Kündigungen in der Krise:"Ich habe Angst um meine Existenz"

Lesezeit: 3 min

Nach einer aktuellen Umfrage hat mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Sorge vor der Kündigung. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Während manche noch um ihre Jobs fürchten, wurden andere schon entlassen. Vier Betroffene erzählen, wann sie von der Kündigung erfahren haben und wie es jetzt weitergeht.

Protokolle von Julian Erbersdobler

In den USA ist die Lage besonders schlimm: Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind seit Mitte März auf etwa zehn Millionen in die Höhe geschnellt. Aber auch in Deutschland und in anderen EU-Staaten werden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie immer deutlicher. Vier Betroffene, die ihre Jobs wegen der Corona-Krise verloren haben, und ihre Geschichten.

Mike D.*, 29, Werkstudent

Ich habe als Werkstudent im Controlling gearbeitet, gerade mache ich meinen Master in Wirtschaftswissenschaften. An einem Freitag habe ich durch einen Anruf meines Chefs von der Kündigung gehört. Davor kam eine E-Mail des Vorstands zur Einführung der Kurzarbeit, da ging mir schon die Frage durch den Kopf, wie es dann mit meiner Werkstudentenstelle weitergeht. Mein Vertrag wäre Ende Mai ausgelaufen. Aber trotzdem war es natürlich erstmal ein Schock, dass mir jetzt zum 30. April gekündigt wird. In erster Linie bedeutet das für mich, dass ich vorerst von meinem Ersparten leben muss, bis ich eine neue Stelle gefunden habe. Von staatlicher Seite bekomme ich bisher keine Unterstützung - kein Bafög, und auch kein Arbeitslosengeld, weil ich noch studiere. Die Corona-Krise trifft jedes Unternehmen mehr oder weniger hart und viele wollen eben mit Kurzarbeit so gut es geht durch die Krise kommen. Aber natürlich finde ich es schade, ich habe mich in der Firma und mit meinen Kollegen sehr wohl gefühlt. Ich werde jetzt auf dem Stellenmarkt die Augen offen halten, ob passende Angebote als Werkstudent oder eventuell als Teilzeitkraft im Finanzbereich veröffentlicht werden. Ich bin aber auch bereit, andere Bereiche auszuprobieren. Ansonsten habe ich noch eine Seminararbeit, die Ende April fertig sein muss, auf die mich konzentrieren werde.

Henri K., 22, Freelancer

Ich war selbstständiger Freelancer und habe allerlei Medien- und Marketingarbeiten gemacht. Dabei gab es einen Kunden im Reisebereich, von dem ich besonders abhängig war, ein großer Reiseunterkunftsvermittler. Ich habe die vorzeitige Auflösung des Vertrags spontan per Mail bekommen. Am Vortag wurde ich noch gelobt, am nächsten Tag hat man mich darauf hingewiesen, dass ich umgehend meine Arbeit beenden soll. Ich habe Angst um meine Existenz. Ich denke, dass gerade jetzt auf dem Arbeitsmarkt wegen Corona viel Konkurrenz herrscht. Umso schwerer wird es, einen Job zu finden. Die Entscheidung des Unternehmens ist nachvollziehbar, besonders in dieser Branche. Freelancer zu entlassen ist ja auch naheliegender als Angestellte. Corona wurde in der Argumentaton aber nicht als Grund genannt, man sprach nur von einer Budgetkürzung. Ich studiere weiter und werde jetzt Getränke ausliefern.

Maria B.*, 38, Mitarbeiterin eines Fußball-Zweitligisten

Im Dezember 2019 habe ich angefangen, in der Geschäftsstelle eines Fußball-Zweitligisten zu arbeiten. Ende März hatte ich plötzlich die Kündigung im Briefkasten. Ich war noch in der Probezeit. Warum wurde ich nicht wenigstens vorher angerufen? Der Verein hatte all meine Kontaktdaten. Das verstehe ich einfach nicht. Es gab dann auch noch ein persönliches Gespräch, in dem betont wurde, dass der Verein versucht, finanziell zu überleben. Aber das versuche ich ja auch. Seit meinem Studium habe ich immer bei Fußballvereinen gearbeitet, das ist meine Welt. Was soll ich jetzt machen? Online habe ich mich natürlich auch schon umgeschaut und auch Kontakte um Rat gefragt. Aber seit keine Spiele mehr ausgetragen werden, haben viele Vereine ihre Stellenanzeigen wieder aus dem Netz genommen. Ich werde darauf hoffen müssen, dass mir jemand den Quereinstieg ermöglicht. In der Fußballbranche sieht es gerade schlecht aus.

Johan K., 37, Künstler

Ich komme aus Schweden und bin freiberuflicher Künstler. Als es mit Corona ernst wurde, habe ich gerade als Sänger für ein skandinavisches Reiseunternehmen in einem Hotel auf Teneriffa gearbeitet. Soweit meine Kollegen und ich wussten, war Teneriffa zu diesem Zeitpunkt kaum betroffen, und alles blieb erstmal ziemlich normal. Um den 8. März herum begriffen wir, dass es langsam ernst wurde, die Dänen und Finnen wollten, dass ihre Bürger nach Hause kommen, und wir hörten, dass nach dem 10. März keine Gäste mehr kommen würden. Da dachten wir uns schon, dass wir wahrscheinlich nach Hause geschickt werden, aber wir arbeiteten weiter, mit immer weniger Gästen. Am Samstag, den 14., hat die spanische Regierung die Sperre auf Teneriffa durchgesetzt, was seltsam war, da niemand auf Teneriffa krank zu sein schien. Am Montag, dem 16. wurde uns gesagt, dass wir wahrscheinlich am nächsten Tag fliegen würden. Am Dienstag gingen wir also zum Flughafen, ohne zu wissen, ob wir wirklich abreisen können. Aber zum Glück bekamen wir alle unsere Flüge, und am selben Abend war ich wieder in meiner Wohnung in Malmö.

Meine Anstellung wurde mit der Abreise beendet, und ich verstehe natürlich, warum. Ohne Gäste gibt es absolut keine Notwendigkeit für Unterhaltung. Aber was mir damals durch den Kopf ging, war die Absurdität, aus der Sicherheit an einen gefährlicheren Ort geschickt zu werden. Das erschien mir verrückt. Diese ganze Situation ist katastrophal für mich. Ich habe nicht nur meinen jetzigen Job verloren, sondern auch alle meine geplanten Auftritte für den Rest des Jahres, bis auf eine Oper, von der ich immer noch nicht weiß, ob sie stattfinden wird. Es ist eine wirtschaftliche Katastrophe, ich war bis Ende August ausgebucht, was für einen Freiberufler höchst ungewöhnlich ist, und jetzt habe ich keine Ahnung, wann und woher mein nächster Gehaltsscheck kommen wird. Aber ich werde es schaffen, irgendwie.

*Die echten Namen der Protagonistinnen und Protagonisten sind der Redaktion bekannt. Zu ihrem Schutz wurden sie geändert.

© SZ.de/jerb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusCoronavirus
:"Ich laufe jeden Tag Gefahr, mich zu infizieren"

Home-Office ist gerade ein großes Thema. Dabei bleibt vielen gar nichts anderes übrig, als weiter in der Arbeit zu erscheinen. Sechs Menschen erzählen, wie es ihnen dabei geht.

Protokolle von Julian Erbersdobler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: