Cybersicherheit:Kontrolle ist besser

Cybersicherheit: Datenschutz ist im Internet für Kunden wichtig. Die neue Initiative deutscher Unternehmen verspricht, die europäischen Regeln bei ihrem Angebot einzuhalten.

Datenschutz ist im Internet für Kunden wichtig. Die neue Initiative deutscher Unternehmen verspricht, die europäischen Regeln bei ihrem Angebot einzuhalten.

(Foto: Jochen Tack/imago)

Die Angst vor Hacker-Angriffen ist groß. Unternehmen versuchen die Attacken abzuwehren - doch überall fehlen die dafür nötigen Experten.

Von Kevin Schrein

Die Mail blinkt um 2:55 Uhr auf. Absender: Florian Oelmaier, Informatiker und IT-Sicherheitsexperte. Inhalt: Der Termin morgen Mittag geht klar. Neun Stunden später. Florian Oelmaier nimmt Platz in einem Münchner Lokal. Frisches Hemd, kleine Augen. Er habe noch einen wichtigen Auftrag erledigen müssen und daher eine Nachtschicht eingelegt, sagt er.

Der 42-Jährige arbeitet für die IT-Sicherheitsfirma Corporate Trust. Sein Telefon klingelt, wenn Unternehmen bemerken, dass sie gehackt wurden. Oelmaier und sein Team aus Spezialisten rücken dann aus, um zu retten, was zu retten ist, in jedes Land, zu jeder Zeit. Sie sind die Feuerwehrleute der digitalen Welt.

"Der Markt ist leergefegt"

Und es brennt immer öfter, die Nachtschichten nehmen zu. Oelmaier braucht mehr Mitarbeiter. Er erzählt von seinem jüngsten Versuch auf der Karriereplattform Xing. Die Stellenanzeige liest sich ungefähr so: Gesucht IT-Sicherheitsexperte, erste Hilfe bei Hackerangriffen, weltweiter Einsatz, gutes Gehalt plus Boni. Bisher meldeten sich eine Handvoll Bewerber, meist ohne die nötigen Qualifikationen - und zehn Headhunter, die sich darum prügelten, für Oelmaier suchen zu dürfen. "Der Markt", sagt er, "ist leergefegt."

Das spürt nicht nur Oelmaier, das spürt die ganze deutsche Wirtschaft. Mittelständler bis Weltkonzerne fahnden nach Sicherheitsexperten. Nur wenige wollen darüber sprechen. Die Berichte über Hackerangriffe auf Unternehmen und Regierungen machen Angst. Niemand will den Eindruck erwecken, er könnte eine Schwachstelle im System haben, weil die nötigen Experten fehlen. Daimler soll sogar eigene Hacker beschäftigen, die nach Schwachstellen suchen. Doch darüber sprechen will man bei dem Autobauer nicht.

Ein Informatikstudium ist nicht zwingend

Bei SAP ist das anders. Ralph Salomon ist Vice President Security bei dem Softwarekonzern aus Walldorf. Der 46-Jährige hat Wirtschaftswissenschaften studiert, nebenbei aber viel Zeit in die Informatik investiert. Nach dem Studium machte er sein Hobby zum Beruf. "Ein IT-Security-Profi muss nicht unbedingt Informatik studiert haben", sagt er. "Wir stellen auch Experten ein, die kein Studium, dafür aber entsprechende Praxiserfahrung vorweisen können."

Salomon betreut ein Team von etwa 80 internen Spezialisten, die sich rund um die Uhr darum kümmern, Angriffe abzuwehren und die Netze sicher zu machen. Zum Ende des Jahres sollen es 90 Mitarbeiter sein. Das Geschäft mit Cloud-Computing brummt, Salomon braucht dafür mehr Personal. Nur es zu finden, ist nicht leicht, selbst für einen Großkonzern.

Anforderungen der Unternehmen kann der Markt nicht erfüllen

"Auf eine Stelle melden sich etwa zehn Bewerber, viele haben aber nicht das erforderliche Fachwissen", sagt er. Zum Vergleich: Auf Stellen für klassische Maschinenbauer bewerben sich bei den Autobauern teilweise mehrere Hundert Ingenieure. Salomon ist mittlerweile dazu übergegangen, Bewerber einzustellen, die nicht hundertprozentig zur Stelle passen oder aus anderen IT-Bereichen kommen, und bildet sie intern weiter. "Das ist zwar aufwendig", sagt er, "aber am Ende haben wir die Mitarbeiter, die wir brauchen."

Das hält auch Bettina Schaaf, Headhunterin bei der Münchner Personalberatung Best2Find, für den richtigen Weg. Sie hat sich auf die IT-Branche spezialisiert. "Viele Unternehmen", sagt sie, "haben den Fachkräftemangel noch nicht begriffen". Das stellt sie meist schon im ersten Gespräch fest - wenn Unternehmen eine endlose Liste mit Anforderungen vorlegen, die niemand auf dem Markt erfüllen kann. Kandidaten, die sie erfüllen könnten, seien in festen und gut bezahlten Positionen.

Schaaf fühlt sich dann wie eine Mutter, die ihrem Kind an der Supermarktkasse erklärt, dass man im Leben nicht alles haben kann, dass es entweder ein Duplo oder einen Kaugummi gibt, nicht beides. "Unternehmen, die diese Marktsituation verstehen und ihre Anforderungen auf ein realistisches Niveau anpassen, haben gute Chancen, über eine gezielte Ansprache fachlich passende Mitarbeiter zu finden", sagt sie.

Die Gewinner sind die Fachkräfte. "Wer die nötigen Qualifikationen mitbringt, verdient deutlich mehr als ein Ingenieur und wird von Angeboten überhäuft", sagt die Personalberaterin.

Manche Unternehmen stellen Experten ein, ohne sie zu brauchen

Doch gerade in großen Unternehmen mahlen die Mühlen langsam. Hat der Personaler endlich entschieden, arbeitet der Bewerber längst woanders. Amerikanische Konzerne seien da schon weiter: "Die stellen einen Mitarbeiter auch mal ein, wenn sie ihn vielleicht nicht dringend brauchen - nur damit die Konkurrenz ihn nicht kriegt."

Einer, der die IT-Sicherheitsexperten von morgen ausbildet, ist Michael Backes, Professor für Informationssicherheit und Kryptologie an der Universität Saarbrücken. Sie ist eine der wenigen Hochschulen in Deutschland, die Studenten in IT-Sicherheit ausbildet. Bis vor einem Jahr konnten sich Informatiker zum Ende ihres Masters auf IT-Sicherheit spezialisieren. Nun bietet die Uni auch den Bachelor in Cybersicherheit an.

Obwohl sich die Studenten erst im zweiten Semester befinden, ist das Interesse aus der Industrie groß. "Die Personaler fragen, wann die Studenten denn fertig seien", sagt Backes. Dass sich der Fachkräftemangel rasch eindämmen lasse, glaubt er nicht. "Nur wenige Universitäten bilden aus - viel zu wenige, wenn ich mir den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt anschaue." Auch IT-Sicherheitsexperte Florian Oelmaier wird nicht fündig. Vor vier Monaten hat er die Stellenanzeige aufgegeben - und sucht noch immer.

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