Burn-out-Prävention:Wie das Handy gegen den Stress kämpft

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Dem Burn-out keine Chance: Um die Belastung besser einschätzen zu können, haben drei Studenten eine Anti-Stress-App für das Mobiltelefon entwickelt.

Marie Schoess

Jugend: Das bedeutet Leichtigkeit, Unbeschwertheit. Ein Gefühl von Sorglosigkeit, das man von Sommertagen kennt. Von Tagen, an denen man von nichts zu wissen glaubt als von der Existenz der Grashalme, die man beim Blinzeln sieht, und dem See für die Abkühlung zwischendurch. Dass diese träumerische Vorstellung immer wieder getrübt wird von Erzählungen, die meistens mit den Wörtern Stress, Überforderung und Belastung einhergehen, haben im vergangenen Jahr drei Münchner Studenten auch im eigenen Umfeld erfahren: Ein Freund in ihrem Alter erkrankte an einer Depression. Deswegen arbeiten sie nun an einer Handyanwendung, die stressbedingte Erkrankungen frühzeitig erkennen und Tipps zu derer Vermeidung geben soll.

Dass sie sich selbst mit dieser Arbeit einige lange, arbeitsreiche Nächte einfingen, daran haben sich die drei Studenten Fabian Alt, 24, Simon Eumes, 25, und Christopher Lorenz, 25, mittlerweile gewöhnt. "Ich war im Frühjahr noch ein halbes Jahr im Ausland, aber man macht dann trotzdem weiter, weil das Thema so spannend ist und man dabei bleiben will", sagt

Simon.

"Die ganze Idee, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, kam im April des vergangenen Jahres", sagt Fabian. "Eine Person in unserem Umfeld, die uns sehr nahe steht, hat eine schwere Depression gehabt. Und dann haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie man helfen könnte."

Die drei Studenten - Physik, Informatik und Mathematik - dachten dabei allerdings an mehr als die üblichen Freundschaftsdienste. Der Gedanke: Wenn man gestresst ist, dann müsste das Handy, dieser ständige Begleiter, das doch mitkriegen. Selbstverständlich mag es nicht klingen, bei der Erkrankung eines Freundes zunächst auf eine Geschäftsidee zu kommen. Doch Christopher sieht das pragmatischer. Seine Erklärung schwankt zwischen Fachvokabular, völliger Selbstverständlichkeit und jugendlichem Überschwang: "Die Idee ist gar nicht so weit weg. Die Idee ist, dass du zum Beispiel bei deinem Freund mitkriegen würdest, wenn er eine Depression hat, weil er mit dir interagiert. Aber er interagiert ja auch jeden Tag mit seinem Handy. Und wenn du das merkst, dann könnte es ja auch sein, dass sein Handy etwas merkt."

Um ihre Idee umzusetzen, suchten sie nach Indizien für eine stressbedingte Erkrankung, die vom Handy erfasst werden könnte. Etwa ein halbes Jahr lang recherchierten sie, sprachen mit Dozenten, mit Medizinern und Psychologen - und kamen schließlich auf die Lösung. "Es gibt mehrere Parameter, die sich verändern. Die Stimme verändert sich zum Beispiel stark", erklärt Fabian: Sie sei viel weniger modulierend, viel monotoner, außerdem würde das Sprechen langsamer: "Das heißt, dass jemand, der normalerweise wechselt in Höhen und Tiefen, dann eine recht gleichbleibende Tonhöhe hat. Das kann man zum Beispiel messen - allein über die Tonhöhen bei den Telefonaten."

Ziel der App ist es, dass sie über Funktionen läuft, die man ohnehin benutzt, dass sie etwa Rückschlüsse aus Telefonaten ziehen kann. Effizient soll sie schließlich sein. Erfüllen kann dieses Kriterium auch die Hand-Augen-Koordination, die schlechter funktioniert, wenn der Benutzer gestresst ist. Die Konsequenz: häufige Tippfehler - man denke nur an die eigenen Versuche, ein wenig betrunken eine SMS zu schreiben, erklären sie.

Und dann wäre da noch der Schlaf, der ebenso vom Handy überprüft werden kann. Dazu muss das Handy mit ins Bett: Dort kann es die Bewegungen, das Hin- und Herwälzen im Schlaf messen. Und daraus wiederum kann auf die einzelnen Schlafphasen geschlossen werden. "Stress und Schlaf sind zwei Gegenspieler: Stress ist ein Schlafkiller. Und andererseits ist Schlaf aber auch wieder ein Stresskiller. Und Leute, die an Depressionen erkranken, haben ganz oft einen schlechten Schlaf", sagt Christopher und spricht weiter davon, dass diese ziemlich lang in der Leichtschlafphase seien, sich die Zeit des wirklich erholsamen Schlafes deshalb verkürze.

Die Ergebnisse ihrer Messungen durften die Studenten im Schlaflabor in München abgleichen - auch weil es die Verantwortlichen vor Ort spannend fanden, dass die drei mit ganz simplen Mitteln das erreichen könnten, was im Schlaflabor mit viel Aufwand gemacht wird. Christopher formuliert das vorsichtiger: "Wir können kein Schlaflabor ersetzen, wir können keine Diagnose stellen, wir sind keine Ärzte. Aber: Wir können mit einfachen Mitteln einen guten Beitrag leisten."

Den eigenen Aufwand konnten die Studenten zumindest ein wenig ausgleichen: Bei dem Wettbewerb "Herausforderung Unternehmertum" gewannen sie in diesem Jahr den ersten Platz mit ihrer Idee und damit 15.000 Euro. Jetzt suchen sie Konzerne, die ihre Idee interessiert und die sie unterstützen wollen. Auch das wird sie sicher einige Nachtschichten kosten. Das heißt: Schlafmangel. Stress. Und spätestens dann wird die App den drei Studenten Alarmzeichen geben. Und Tipps zur Entspannung.

Dieser Text stammt von der SZ-Jugendseite.

© SZ vom 13.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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