Gleich vorweg: An dieser Stelle wird es kein Plädoyer für mehr Ausbeutung im Arbeitsleben geben. Auch sollen psychische Erkrankungen nicht kleingeredet werden. Doch es ist Zeit, dem Mythos "Burn-out" durch Arbeit auf die Spur zu kommen. Denn seit Längerem verschärft sich der Eindruck, wir lebten in einer Republik psychisch Gestörter: Arbeiten - egal was und wie - mache krank, führe zwangsläufig dazu, seelisch beschädigt zu werden.
Dass Arbeit dem Leben eine Struktur und einen Sinn gibt, ist leider in der Klamottenkiste verschwunden. Auch, dass arbeitslose Menschen öfter unter Depressionen leiden als erwerbstätige, wird von selbst ernannten "Burn-out"-Gurus gerne unter den Teppich gekehrt.
Heute ist dagegen "trendy", wer arbeitet, und zwar bis zum Umfallen. Das öffentliche Bekenntnis einiger Prominenter, sie hätten unter einem "Burn-out" gelitten, hat sie selbst ins Rampenlicht und das Thema in die Mitte der Arbeitsgesellschaft gebracht. In manchen Runden drängt sich gar der Eindruck auf, wer noch immer keinen hatte, der leistet zu wenig, zu Deutsch: Der ist faul!
In Büros, in Kneipen, beim Arzt, sogar in der Kirche - überall begegnet man Leuten mit einem "Burn-out".
Worum geht es? Darum, dass die Ansprüche in den Industriegesellschaften steigen. Wir sollen die perfekten Eltern und Partner sein und dabei zugleich die Doppelbelastung aus Familie und Beruf mit Leichtigkeit bewältigen. Wir sollen die perfekten Kinder sein und unsere Eltern, wenn sie alt sind, mit Fürsorge betreuen. Wir wollen in der Freizeit nicht nur rumhängen, sondern kulturell und sportlich etwas tun. Den eigenen Kindern wollen wir den Start ins Leben erleichtern und feuern die Kleinsten schon an, der oder die Beste unter ihresgleichen zu werden.