Coworking-Areas für Selbständige:Gemeinsam statt einsam

Täglich ein neuer Sitznachbar: Wem alleine am Schreibtisch die Decke auf den Kopf fällt, der mietet sich in einer Coworking-Area ein. Manch ein Kollege bringt jedoch Eigenheiten mit, an die man sich erst gewöhnen muss.

Von morgens bis abends mutterseelenalleine im Home-Office zu arbeiten, kann auf Dauer ganz schön einsam machen. Aber für viele Solo-Selbstständige gerade in Kreativberufen ist das der Alltag. Dabei ist das Arbeiten im stillen Kämmerlein Gift für die Inspiration. In fast allen großen Städten gibt es deshalb inzwischen "Coworking"-Räume, wo zum Beispiel Web-Entwickler, Übersetzer und Eventmanager nebeneinander arbeiten.

Die Kollegen mitmieten: Coworking hilft Ein-Mann-Unternehmern

Beim Coworking - hier in der Firma ClubOffice in Berlin - kommen Beschäftigte aus ganz verschiedenen Branchen in Gemeinschaftbüros zusammen.

(Foto: dpa-tmn)

Wer Gesellschaft und neue Anregungen sucht, ist in solchen Gemeinschaftsarbeitsräumen genau richtig. Trotzdem ist das Modell für die meisten eher eine Ergänzung als ein Ersatz für das ruhige Büro zu Hause. Peter Schreck hat sich am Anfang mit seinem Laptop oft ins Café gesetzt, wenn ihm in seinem Ein-Mann-Büro zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen ist. "Ich brauche die ganze Zeit immer wieder neue Inspirationen", erzählt der Marken- und Innovationsberater aus Köln. Und Inspirationen bekomme man eben nicht, wenn man alleine zu Hause herumsitzt. Aber auch ein Café sei nicht gerade eine perfekte Arbeitsumgebung.

Dann wurde Schreck auf Coworking aufmerksam. In den USA ist diese Form des Arbeitens schon seit ein paar Jahren voll im Trend. Aber auch in Deutschland gibt es schon rund 70 "Coworking-Spaces". Vor zwei Jahren hat Schreck mit einigen Bekannten "Coworking Cologne" ins Leben gerufen. Als "Ökosystem für kreative Wissensarbeiter" bezeichnet sich das Großraumbüro mit seinen 35 Schreibtischen.

Die Coworking-Büros sind in der Regel mit einem Internetzugang, Drucker, Scanner, Fax und Kopierer ausgestattet. Die Kosten für einen Platz sind auf jeden Fall niedriger als ein eigenes Büro: Monatstickets gibt es je nach Einrichtung schon ab 100 bis 150 Euro. Tagestickets kosten meist gut 10 Euro.

Praktisch ist dabei, dass man die Kollegen gleich mitmietet. Dadurch können Coworking-Büros echte Inspirationsquellen sein. "Alle, die hier sind, arbeiten nach Coworking-Prinzipien", sagt Sebastian Sooth vom Studio 70 in Berlin. Das heißt vor allem: Jeder ist willkommen - und es ist erwünscht, Kontakt aufzunehmen. Man hilft sich gegenseitig. Wenn ein Programmierer gerade an einer spanischen E-Mail verzweifelt, sitzt neben ihm vielleicht ein Spanisch-Übersetzer. Und wenn der Übersetzer eine neue Internet-Seite erstellen will, sitzt neben ihm vielleicht ein Web-Entwickler.

Fast überall gibt es abends Veranstaltungen, bei denen man sich vernetzen kann. Die besten Ideen ergäben sich oft an der Kaffeemaschine im Coworking-Büro, erzählt Stefanie Döring, die sich in ihrer Diplomarbeit an der Fachhochschule Jena mit Coworking beschäftigt hat. "Viele erzählen, dass man oft von ganz fachfremden Leuten einen Anstoß oder eine Idee bekommt, auf die man selbst als Experte gar nicht gekommen wäre."

Der ständige Austausch als Nachteil

Der ständige Austausch ist zugleich aber auch der größte Nachteil am Coworking-Prinzip: In Ruhe arbeiten lässt sich so kaum. "Coworking ist kein Büro-Ersatz. Wenn ich mich konzentrieren will, bleibe ich im Home-Office. Und wenn ich mich mit anderen Leuten austauschen will, nutze ich Coworking", sagt Schreck.

Professioneller als daheim auf dem Sofa

Oft haben Coworking-Büros wie das Cluboffice in Berlin auch Besprechungsräume. Sie sind für viele ein wichtiges Argument, hat Döring bei ihren Umfragen herausgefunden. "Wenn man Meetings hat und sich nicht zu Hause im Wohnzimmer treffen will, findet man im Coworking-Space ein professionelleres Umfeld."

Viel Auswahl hat man in den meisten Städten im Moment allerdings noch nicht. Selbst in Großstädten gibt es nur selten mehr als eine Coworking-Einrichtung. Nur in Berlin ist das anders. "Da kann man überlegen, wie laut oder wie leise die Arbeitsumgebung sein soll, ob man lieber im Großraumbüro oder in kleineren Büros arbeiten will", sagt Sooth. In Berlin sind einige der Bürogemeinschaften auch auf bestimmte Branchen spezialisiert. "Man muss sich ja auch nicht für die nächsten drei Jahre festlegen, sondern ich kann jeden Tag neu entscheiden, wo heute mein Arbeitsort sein soll", fügt Schreck hinzu.

"Man muss schon extrem kommunikativ sein"

Wirtschaftswissenschaftlerin Döring ist allerdings immer wieder auf Leute gestoßen, die mit der Atmosphäre in den Arbeitsräumen nicht so richtig klargekommen sind. "Man muss schon extrem kommunikativ sein. Und auch mit der Atmosphäre muss man sich anfreunden können. Beim Coworking ist man zum Beispiel automatisch gleich per Du." Einige hätten sich deshalb am Ende doch wieder in ihr Home-Office zurückgezogen, weil ihnen der Kontakt in der Bürogemeinschaft einfach zu eng war.

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