Busfahrer:Ein Job für gute Geister

Busfahrer haben kein Cockpit: Sie sind Lärm und Launen ausgesetzt, wenn der Bus voll ist.

Busfahrer haben kein Cockpit. Wenn es voll ist im Bus und auf den Straßen, wird ihr Job zum Stresstest, dem nicht jeder gewachsen ist.

(Foto: chuttersnap/Unsplash)

Sie sitzen nicht hinter Glas, sondern sind Lärm und Launen ausgesetzt. Warum es in Zeiten der technischen Revolution leibhaftige Busfahrer braucht, zeigt ein Vorfall in Lübeck.

Von Thomas Hahn

An jenem Freitag im Juli steuerte der Busfahrer Peter Spoth die Dreißig vom Lübecker Bahnhof Richtung Travemünde. Der Gelenkbus war gut gefüllt, die Fahrt verlief wie immer. Kreuzwegbrücke. Kieselgrund. Kücknitzer Scheide. Nach der Haltestelle Solmitzstraße riefen plötzlich zwei Damen: "Ein Psycho! Feuer!"

Spoth schaute in den Rückspiegel. In der Mitte des Busses sah er eine Flamme. Er fuhr rechts ran. Er öffnete die Türen, er rief: "Alle Fahrgäste verlassen sofort den Bus!" Er eilte nach hinten. Leute liefen durcheinander, Tumult und Rangelei. Mit Fahrgästen half er einem Rollstuhlfahrer aus dem Bus. Er lief durch den Qualm wieder nach vorne, um den Feuerlöscher zu holen. Mit wenigen Schüben erstickte er die Flamme. Dann bekam er einen Schlag. "Aufs Maul mit irgendwas, vom Täter." Spoth stürzte. Fahrgäste zerrten den mutmaßlichen Brandstifter ins Freie. Doch der hatte ein Messer.

"Wir brauchen keine Leute, die hinter dem Lenkrad schnell auf 180 sind."

Die Staatsanwaltschaft arbeitet noch an der Anklage gegen den 34-Jährigen, der an besagtem Freitag vor vier Wochen den Lübecker Frieden störte. Warum genau er das getan hat, ist noch nicht klar. Ein terroristisches Motiv hatte er nicht, Ende vergangener Woche wurde er in die Psychiatrie verlegt. Zehn Verletzte gab es bei der Attacke. Einen jungen Niederländer traf er mit seinem Messer so hart, dass er eine Notoperation brauchte. Und alles wäre sicher noch schlimmer ausgegangen, wenn nicht der Busfahrer Spoth gewesen wäre. Der Opferhilfe-Verein "Weißer Ring" hat ihn neulich zusammen mit drei hilfreichen Fahrgästen für seine Courage geehrt.

Der Vorfall bringt neue Wertschätzung für einen Berufsstand, der unter Druck gerät im Verkehr der Zukunft. Busfahrerinnen und Busfahrer sind die guten Geister des Nahverkehrs. Souverän und sicher lassen sie ihre kantigen Gefährte durch den Trubel der Städte schaukeln. Sie wissen den Weg. Sie kennen den Fahrplan. Sie sitzen nicht hinter Glas oder Cockpittüren, sondern vorne am Durchgang, Lärm und Launen direkt ausgesetzt.

Ihr Temperament verschwindet meistens hinter der Aufgabe, Menschen von A nach B zu befördern, trotzdem können sie trübe Tage bunter machen. Es ist tröstlich, wenn man vergeblich der eigenen Unpünktlichkeit hinterherhechelt und die Bustür trotzdem noch mal aufgeht. Der Busfahrer wirkt wie die leibhaftige Gelassenheit. Andere hetzen. Er lächelt. Und bei Bedarf rettet er Leben.

"Es ist nicht jeder für den Busfahrer geeignet", sagt Michael Gottsmann, 51, Lehrer in der Busfahrschule des städtischen Unternehmens "Stadtverkehr Lübeck" (SVL). Gottsmann sitzt im SVL-Gebäude neben Marcel Bischoff, 28, der bei ihm gelernt hat und jetzt einer von 320 Lübecker Busfahrerinnen und -fahrern ist. Beide tragen das hellblaue Hemd des Unternehmens mit Krawatte.

Peter Spoth, 62, wäre auch willkommen gewesen beim Gespräch über das Busfahren. Aber er mag den Vorfall nicht wieder aufrühren. Seine Aussagen stammen aus früheren Interviews. Den Trubel fand er übertrieben. "Ich bin kein Held", sagte er in den Lübecker Nachrichten.

