Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr: Rechtsruck im Uni-Magazin:Rechter Aktivist leitet Zeitung an Bundeswehr-Uni

Er will den Schutz der Pressefreiheit "schamlos ausnutzen" und lässt Anzeigen von einem rechten Schulungszentrum schalten: Der neue Chefredakteur der Studierendenzeitung an der Universität der Bundeswehr München gehört offenbar der rechten Szene an. Und die Uni-Leitung kann nichts dagegen tun.

Maria Holzmüller

"Unbestritten ist, dass sich die körperlichen Anlagen männlicher und weiblicher Soldaten grundlegend unterscheiden, damit auch die reale Leistungsfähigkeit. Frauen verfügen durchschnittlich über geringere Körper- und Muskelmasse und sind deutlich kleiner. In der militärischen Ausbildung sind entweder doppelte Maßstäbe oder eine Absenkung des allgemeinen Leistungsniveaus die Folge. Beides wirkt negativ auf den Kampfwert."

Überholte Parolen aus einer vergangenen Zeit? Von wegen. Die Textpassage, in der sich der Autor über die seiner Meinung nach misslungene Integration von Frauen in die Bundeswehr auslässt, entstammt der aktuellen Ausgabe von Campus, dem Studierendenmagazin der Bundeswehr-Universität München/Neubiberg. Und sie ist nicht der einzige Bestandteil der aktuellen Ausgabe, der für Wirbel sorgt.

Das Studierendenmagazin hat einen neuen Chefredakteur - und der kündigt schon im Editorial der Zeitschrift an: Den Schutz der Pressefreiheit "werden wir schamlos ausnutzen." Das könnte man als rebellisches Studentenpathos abtun oder als kritische Stimme innerhalb der Bundeswehr - wäre Martin Böcker nicht in der rechten Szene aktiv.

Der Oberleutnant, der gegenüber sueddeutsche.de bestreitet, rechter Aktivist zu sein, schreibt regelmäßig für rechte Zeitungen wie Junge Freiheit und Sezession, ebenso wie mindestens zwei weitere Redakteure des Campus-Teams, berichtet der Bayerische Rundfunk. Außerdem lägen dem BR Fotos vor, die ihn bei einer geheimen Kranzniederlegung auf dem Münchner Nordfriedhof, einer Veranstaltung der extrem rechten Szene, zeigten. Böcker selbst sagt gegenüber sueddeutsche.de, er distanziere sich nicht davon, als rechts bezeichnet zu werden - er selbst halte den Begriff jedoch für "inhaltsleer". Gleichwohl betone er, dass Rechts- oder Linksextremisten in der Bundeswehr nichts verloren hätten. Er selbst empfinde es als Beleidigung, als Rechtsextremist bezeichnet zu werden.

Seine Kontakte zum Institut für Staatspolitik (IfS) aktiv, einem rechten Schulungszentrum, das zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, räumt Böcker ein. Er besuche dort regelmäßig "guten Gewissens" Veranstaltungen.

Im Zuge der Sarrazin-Debatte war das Institut vor allem durch rassistische Veröffentlichungen aufgefallen, jüngst sorgte ein Artikel des IfS-Geschäftsführers Erik Lehnert im Offiziersblatt MarineForum für Empörung. Ähnlich wie im Campus-Artikel hieß es darin "Frauen zwingen den männlichen Kameraden faktisch ihre eigenen physischen Beschränkungen auf, indem sie Standards senken und Forderungen nach Veränderungen stellen".

Böckers Verbindungen zum Institut scheinen so gut zu sein, dass das IfS sogleich eine ganzseitige Anzeige in Campus schaltete. Die ließ auch Merith Niehuss, Präsidentin der Universität der Bundeswehr München, aufschrecken. Zu diesem Zeitpunkt war das Heft jedoch schon gedruckt und auf dem Campus verteilt.

Niehuss reagierte prompt: Sie distanzierte sich in einer E-Mail an die Studenten von den neuen Tönen im Studierendenmagazin: "Ich möchte darauf hinweisen, dass nach meiner Auffassung hier eine politische Nähe zum Rechtsextremismus nicht auszuschließen ist und dass diese Affinität zur 'Neuen Rechten', die mit der Schaltung der Anzeige in unsere Universität einzieht, eine politische Richtung auf den Campus bringt, die weder an der Universität noch im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung hingenommen werden kann."

Eine Anzeige wie die des Instituts für Staatspolitik werde es in Campus nicht mehr geben, erklärte die Uni-Präsidentin.

Niehuss sei außerdem in direkten Kontakt mit Chefredakteur Böcker getreten, bestätigte eine Universitätssprecherin zu sueddeutsche.de. Der sei nicht erfreut gewesen über die Mitteilung an die Studenten. Die wiederum reagierten mitunter geschockt. "Selbst Redaktionsmitglieder haben uns geschrieben, sie hätten von Böckers Aktivitäten nichts gewusst", sagte eine Uni-Sprecherin.

Leutnant Dennis Horz, Sprecher des Studentischen Konvents, der Studierendenvertretung, deren Organ Campus ist, sagte gegenüber sueddeutsche.de: "Martin Böcker ist dem Studentischen Konvent bis dato nicht durch etwaige radikale Publikationen aufgefallen und wurde somit im Januar 2011 einstimmig vom studentischen Konvent in sein Amt gewählt." In der Zeitschrift Campus seien zu keiner Zeit rechtsextreme Inhalte veröffentlicht worden.

Ob Böcker trotz der aktuellen Debatte auch künftig als Chefredakteur weiterarbeiten darf, darauf hat die Universitätsleitung derzeit keinen Einfluss. Mehr als sich von den rechten Tendenzen zu distanzieren könne sie nicht tun, so Niehuss.

"Da Campus das Organ des Studentischen Konvents ist, wird dieser sich demnächst zusammensetzen und über die Konsequenzen sprechen", erklärte eine Uni-Sprecherin die weitere Vorgehensweise. Da die kommende Ausgabe erst Ende des Jahres erscheinen werde, bliebe noch Zeit, um über die Personalie Böcker zu sprechen. Konvents-Sprecher Horz erklärte, die Vorfälle würden derzeit sehr genau untersucht.

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