Dieser Meinung ist auch Madeleine Leitner. Sie ist Diplom-Psychologin, ihr beruflicher Schwerpunkt liegt auf Potenzialanalysen. Leitner arbeitet in München. Seit 20 Jahren berät sie Menschen, die meinen, es in ihrem Job nicht mehr auszuhalten.. Sie spricht aus Erfahrung, wenn sie sagt: "Von 100 Personen sind nur drei bis fünf im falschen Beruf." Die meisten anderen, sagt sie, haben ein anderes Problem: Vielleicht fühlen sie sich nicht wertgeschätzt von Kollegen, vielleicht sitzen sie nur im falschen Büro. Trotzdem machen sie irgendeine Weiterbildung, weil sie hoffen, ein neuer Beruf mache sie glücklich. Leitner sagt: "Sie fangen am falschen Ende an."
Sie erzählt von einem Innovationsmanager, der unzufrieden war mit seinem Job, aber nicht benennen konnte, warum. Er ging zu einem Coach, der seine Interessen und Fähigkeiten analysierte. Der Mann war Weinliebhaber, also riet der Coach ihm, es als Sommelier zu versuchen. Damit verdiente der Mann nicht genug Geld; er wurde noch unzufriedener. "Hätte der Berater versucht, herauszufinden, woher die Unzufriedenheit eigentlich kommt, hätte er festgestellt: Der Mann hatte kein Problem mit seinem Job als Innovationsmanager. Er hatte Angst davor, in der Öffentlichkeit zu stehen und Reden zu halten", analysiert Leitner diesen Fall.
Wie bei einer Krankheit, so geht es auch bei der Suche nach der passenden Weiterbildung um die richtige Diagnose und die Frage: Wo liegt das Problem? Um das herauszufinden, hat Leitner einen Plan definiert - mit drei einfachen Schritten. Schritt eins: Zuallererst geht es darum, die folgende Frage zu beantworten: Wo will ich beruflich hin?
Kann man von diesem Beruf leben? Viele Ideen halten einer Realitätsprüfung nicht stand
Leitner empfiehlt ihren Klienten, drei bis fünf mögliche Berufswege aufzuschreiben und diese anhand von bestimmten Kriterien zu betrachten. Sie bezeichnet dieses Verfahren als Standortbestimmung und beschreibt es wie eine Blume: In der Mitte der Blüte stehen drei zentrale Fragen: Was kann ich am besten? Was macht mir am meisten Spaß? Welche Aufgaben passen zu mir? "Diese Fragen können viele gar nicht beantworten. Denn viele Menschen sind blind für ihre eigenen Fähigkeiten", so die Erfahrung Leitners. "Oft fallen ihnen gewisse Tätigkeiten so leicht, dass sie nicht merken, wie talentiert sie in dem Bereich sind." Darum lässt Leitner ihre Klienten Geschichten aus ihrem Leben aufschreiben. Sie fragt: Was macht Ihnen Freude? Gemeinsam mit dem Klienten analysiert sie dann die Texte. Tauchen Verben in diesen Geschichten öfter auf, seien sie oft gute Indikatoren dafür, wohin sich der berufliche Weg entwickeln könnte.
Nach der Standortbestimmung folgt der zweite Schritt. Leitner fasst ihn in einem Satz zusammen: "Nicht alles, was toll klingt, ist auch toll." Die Berufsideen müssen überprüft werden: Wie ist es, in dem Beruf zu arbeiten? Kann man davon leben? Wie ist das Betriebsklima? Viele der Ideen lösen sich nach dieser Realitätsprüfung in Luft auf.
Der dritte Schritt besteht aus mehreren Fragen, die aufeinander aufbauen: Was mache ich jetzt? Wo will ich hin? Wie komme ich ans Ziel? Erst bei diesem letzten Schritt sollte man sich überlegen, welche Weiterbildung die richtige ist, um das berufliche Ziel zu erreichen. Auch hier gilt: Verschiedene Wege recherchieren und sie im Hinblick auf die Frage prüfen: Bringt mich diese Weiterbildung denn wirklich dorthin, wo ich hin will?
Bei der ersten Sitzung beim Job-Coach in Zürich versucht auch Klaudia Friebe, ihren Standort zu bestimmen. Immerhin weiß sie inzwischen, dass sie im Bildungsbereich bleiben möchte. Auf ihrem Mind-Map steht nun hinter "Fünf-Jahres-Plan": Dozentin an einer Fachschule. Da sie gern mit Menschen arbeitet und bereits Erfahrung darin hat, Menschen auszubilden, die mit Kindern arbeiten. Aber so ganz sicher ist sie sich angesichts dieses Berufziels noch nicht.