Ein Arbeitstag mit Baustellen und alleinreisenden Hunden

Bescheidenheit und Gemütsruhe gehören zum Berufsbild. Immer wieder gibt es Berichte von singenden oder sonst wie unterhaltsamen Busfahrern, die ihre Fahrgäste erfreuen. Aber ein Busfahrer soll kein Entertainer sein, sondern ein verantwortungsvoller Mensch, der in jeder Lebenslage konzentriert bleibt. Gottsmann sagt: "Wir brauchen keine Leute, die hinter dem Lenkrad schnell auf 180 sind." Flüche über Staus und andere Verkehrsteilnehmer sind nicht erwünscht. "Man schluckt das einfach runter", sagt Bischoff und lächelt.

In Großstädten wie Berlin und Hamburg gibt es Tests mit autonom fahrenden Bussen. Beim SVL läuft gerade ein Pilotprojekt mit emissionsfreien Wochenend-Nachtshuttlen, die man per App vor die Haustür bestellen kann. Die Ansprüche der Mobilitätsgesellschaft verändern sich. Der herkömmliche Busfahrer könnte dadurch in Bedrängnis kommen, aber noch kann Bischoff tun, was er eigentlich immer tun wollte: sehr große Autos fahren. Er hat Metallbau gelernt und arbeitete als Assistent in der Geräte-Sterilisation eines Krankenhauses. Er langweilte sich. "Ich wollte was sehen." Also bewarb er sich beim SVL.

Wer Busfahrer werden will, muss 23 Jahre alt sein, einen PKW-Führerschein besitzen, verschiedene medizinische Tests überstehen und in einem dreimonatigen Intensivkurs den Busführerschein machen. Das Programm der Busfahrschule ist gesetzlich vorgeschrieben und straff. Und es geht dabei nicht nur um den Umgang mit 18 Meter langen Gelenkbussen oder die Eigenheiten der örtlichen Tarifbestimmungen. Es geht auch um Fahrzeugtechnik, rechtliche Grundlagen, persönliche Gesunderhaltung, Sozialkompetenz, Krisenmanagement.

Jeder Busfahrer muss binnen fünf Jahren 35 Stunden Weiterbildung besuchen. "Wir bieten dazu einmal im Jahr auch ein Modul mit externen Trainern an", sagt Gottsmann, "dieses Jahr war das Thema Deeskalation dran." Auch das Verhalten von Peter Spoth bei der Attacke folgte der Lehre des richtigen Busfahrens. "Gut war dieses Anhalten, und sofort den Bus zu evakuieren", sagt Gottsmann, "genau das wird in der Ausbildung geschult."

Es geht immer nur so schnell, wie es geht

Der Vorfall von Kücknitz hat die Busfahrer beschäftigt. "Man schluckt schon", sagt Bischoff. Sein Alltag verläuft wie nach den Gesetzen von Ebbe und Flut. Am Morgen sind die Busse voll mit müden Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder mit lauten Schulkindern. Am Vormittag wird es ruhiger. Nachmittags kommen die Kinder zurück, abends die Berufstätigen. Der Verkehr schwillt an, nimmt wieder ab, Baustellen und Brückensanierungen verändern Wege und Geschwindigkeiten. Die Kräfte der Stadt sind stärker als Fahrpläne oder Fahrgastansprüche. Es geht immer nur so schnell, wie es geht. Und manchmal kommt eben etwas Außergewöhnliches dazwischen. Auch Marcel Bischoff hat da schon seine Erfahrungen gemacht.

An jenem Novembertag vor zwei Jahren steuerte Bischoff die Neun vom Grillenweg Richtung Stadt. Es war viel los, Nachmittagsverkehr. Stephensonstraße. Fachhochschule. Auch am Fahlenkampsweg herrschte viel Betrieb, und mit den Einsteigenden sprang ein Irish Setter in den Bus. An der Stadthalle stieg er wieder aus, aber er wirkte schlecht orientiert. Bischoff stellte den Motor ab, legte die Handbremse ein, stieg aus und lockte den Hund zurück in den Bus. Eine Dame betreute ihn während der Fahrt zum Bahnhof. Dort wartete die Polizei, um den Hund in Empfang zu nehmen. Seine Besitzerin hatte ihn schon vermisst.

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