Urteil:Crowdworker müssen nicht angestellt werden

Crowdworking

Wird die Ware richtig präsentiert? Steht ein Werbeaufsteller an der Stelle, an der er stehen soll? So etwa lauten die Arbeitsaufträge, die Mikrojobber über eine Handy-App bekommen.

(Foto: Jenna Day / Unsplash)

Zwei Jahre lang arbeitete ein Mann für eine App - und verdiente damit rund 1800 Euro im Monat. Ein Arbeitnehmer ist er deswegen trotzdem nicht, entschied das Landesarbeitsgericht München.

Zwei Jahre lang war die App Roamler auf dem Handy der wichtigste Arbeitgeber für einen 52-jährigen Mann aus Wesel: Sie lotste ihn zu Tankstellen und Kiosken quer durchs Ruhrgebiet, er kontrollierte, ob Werbeaufsteller richtig platziert sind, machte Fotos und lud sie in der App hoch und bekam ein Honorar. Hätte ihn Roamler dafür anstellen müssen?

Das Landesarbeitsgericht München hat nun geurteilt: Nein. Sogenannte Crowdworker sind bei der Internetplattform, die ihnen Aufträge vermittelt, nicht automatisch Arbeitnehmer - selbst dann nicht, wenn sie wie der Mann aus Wesel einen großen Teil ihres Lebensunterhalts mit den Kleinaufträgen bestreiten.

"Ein Arbeitsvertrag liegt nach der gesetzlichen Definition nur dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsieht", teilte das Gericht am Mittwoch mit. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles wurde aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt zugelassen. Der Kläger hatte schon im Vorfeld angekündigt, seinen Fall im Zweifel bis vor das höchste deutsche Arbeitsgericht bringen zu wollen. Für die IG Metall, die ihn vertritt, hat das Verfahren eine hohe Symbolkraft für die Frage, welche Regeln in der digitalen Arbeitswelt gelten sollen.

Vor dem Landesarbeitsgericht hatte ein Mikrojobber darauf geklagt, Angestellter der Firma Roamler zu sein, die ihm die Jobs vermittelte. Der Mikrojobber verdiente in 20 Stunden pro Woche knapp 1800 Euro im Monat. Als die Plattform die Zusammenarbeit mit ihm beenden wollte, wandte er sich an die IG Metall, die seit einiger Zeit auch selbständige Digitalarbeiter unterstützt. Mit Hilfe der Gewerkschaft zog er schließlich vor Gericht.

Aus Sicht des Mikrojobbers bestand zwischen ihm und der Plattform ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die App-Firma Roamler hielt dagegen, der Kläger sei selbständig und habe als Selbständiger Aufträge übernommen. In vorheriger Instanz hatte das Arbeitsgericht seine Klage ebenfalls abgewiesen. "Im vorliegenden Fall bestand weder eine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags, noch umgekehrt eine Verpflichtung für den Auftraggeber Aufträge anzubieten", entschied nun auch das Landesarbeitsgericht.

Laut dem "Crowdworking Monitor" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2018 arbeiten rund 4,8 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung in Deutschland als Crowdworker. "Und es ist zu erwarten, dass diese Zahl deutlich ansteigen wird", schreibt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einem aktuellen Positionspapier zum Thema. Der DGB befürchtet seit Langem prekäre Arbeitsverhältnisse von "Crowdworkern" und fordert faire Regeln.

Die IG Metall zeigt sich enttäuscht über die Entscheidung des Münchner Gerichts. "Das Urteil entspricht nicht unseren Erwartungen", sagte Christiane Benner, zweite Vorsitzende der Gewerkschaft. Man werde nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Rüdiger Helm, der Anwalt des Crowdworkers, sagte der SZ, er sei optimistisch, das höchste deutsche Arbeitsgericht doch noch davon überzeugen zu können, dass sein Mandant als Arbeitnehmer zu sehen ist.

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