Demonstration für bessere Bildung:Studenten im Streik

Zehntausende Schüler und Studenten treten von heute an in den Bildungsstreik: Sie wollen Banken und Hörsäle besetzen und kämpfen gegen G 8 und den Bachelor.

Tanjev Schultz

An diesem Montag wollen nicht nur die Erzieherinnen ihren Ausstand fortsetzen. Ein Bündnis von Schülern und Studenten hat einen bundesweiten "Bildungsstreik" angekündigt. Während der ganze Woche soll es in etwa 70 Städten Aktionen an Schulen und Universitäten geben, symbolische Banküberfälle, besetzte Hörsäle und "Teach-ins" mit alternativem Unterricht.

Demonstration für bessere Bildung: Flyer zum Bildungsstreik 2009: Am Mittwoch sind große Demos geplant; die Organisatoren hoffen auf 150.000 bis 200.000 Teilnehmer.

Flyer zum Bildungsstreik 2009: Am Mittwoch sind große Demos geplant; die Organisatoren hoffen auf 150.000 bis 200.000 Teilnehmer.

(Foto: Foto: dpa)

Der Protest ist weit gespannt: gegen Studiengebühren und schlechte Betreuung an der Uni, gegen die verkürzte Gymnasialzeit, Prüfungsdruck und verschulte Bachelor-Studiengänge, für kleine Klassen und mehr Lehrer. Am Mittwoch sind, unterstützt von Attac, Verdi und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, große Demos geplant; die Organisatoren hoffen auf 150.000 bis 200.000 Teilnehmer.

Mit dem Nötigsten abgespeist

Der Münchner Abiturient Michael Bohlender wird einer von ihnen sein. Ihn treibt das G 8 auf die Straße und der Kampf gegen das in Bayern noch immer streng gegliederte Schulsystem. Und es ärgert ihn, dass Schulen und Hochschulen immer nur mit dem Nötigsten abgespeist würden - "aber sobald sich Banken und Wirtschaftseliten melden, wird sofort Geld lockergemacht".

Zwar haben Bund und Länder gerade erst ein milliardenschweres Paket für die Wissenschaft beschlossen, aber viele Schüler und Studenten halten das für unzureichend und falsch gewichtet: Das Geld diene vor allem der Eliteförderung und dem quantitativen Ausbau der Hochschulen. Für eine bessere Lehre geschehe nichts, auch die Schulen würden leer ausgehen. Am Donnerstag wollen die Demonstranten vor Bankfilialen ziehen, am Freitag sollen die in Berlin tagenden Kultusminister bedrängt werden.

Als bereits im November Zehntausende Schüler protestierten und dafür den Unterricht sausenließen, hatten viele Schulleiter mit Verweisen reagiert. Eine "Frechheit", sagt Michael Bohlender: "Wir wollen ja nur unser Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben." Der Protest diene außerdem auch den Interessen der Lehrer und Rektoren; in Briefen an die Schulleiter bitten die Organisatoren um "Milde" und werben um "Verständnis für unsere Anliegen".

Bemerkenswerte Solidarität

Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität (FU) Berlin, hat bereits reagiert. In einem Brief an seine Mitarbeiter bittet er diese darum, den Studenten, die am 17. Juni, dem zentralen Protesttag, ihre Lehrveranstaltungen versäumen, "daraus keinen Nachteil erwachsen zu lassen". Eine allgemeine Dienstbefreiung stehe aber "leider nicht im Bereich der rechtlichen Möglichkeiten". Lenzens Solidarität ist bemerkenswert, weil sich in der Protestbewegung auch Lenzens Kritiker sammeln, die dem FU-Präsidenten einen zu elitären und wirtschaftsnahen Kurs vorwerfen. Lenzen unterstützt dennoch den Grundton des Streiks: Bildung und Wissenschaft müssten - auch und gerade in der Krise - Priorität genießen.

Doch auch Gegner des Bildungsstreiks gibt es. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten warnt vor einer "Krawallaktion" und wird seinem Ruf, streberhaft die öffentliche Ruhe zu bewachen, bestens gerecht: "Klausuren müssen trotzdem geschrieben werden. Da hilft es nicht, wenn man die Vorlesungen stürmt und Studenten vom Lernen abhält." Der Asta in Bonn sieht "linke Chaoten" am Werk, und die Schülerunion orakelt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis Autos brennen: "Wir fordern ein hartes Einschreiten der Polizei!" Die Gegner des Protests tun also einiges dafür, den Brand, vor dem sie warnen, selbst anzufachen.

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