Debatte um die Quote:Nur wo Frauen führen, wachsen Frauen nach

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Und wir brauchen die Quote doch: Nur eine verbindliche Regelung wird die männliche Monokultur in den Führungsriegen beenden. Profitieren werden am Ende - die Männer.

Tanja Rest

Angela Merkel lehnt die Frauenquote ab. Sie braucht sie nicht mehr, sie ist schon ganz oben. Den meisten Befürwortern der Quote wäre es eigentlich auch lieber, man bräuchte sie nicht. Man braucht sie aber doch. Sie ist zwar nur Hilfsmittel, aber sie hilft.

Die Frauenquote ist kein Gefallen an die Damen - sondern besser für alle. (Foto: dapd)

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft, vor zehn Jahren getroffen, ist wirkungslos verpufft: In den Vorständen der Dax-30-Konzerne sitzen 183 Männer und vier Frauen, bei den Aufsichtsratsmitgliedern liegt der Frauenanteil bei 13 Prozent. Berufstätige Frauen schaffen aus eigener Kraft so einiges - aber so gut wie nie den Aufstieg an die Spitze.

Die Jüngeren kommen zwar noch zahlreicher und mit besseren Abschlüssen als die Männer durch Abitur und Studium, machen nach ein paar Jahren im Job aber die ernüchternde Bekanntschaft mit der "gläsernen Decke": Ab einer bestimmten Hierarchieebene ist für Frauen meistens Schluss. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), lange Zeit keine Aktivistin in Sachen Quote, sagt heute: "Ich war zu vertrauensselig." Die von ihr geforderte verbindliche Frauenquote von 30 Prozent ist in Führungsgremien der Wirtschaft längst überfällig. Und nicht nur dort.

"In der Redaktion liegt der Anteil der Frauen bei 28 Prozent, in den Ressortleitungen aber nur bei 7 Prozent", schreiben die Kolleginnen vom Spiegel im aktuellen Heft. Bei der Süddeutschen Zeitung ist die Situation nicht besser. In der Chefredaktion sitzen drei Männer; die allermeisten Ressortleiter und ihre Stellvertreter sind ebenfalls männlich. Immerhin hat der Süddeutsche Verlag vor zweieinhalb Jahren eine Betriebskrippe mit Kindergarten eingerichtet, die bis 18.30 Uhr geöffnet hat. Das ist gut.

Unternehmen können eine Menge tun, um Frauen zu fördern. Sie können für Kitas mit realistischen Öffnungszeiten sorgen. Sie können spezielle Coachings anbieten, in denen Frauen auf die Codes in der Chefetage vorbereitet werden - denn es ist und bleibt ja vorerst noch eine Männerwelt, in die sie da vorstoßen.

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Bilder.

Unternehmen können sich auch allmählich vom Postulat der Rund-um-die-Uhr-Einsetzbarkeit verabschieden. Es ist nicht zwangsläufig derjenige der beste Vorgesetzte, der abends am längsten im Büro sitzt und bis Mitternacht am Handy erreichbar bleibt. Man kann als Führungskraft auch dann einen guten Job machen, wenn man um 19 Uhr mit der Familie zu Abend isst. Das wäre übrigens nicht nur im Sinne der arbeitenden Mütter, sondern auch vieler berufstätiger Väter. Damit ist es aber längst nicht getan.

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Frauenförderung kann nicht in erster Linie heißen, dass für eine bessere Verein barkeit von Beruf und Familie gesorgt wird. Sonst hätten all die ehrgeizigen kinderlosen Frauen längst Karriere gemacht. Ganz am Anfang steht der unbedingte, der aktive Wille der Verantwortlichen, andere Führungsstile zuzulassen, eine neue Führungskultur im Unternehmen zu akzeptieren. "Wir haben doch gar nichts gegen Frauen in leitenden Positionen", sagen Chefs gerne, wenn das leidige Thema mal wieder hochkocht. Mag ja sein. Aber nichts dagegen haben reicht nicht. Von selbst, das haben die vergangenen zehn Jahre gezeigt, kommen Frauen nicht an die Macht. Und freiwillig geben Männer die Macht eben auch nicht her. Ein Dilemma, das letztlich nur die Politik lösen kann - indem sie die Wirtschaft zu ihrem Glück zwingt.

In der aktuellen Debatte wird über die Quote geredet wie über einen Gefallen, den man den Frauen jetzt aber endlich schuldig sei. Man muss es andersherum betrachten: Die Unternehmen und damit auch die dort herrschenden Männer werden nämlich von der Quote profitieren. Frauen denken anders, kommunizieren anders, treten anders auf - das ist eine Bereicherung für alle.

Untersuchungen haben ergeben, dass die Gruppenintelligenz steigt, wenn zu dieser Gruppe auch Frauen gehören. Studien zufolge wirtschaften jene Unternehmen besonders erfolgreich, in deren Vorstand überdurchschnittlich viele Frauen sitzen. In Norwegen, Spanien und Frankreich ist der 40-prozentige Frauenanteil in Aufsichtsräten längst beschlossene Sache, und man höre und staune: Es funktioniert.

Eine Quote, deren Nichteinhaltung Sanktionen nach sich zieht, wird die männliche Monokultur in deutschen Führungsriegen beenden. Einige Männer werden mit den Zähnen knirschen. Einige Frauen werden feststellen, dass der Wind in den oberen Etagen rauer weht, als sie gedacht haben; vielleicht auch rauer, als sie auszuhalten bereit sind. Dort oben können sie aber auch endlich den Beweis antreten, dass Geschlecht kein Leistungskriterium ist. Dann gibt es keinen Schmollwinkel mehr, in dem so manche Frauen sitzen und nicht wahrhaben wollen, dass es ihnen an der entscheidenden Stelle auch am Selbstbewusstsein und an der nötigen Härte gefehlt hat. Dann können sie die Arbeits- und Aufstiegsbedingungen im Unternehmen mitgestalten.

Es gilt der Grundsatz: Wo Frauen führen, wachsen Frauen nach. Aber zunächst muss ein erster großer Schritt gemacht werden, er muss verbindlich sein, und da ist die Quote ein gutes Instrument. Sie wird sehr bald für sich selbst sprechen. Und irgendwann braucht man sie dann vielleicht nicht mehr.

Was halten Sie von der Frauenquote? Sagen Sie uns Ihre Meinung.

© SZ vom 03.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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