Burn-out-Syndrom:Wenn Körper und Psyche blockieren

Müde, antriebslos, total erschöpft: Die ersten Anzeichen für ein Burn-out-Syndrom sind vielfältig. Wer an Schlafstörungen oder einem Tinnitus leidet, sollte die Notbremse ziehen, mitunter sind schon Rückenschmerzen ein Warnsignal. Eine genaue Definition des Syndroms hat die Medizin nicht. Woran man einen Burn-out trotzdem erkennen kann.

Verena Wolff

Burn-out ist in aller Munde - vor allem, seit Prominente wie Fußballtrainer Ralf Rangnick, Skispringer Sven Hannawald oder Fernsehkoch Tim Mälzer publik machten, dass sie unter totaler Erschöpfung litten und von ihrem Job pausierten oder gleich ihre Karriere beendeten. Doch man muss nicht prominent sein, um an Burn-out zu leiden.

Burn-out-Syndrom: Müde, antriebslos, erschöpft - so beginnt der Burn-out in den meisten Fällen. Doch kaum jemand will diese Symptome wahrhaben.

Müde, antriebslos, erschöpft - so beginnt der Burn-out in den meisten Fällen. Doch kaum jemand will diese Symptome wahrhaben.

(Foto: iStockphoto.com)

Die Zahl der Krankschreibungen aufgrund des neuen Volksleidens ist laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) regelrecht explodiert: Seit 2004 um fast 1400 Prozent - jedoch von einem sehr niedrigen Niveau aus. Auf 100 Versicherte kamen im Jahr 2004 nur 0,6 Fehltage wegen Burn-outs, 2011 waren es etwa neun Tage gewesen. Im Vergleich zu psychischen Erkrankungen ist das nicht besonders viel, bei Depressionen waren es zuletzt 73 Ausfalltage. Trotzdem: Burn-out breitet sich immer weiter aus. Doch was versteckt sich hinter dem viel gebrauchten Begriff? Bislang ist das Syndrom nicht klar definiert.

Erschöpfung auf allen Kanälen

"Burn-out ist ein Begriff, der für alle möglichen Arten von Stressfolgen, Antriebslosigkeit und Formen der Depression verwendet wird, bei denen Erschöpftheit im Vordergrund steht", sagt Mazda Adli, Leiter des Forschungsbereichs Affektive Störung an der Charité in Berlin. Jeder stelle sich etwas anderes darunter vor. Allgemein gültig ist allerdings die Annahme, dass es sich beim Burn-out "um einen Erschöpfungszustand handelt, der arbeitsassoziiert entstanden ist. Dennoch ist klar: Burn-out kann ebensogut außerhalb des Berufs entstehen, etwa bei pflegenden Angehörigen."

Müde, antriebslos, erschöpft - so beginnt der Burn-out in den meisten Fällen. Und wird doch oft nicht wahrgenommen, denn zu alltäglich scheinen viele Symptome. Erschöpfung auf allen Kanälen: körperlich und emotional, auf kognitivem Niveau und in der sozialen Beweglichkeit - das sind die klarsten Anzeichen, vor allem, wenn sie geballt und über einen längeren Zeitraum auftreten.

Kein Ausgleich mehr? Notbremse!

Wenn auch der soziale Bereich betroffen ist und damit häufig Dinge, die eigentlich ein Ausgleich zur Arbeitswelt sein sollten, ist Obacht geboten. "Das macht sich bemerkbar, wenn man sich um Hobbys gar nicht mehr kümmert, Freundschaften auf Eis legt und man sich einfach nur noch zurückziehen will."

Michael Marwitz, promovierter Psychologe und Leiter der Therapie in der Schön Klinik Roseneck beschreibt den Burn-out als "Ergebnis einer lang anhaltenden Überforderungssituation". Allerdings gebe es bislang mehr als 150 verschiedene körperliche Symptome, die mit Burn-out in Zusammenhang gebracht werden - ein schwer einzugrenzendes Syndrom also. "Burn-out ist keine Diagnose, sondern ein Syndrom, unter dem sich viele unterschiedliche Dinge verbergen können." Genau das mache eine genaue Definition schwierig. "Man geht von einer berufsbedingten Depression aus, die vor allem durch beruflichen Stress erzeugt wird."

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Müde, antriebslos, erschöpft - so beginnt der Burn-out in den meisten Fällen. Doch kaum jemand will diese Symptome wahrhaben.

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Das Problem an der Diagnose Burn-out sei die Palette von Symptomen, die auch bei anderen psychischen Störungen auftreten, sagt Gabriele Freude. Die promovierte Biologin leitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Arbeitsgruppe "Mentale Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit".

Häufig verberge sich hinter dem Burn-out eine Depression, die auch als solche behandelt werden muss. "Im Hinblick auf die Prävention von Burn-out muss vor allem auch das Arbeitsumfeld sensibilisiert werden", so Freude. Dann könnten etwa Führungskräfte bei ihren Mitarbeitern, die an einem Burn-out leiden oder gefährdet sind, Veränderungen feststellen. Denn Anzeichen gibt es, wenn etwa sehr gute Mitarbeiter gleichgültig werden und sich mehr und mehr distanzieren. Auch seien verringerte Arbeitsleistungen sowie eine dauernde Unzufriedenheit typisch.

"Ein Burn-out-Prozess zieht sich oft über Jahre hin und wird erst spät bemerkt", sagt Adli. "Man hat den Eindruck, dass man in seiner Leistungsfähigkeit nachlässt, leichter abgelenkt ist und sich nicht so schnell erholt." Doch statt sich Ruhe und eine Auszeit zu gönnen, "legen viele Menschen noch eins drauf, um den gleichen Output abliefern zu können." Als Erstes werden also die Erholungsressourcen beschnitten, die man hat, sagt Adli. "Man leidet ohnehin an Schlafstörungen, steht aber eine Stunde früher auf, um ins Büro zu gehen." Denn vielen Arbeitnehmern sei es immens wichtig, eine intakte Fassade möglichst lange aufrechtzuerhalten.

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Müde, antriebslos, erschöpft - so beginnt der Burn-out in den meisten Fällen. Doch kaum jemand will diese Symptome wahrhaben.

(Foto: cydonna / photocase.com)

Frauen trifft es häufiger

"Der Burn-out trifft oft Menschen mit hohem Selbstanspruch und einer perfektionistischen Ader, die ihr Selbstbewusstsein über Erfolg im Job definieren", sagt Freude. Das Perfide am Burn-Out ist, dass er häufig Menschen mit Eigenschaften trifft, die einen guten Mitarbeiter auszeichnen - einen, der ehrgeizig ist und die Kontrolle haben möchte.

Allerdings sei es ein Vorurteil, dass Burn-out eine Manager-Krankheit ist. "Frauen sind häufiger betroffen - weil sie mit Familie und Beruf mehrere Vollzeitjobs gleichzeitig machen", sagt Freude. Auch Führungskräfte leiden häufig unter der Erschöpfungsdepression - "allerdings trifft es selten das Top-Management", sagt Adli. Betroffen sei eher die zweite Linie, "die von oben und von unten viel Druck bekommt". Zur Risikogruppe gehören zudem Vertreter der IT-Branche, die oft alleine und eigenbrötlerisch arbeiten müssen sowie Selbständige, die hohe Verantwortung und ein hohes Risiko tragen.

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