Süddeutsche Zeitung

Cyber-Security-Studien:Hacker abwehren

Der Bedarf an Datensicherheits-Experten wächst. Wer Chancen auf einen Platz im Masterstudiengang Cyber-Security hat.

Von Benjamin Haerdle

Auf 51 Milliarden Euro belaufen sich laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2015 die jährlichen Schäden für Unternehmen durch Cyber-Kriminalität in Deutschland; jedes zweite Unternehmen ist davon betroffen. Daran dürfte sich auch bis heute kaum etwas verändert haben. So verwundert es kaum, dass Fachkräfte, die IT-Hackern Einhalt gebieten können, dringend gesucht werden. Auf diesen Trend reagieren mittlerweile auch Deutschlands Hochschulen. Sie bieten zunehmend Studiengänge mit dem Schwerpunkt Cyber Security an. Es geht generell bei diesen Studiengängen darum, Experten auszubilden, die IT-Systeme sicherer machen: In Zeiten der Digitalisierung werden riesige Datenmengen innerhalb von Unternehmen hin und her geschoben, aber auch zu Partnern und Firmen, die für die Unternehmen Produkte herstellen. Außerdem kann man lernen, wie sich Datenpannen vermeiden und Sicherheitslücken schließen lassen.

Die Technische Hochschule (TH) Deggendorf hat seit Kurzem den auf fünf Semester angelegten Studiengang Cyber Security als weiterbildenden Master im Angebot. Wer über ein abgeschlossenes Ingenieurstudium verfügt oder einen Studiengang mit Schwerpunkt Elektrotechnik, Maschinenbau oder Informatik absolvierte sowie mindestens ein Jahr im Informatikbereich berufstätig war, kann sich bewerben.

Einer der ersten Studierenden ist Wolfgang Maier, 45. Der Diplom-Mathematiker absolviert das Studium berufsbegleitend; er ist seit 22 Jahren als Mitarbeiter im Bereich Datenkommunikation bei einem Softwareentwickler angestellt und dort für alle Fragen rund um die Netzwerksicherheit zuständig, von der IP-Datenkommunikation bis hin zur Telefonkommunikation. Bislang bildete er sich über Zertifizierungskurse fort, die Soft- und Hardware-Hersteller für ihre Produkte anboten. Sie waren aber immer nur für eine begrenzte Dauer von ein bis zwei Jahren gültig. Das reichte Maier irgendwann nicht mehr, er wollte sich dauerhaft auf dem Gebiet der Cyber Security qualifizieren. "Mir geht es vor allem darum, mir im Studium grundlegende theoretische Kenntnisse im Thema Cyber Security anzueignen und damit den ganzheitlichen Sicherheitsansatz besser umsetzen zu können", sagt Maier.

Den Master-Absolventen werden gute Karrierechancen prognostiziert

Maier schrieb sich für den Schwerpunkt Industrial IT-Security ein. Dieser legt den Fokus auf Sicherheitstechnologien im Bereich von Industrie 4.0 und auf sogenannte Kritische Infrastrukturen (KRITIS), wie etwa Stromnetze und Kraftwerke. Beim Master-Schwerpunkt Automotive IT-Security der TH Deggendorf, mit dem vor allem Studierende aus der bayerischen Automobilindustrie und deren Zulieferer nach Deggendorf gelockt werden sollen, geht es darum, wie sich beim autonomen Fahren Software-Pannen und Angriffe von Kriminellen vermeiden lassen. Dass die Master-Absolventen danach sehr gute Karrierechancen haben, davon ist Weiterbildungsreferent Peter Apfelbeck von der Deggendorfer Hochschule überzeugt. "Auf den Jobportalen suchen viele Unternehmen händeringend nach gut ausgebildeten Fachleuten", sagt er. Keine Firma könne es sich leisten, dass der Produktionsablauf stillstehe, weil die Maschinen Sicherheitslücken aufwiesen.

Zu einer ähnlichen Einschätzung des Arbeitsmarkts kommt Juliane Petrich, Leiterin des Bildungsbereichs bei Bitkom. "Cyber-Security-Spezialisten haben sehr gute Berufsaussichten. Nach Software-Entwicklern und Administratoren zählen Sicherheitsexperten zu den gefragtesten IT-Berufen auf dem Arbeitsmarkt", sagt sie. Dieser Trend werde sich mit der zunehmenden Digitalisierung aller Wirtschafts- und Lebensbereiche weiter verstärken und gelte besonders vor dem Hintergrund der sehr hohen Sensibilisierung für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz.

Wegen der großen Anzahl von Attacken braucht die Bundeswehr mehr als 10 000 Spezialisten

Die Universität der Bundeswehr hat am Standort Neubiberg bei München (UniBwM) neuerdings den Master Cyber-Sicherheit im Angebot. Auslöser dafür war unter anderen das im April 2017 neu gegründete Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr, das sich auch mit dem Thema Cyber-Sicherheit beschäftigt, denn: Zwei Millionen Angriffe zählte die Bundeswehr allein im Jahr 2017 auf die eigenen Datennetze. "Die Bundeswehr benötigt für diese Organisationseinheit in Zukunft circa 13 000 hochqualifizierte Beschäftigte", sagt Wolfgang Hommel, der an der UniBwM die Professur für IT-Sicherheit von Software und Daten innehat. Nachwuchs muss also her, und zwar bald.

