Christine Lagarde:Madame, das Geld und die Smarties

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Christine Lagarde - gerade hat sich die IWF-Chefin weitere fünf Jahre Amtszeit gesichert. (Foto: SZ / Stephanie Füssenich)

Wie lief eigentlich das Interview mit IWF-Chefin Christine Lagarde ab? Über langes Warten, weibliche Verführungskünste, besseres Altern - und ein Versprechen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Angefangen hat die Geschichte mit Christine Lagarde vor mehr als drei Jahren. Die Französin ist neu als geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Couragiert hat sie die Chance auf das Amt ergriffen, die sich nach der Sex-Affäre von Vorgänger und Landsmann Dominique Strauß-Kahn bietet. Eine Zeitenwende in der globalen Finanzwelt! Plötzlich führt eine Frau den Weltwährungsfonds. Lagarde steht vor großen Aufgaben: die Krise in Griechenland erschüttert die Euro-Zone, der Fonds muss neu ausgerichtet, reformiert werden.

Wir müssen unbedingt herausfinden, wie die Dame von den Herren aufgenommen wird, wie sie das anpackt, befinden Redakteurinnen der SZ. Sie fragen bei Madame Lagarde an, sich zu treffen. Wochen vergehen, ohne eine Reaktion. Sie fragen wieder - und erhalten freundlich unverbindliche Antworten. Immerhin kennt man irgendwann die Handynummern, die eine oder andere Erinnerungs-SMS geht über den Atlantik nach Washington. Aus Monaten werden Jahre, die Nachfragen sind sozusagen schon automatisiert, als das Wunder geschieht. An einem Tag, an dem viele lieber zuhause bleiben, nämlich am Freitag, dem 13. (November 2015) kommt eine verbindliche Zusage. Es gebe da eine Möglichkeit in der zweiten Januarwoche, schreibt Lagardes Sprecher. Ich glaube es erst, wenn ich da bin, sagt die Kollegin in München. Dann in der Nacht, die furchtbaren Anschläge in Paris. Hätte die Französin Lagarde den Termin abgesagt, wir hätten es verstanden. Aber sie sagt nicht ab.

Kaffee? Wasser? Obst? Smarties? Fangen wir an!

Am zweiten Montag des Jahres 2016 fliegen zwei SZ-Redakteurinnen nach Paris. Am frühen Dienstagmorgen sollen sie Madame Lagarde treffen. Mit dabei ist Fotografin Stephanie Füssenich, die später begeistert schreiben wird: "Es ist so cool, so tolle Frauen zu treffen". Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, die Stadt laboriert sichtbar an den Auswirkungen der Anschläge.

Dann geht's nach oben, in die Chefetage. Im Büro Jugendstilmöbel, auf dem Tisch Obst - und eine Schale der berühmten Smarties, die Lagarde gelegentlich aus der Handtasche zaubert, wenn die Herren um sie herum besonders hitzig streiten und die Stimmung befriedet werden muss. Im Europaviertel in Brüssel schwärmen Unterhändler von den bunten Schokopillen.

Eine gute Stunde räumt der Pressechef ein, um zu reden und zu fotografieren. Danach muss Lagarde einen Vortrag bei der Banque de France halten, sie muss in Frankreich Gesicht zeigen, als IWF-Chefin sowieso und auch, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch um Stimmen für ihre zweite Amtszeit wirbt (die sie wenige Tage später zusammen hat, mittlerweile ist klar, dass sie fünf weitere Jahre im Amt bleiben wird).

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Und dann ist sie endlich da, elegant, frisch, man zögert ein bisschen, ihr nachträglich zum 60. Geburtstag zu gratulieren, ist das wirklich ihr Alter? Sie lacht, winkt ab, ja leider, stimmt. Aber reden wir nicht darüber, reden wir über Wichtiges, über Frauen und Macht, Geld und Politik. In Englisch oder Französisch? Englisch bitte. Bon!

Später sind 54 Minuten auf Band. Die Fotografin bittet Lagarde zum Shooting. Der Bilderrahmen da stört, findet die Hausherrin und räumt ihn weg. Das erste Motiv ist im Kasten. Die Dame, die Ordnung schafft - und hält.

Nach Morgen danach ist der erste Teil des Interviews geschrieben und an die Pressestelle geschickt. Es geht um Aktuelles, etwa, ob sich der IWF an den neuen Milliardenkrediten für Griechenland beteiligt - wie es sich Merkel und Schäuble wünschen. Einen Tag später schickt der persönliche Pressechef sein Okay. Die Redakteurinnen staunen: Rekordzeit nach dem Vorlauf!

Im größeren Teil des Interviews, das in Plan W erscheint, geht es um die Zukunft - um Frauen in Führungspositionen, wie sie dahin kommen und warum sie dabei nicht weibliche Verführungskünste ausspielen sollten. Lagarde spricht auch über Persönliches, über die weißhaarigen und die blondierten Zwillinge und dass es scheint, dass Frauen "deutlich besser" altern als Männer.

Übrigens, verändert oder zurückgenommen hat Lagarde nichts von ihrem Gesagten. Elegant französisch sozusagen hat sie bei einigen Fragen wie etwa zu den in Frankreich laufenden Ermittlungen gegen sie aus ihrer Zeit als französische Finanzministerin freundlich darum gebeten, diese ein anderes Mal beantworten zu dürfen. Das Versprechen ist notiert.

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