Wer in der Cannabis-Industrie arbeitet, muss kein Kiffer sein. Im Gegenteil. Besucht man Firmen, die ihr Geschäft mit Haschkeksen, würzigem Gras und fetten Tüten machen, trifft man vor allem: professionelle Geschäftsleute, die genau wissen, was sie tun. Seit Marihuana Anfang 2014 im US-Bundesstaat Colorado legalisiert wurde, boomt dort die Branche.
"Wir arbeiten daran, das Kiffer-Image abzulegen", sagt Gregory Ringler, Cannabis-Concierge in Denver. Hemd, Krawatte und akkurat sitzende Frisur zeugen davon. Als Concierge ist Ringler so etwas Ähnliches wie ein Touristenführer und bringt Besucher zu Cannabis-Apotheken, Farmen und Produktionsstätten. Er sieht eher aus wie ein Manager als jemand, der im Marihuana-Business sein Geld verdient.
Cannabis ist in vier US-Staaten (neben Colorado noch Oregon, Washington State, Alaska) und Washington, D.C., ohne Einschränkung legal. Es trägt dann den Namen "recreational cannabis". Medizinisches Cannabis, das man nur per Rezept beziehen kann, ist in 20 weiteren US-Bundesstaaten erlaubt. Die Liste wird immer länger, weil in der Regel nicht Parlamente, sondern die Bürger in Volksentscheiden über die Legalisierung abstimmen.
Reguliert von der Ernte bis zum Endprodukt
Umsatz, Jobs und Steuereinnahmen sind das, was sich die US-Bundesstaaten von der Freigabe erhoffen. 2,7 Milliarden US-Dollar setzten die 1,5 Millionen US-Amerikaner um, die 2014 legal Marihuana kauften - 2015 dürften es noch einmal deutlich mehr sein.
Allein Colorado erwartet voraussichtlich 125 Millionen US-Dollar Steuereinnahmen durch legalen Gras-Verkauf - mehr als über die Alkoholsteuer. Ein Teil davon fließt in Drogenpräventionsprogramme für Jugendliche. Der Staat reguliert den Herstellungsprozess detailliert, bestimmt die Höchstdosis von THC in Schokoriegeln und verfolgt jedes Gramm einer Ernte bis zum Endprodukt. Zugleich ist Colorado großzügig mit der Vergabe von Lizenzen, die jeder Betrieb vom Bauern bis zur Abgabestelle braucht. Kurz: Der Bundesstaat versucht, die neue Branche zu fördern, ohne die Kontrolle zu verlieren.
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Das nun legal erhältliche Genussmittel ist in einigen Teilen der Gesellschaft durchaus noch umstritten - gerade die konservativen Republikaner fürchten Cannabis als Einstiegsdroge und eine schleichende Akzeptanz harter Substanzen. Aber vor allem junge Menschen sehen durch Cannabis neue und unkonventionelle Jobchancen auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Hier die wichtigsten neuen Jobs, die in der Cannabis-Industrie in den USA entstanden sind:
Cannabis-Gärtner
In sonnigen Gefilden sind es Plantagen, in nördlicheren Gegenden Kunstlicht-Glashäuser, in denen Cannabis-Pflanzen wachsen. Der Gärtner muss das Wachstum prüfen, fördern und dokumentieren. Er braucht botanische Kenntnisse, weil beispielsweise nur die weiblichen Pflanzen konsumiert werden, die wirkungslosen männlichen Pflanzen werden entsorgt. Der Anbau von Cannabis-Pflanzen ist stark reguliert, vom Zugang zu den Plantagen bis zum Einsatz von Pflanzengiften - immerhin handelt es sich trotz Legalisierung um ein Rauschmittel.
Trimmer
Ist eine Pflanze geerntet, kommt der Trimmer zum Einsatz: Mit einer kleinen Schere entfernt er die überflüssigen Pflanzenteile und schneidet die Blüte ab. Auf den Plantagen von Colorado und Kalifornien handelt es sich häufig um Saisonarbeit im Herbst. In kleinen Hütten oder Zelten sind die Arbeiter über Wochen auf den Feldern und werden nach Gewicht der verarbeiteten Blüten bezahlt. Andere Trimmer sind ganzjährig für die Gewächshaus-Züchtungen beschäftigt. Der Job gilt als monoton und anstrengend und bietet kaum Aufstiegsmöglichkeiten - dafür benötigt man keine Fachkenntnisse.