Circa 120 Studierende mit Bachelor-Abschluss in der Tasche, zumeist im Fach Informatik, nimmt die Bundeswehr-Uni für den neuen Studiengang jedes Jahr auf. 70 von ihnen sind angehende Offiziere und Offiziersanwärter, der Rest Zivilstudierende. "Zivile Studierende werden bei uns auch ausgebildet, müssen dafür aber ein Stipendium vorweisen", sagt Studiendekan Hommel. So habe beispielsweise das Bundesverteidigungsministerium ein eigenes Stipendienprogramm aufgebaut. Auf dem Programm der Master-Studierenden stehen Pflichtfächer wie Netz-, Hardware- und Systemsicherheit, Datenschutz und Privacy sowie Kryptologie, also die Verschlüsselung von Daten.

Verschiedene IT-Schwerpunkte

IT-Sicherheit ist ein Teilgebiet der umfassenden Informationssicherheit, bei der es auch um den Schutz von Daten geht, die nicht von IT-Systemen verarbeitet werden: also zum Beispiel um die in Aktenordnern gesammelten Fakten.

Cyber-Sicherheit legt innerhalb der IT-Sicherheit den Fokus speziell auf vernetzte Systeme und Anwendungen. Eine Auswahl von Studiengängen, die sich insbesondere der Cyber Security widmen:

Technische Hochschule Deggendorf: weiterbildender MBA-Studiengang Cyber Security mit einer Dauer von fünf Semestern mit den Schwerpunkten Industrial IT-Security und Automotive IT-Security; www.th-deg.de

Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg: Vier Semester dauert der englischsprachige Master-Studiengang Cyber Security an der BTU Cottbus. Er verbindet Informatikinhalte mit einer ingenieurtechnischen Ausbildung in IT-Sicherheit: www.b-tu.de

Universität der Bundeswehr: Der Master Cyber-Sicherheit der Universität der Bundeswehr München richtet sich vor allem an angehende Offiziere und Offiziersanwärter, aber auch an Zivilstudierende. Studiendauer: 21 Monate; https://www.unibw.de

Hochschule Mittweida: Die Hochschule bietet den auf vier Semester angelegten Masterstudiengang Cybercrime/Cybersecurity in Vollzeit an. Sie hat auch den Bachelor IT-Forensik/Cybercrime als Fernstudiengang im Angebot; https://www.hs-mittweida.de

Hochschule Mannheim: Zum Wintersemester 2018/2019 startete der Bachelorstudiengang Cyber Security; die Dauer des Vollzeitstudiums beträgt sieben Semester inklusive je einem Projekt- und Praxissemester; https://www.hs-mannheim.de Benjamin Haerdle

Im Wahlbereich können Schwerpunkte auf Enterprise Security, Public Security oder Security Intelligence gesetzt werden. Im Bereich Enterprise Security geht es beispielsweise darum, wie man Sicherheitslücken in der IT-Infrastruktur des eigenen Unternehmens aufspürt. Im Bereich Public Security spezialisieren sich die Teilnehmer auf Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Sie beschäftigen sich auch mit ethischen und rechtlichen Fragestellungen sowie mit Krisenmanagement. Im Bereich Security Intelligence spielen Algorithmen und Datenstrukturen eine wichtige Rolle. Studierende lernen etwa, wie man große Mengen für die IT-Sicherheit relevanter Daten auswerten kann oder wie man bestimmte Auffälligkeiten bei Daten schneller erkennt.

Für den Cyber-Security-Master kommen Studierende aus der ganzen Welt

Andriy Panchenko, Leiter des internationalen Master-Studiengangs Cyber Security an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus, beurteilt die beruflichen Perspektiven ähnlich positiv wie Peter Apfelbeck. "Die Aussichten sind hervorragend", sagt der Professor für IT-Sicherheit. Da sich immer mehr Aspekte des täglichen Lebens ins Netz verlagerten, erhöhe sich die Gefahr, dass auf kritische Infrastrukturen von außen zugegriffen werde. Zudem werde die IT-Software immer komplexer. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, braucht es gut ausgebildete Fachkräfte.

Solche Experten sollen an der BTU ausgebildet werden: Seit Herbst 2017 kann man sich für Cyber Security einschreiben - in Vollzeit und zulassungsfrei. Voraussetzung ist aber ein Bachelor-Abschluss in Informatik oder ein gleichwertiger Abschluss in Mathematik oder Elektrotechnik. Der viersemestrige Studiengang ist englischsprachig. "Wir setzen auf Englisch, weil wir uns auch an internationale Studierende richten", sagt Panchenko.

Studierende kämen etwa aus Indien, USA, Russland, Türkei oder Großbritannien. "Wir wollen im Studiengang Informatikinhalte mit einer starken ingenieurtechnischen Ausbildung in Theorie und Praxis vermitteln." Ihre Fachkenntnisse erarbeiten sich die Studierenden in wissenschaftlichen Projekten, mit Praxiseinheiten in Industrieunternehmen sowie in der Masterarbeit. Schließlich müssen sie fit sein in Sachen Cyber Security. Und nach Ende des Studiums müssen sie ihr Wissen immer wieder auf den neuesten Stand bringen, weil sich Veränderungen in der digitalen Welt besonders schnell vollziehen.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2019
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