeylmans war lange Abteilungsleiter in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis. Heute lebt er als Buchautor, Karriere-Coach und Outplacement-Berater in Emmerich am Rhein.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2018
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