Rauchgerätehersteller
Bongs, Vaporizer, Wasser- und Glaspfeifen gehören schon lange zur Ausrüstung der Kiffer. Nun hoffen die amerikanischen Hersteller durch die Legalisierung auf steigende Umsätze. Glasbläser produzieren mit ihrem altmodischen Handwerk kunstvolle Glasgefäße zum Rauchen des Marihuanas. Die modernere Variante ist der elektronische Vaporizer, der per Stromkabel aufgeladen wird und das eingelegte Gras verdampft statt es zu verbrennen. Die elektronischen Rauchgeräte sind gerade bei der jungen Generation beliebt. Einer der bekanntesten Akteure im Vaporizer-Geschäft ist der Rapper Snoop Dogg, der sich auch seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Legalisierung der Pflanze einsetzt.
Cannabis-Patissier und -Chemiker
Essbare Cannabis-Produkte haben wenig mit den Haschkeksen aus der Teenie-Zeit zu tun: Die industrialisierte Produktion von Süßigkeiten wie Plätzchen, Kuchen, Bonbons, Pralinen und Schokoriegel mit Cannabis-Wirkstoffen ist nicht mit dem Backen in der heimischen Küche vergleichbar. Der Konzentrat-Chemiker gewinnt im Labor die Öle mit teuren Geräten aus den Marihuana-Pflanzen. Er hat meistens eine Ausbildung als Laborant oder hat Chemie respektive Lebensmitteltechnologie studiert. Gelernte Feinbäcker verarbeiten das Öl dann industriell weiter und produzieren die berauschenden Lebensmittel nach strengen Vorgaben: In Colorado darf eine einzelne Süßigkeit zum Beispiel nicht mehr als zehn Milligramm des psychoaktiven Wirkstoffs THC enthalten.
Concierge / Touristen-Führer
Eine wachsende Zahl von Urlaubern kommt nach Washington State, Oregon oder Colorado, um zu kiffen. Touristen-Führer - oder etwas edler "Concierge" genannt - helfen ihnen dabei. Wochenend-Touren beinhalten Besuche in Marihuana-Geschäften und auf Plantagen, aber auch Rauchproben, die ähnlich wie Weinproben ablaufen. Der Kunde kann dabei unterschiedliche Produkte probieren und bei Gefallen für daheim einkaufen - wer in einem US-Bundesstaat wohnt, in dem Marihuana illegal ist, darf die Ware allerdings nicht ausführen. Der Markt wächst enorm und mit ihm die Konkurrenz unter den Anbietern. Eine spezielle Ausbildung ist nicht nötig, Quereinsteiger haben gute Chancen.
Budtender
"Bud" ist die Blüte der Cannabis-Pflanze. Mit Budtender ist der Verkäufer und Berater gemeint, der hinter dem Tresen einer Cannabis-Apotheke steht. Ähnlich wie der Bartender in der Kneipe weiß er über sämtliche Sorten Bescheid und berät die Kunden. Er kennt sich - in der Regel aus eigener Erfahrung und durch Lektüre - mit Wirkungen und Nebenwirkungen aus, kann unterscheiden, ob der Rausch den Konsumenten aktiv macht oder eher auf die Couch zieht. Neben Wissen über Produktionsprozesse, Verarbeitung und Trends achten Arbeitgeber vor allem auf ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten - Budtender sind in der Regel gut gelaunte Geschichtenerzähler.
Green Doctor
In Bundesstaaten, die Marihuana nur für medizinische Zwecke abgeben, haben sich spezielle Arztpraxen etabliert, die einzig zur Verschreibung von Cannabis-Produkten existieren. Umgangssprachlich nennt man diese Cannabis-Ärzte auch "Green Doctors". Dabei handelt es sich um zugelassene Ärzte, die wie alle anderen ein Medizinstudium absolviert und sich dann spezialisiert haben. Das verpflichtende Beratungsgespräch läuft in der Regel darauf hinaus, dem Patienten die gewünschte Diagnose (meistens Schlaflosigkeit, Migräne oder Rückenschmerzen) mitzuteilen und ihm die für den Kauf des "Medical Marihuana" notwendige Bescheinigung auszustellen. Dieses Rezept ist dann ein Jahr lang gültig und ermöglicht dem Patienten den Einkauf in Cannabis-Apotheken. Nicht jeder Arzt findet diese Art der Patientenberatung langfristig erfüllend.