Diagnose: "Erschöpfungsdepression"
Gerade deshalb sind Ärzte und Psychologen froh, dass der Begriff Karriere gemacht hat, obwohl er mehr verwirrt als erklärt und sogar schon der morgendliche Unwillen beim Aufstehen für manche als Vorzeichen des Zusammenbruchs gilt. Aber die Popularität des Burn-outs hat immerhin dazu beitragen, dass die Hemmschwellen vor Psychotherapeuten oder Klinikaufenthalten niedriger sind als noch vor wenigen Jahren - auch wenn auf dem Überweisungsschein schließlich die Diagnose steht: "Erschöpfungsdepression".
Und dann? Dann macht sich die Leere breit, die lange vom Aktionismus überdeckt war. Sinnlosigkeit. Zukunftsangst. Der Psychiater Toni Brühlmann kennt diese typischen Reaktionen seiner Burn-out-Patienten, wenn ihnen buchstäblich die Stecker aus Handy und Laptop rausgezogen werden. Die Nervosität, den hochtourigen Leerlauf, die erste Konfrontation mit der Ruhe. Regelrechte Entzugssymptome seien das, sagt er. Einige wollen am liebsten von morgens bis abends therapiert werden, weil das Nichtstun ihnen so unproduktiv erscheint. Andere halten es nicht aus und brechen ab.
Als Versager dastehen
Brühlmann ist ärztlicher Direktor in Hohenegg, wo sich Maria Egger gerade von ihrem Familienstress erholt. Auch hier in der Idylle inmitten Wiesen und Wäldern ist die Weltwirtschaftskrise inzwischen angekommen: Kürzlich behandelte Brühlmann einen Unternehmer, dessen Aktienvermögen in Folge der Bankenpleiten von einem dreistelligen auf einen einstelligen Millionenbetrag schrumpfte. Er stand als Versager da, seine Ehe stürzte in die Krise. Der Mann erkannte während seines mehrwöchigen Klinikaufenthalts, dass es auch noch andere Werte gibt als ein Wertpapierdepot.
Eine im Grunde banale Einsicht, die sich Brühlmann öfter wünschen würde. Denn er hat festgestellt, dass immer mehr Menschen in einen Prozess der chronischen Erschöpfung geraten. Eine der Ursachen dafür sieht er in der Gier und im Narzissmus der Leistungsgesellschaft: "Es gibt eine zunehmende Ausrichtung auf sich selbst und auf die Rivalität mit anderen. Versagen hat keinen Platz mehr." Deshalb, glaubt Brühlmann, sei eine moderne Erkrankung wie Burn-out nicht zu trennen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen: Die Finanzkrise zeige doch, dass die Leistungsblase irgendwann platze. "Das System ist krank geworden", sagt Brühlmann, "aber das können wir hier nicht behandeln.
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