Bundesverfassungsgericht:Sexualkunde ist Pflicht

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Religiöse Eltern dürfen ihre Kinder nicht ohne weiteres vom Sexualkundeunterricht fernhalten. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Auch die Teilnahme am Schulkarneval sei zumutbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Schulpflicht gestärkt und der Unterrichtsbefreiung von Schülern aus religiösen Gründen enge Grenzen gesetzt. Vom Sexualkundeunterricht dürfen Schüler im Regelfall nicht unter Berufung auf Glaubensüberzeugungen fernbleiben, solange die Schule Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern wahrt.

Präsentation eines Sexualkunde-Buchs im Jahr 1969: Das Bundesverfassungsgericht hat die Schulpflicht gestärkt. Es wies eine Beschwerde eines Elternpaars ab, das seine Söhne vom Sexualkundeunterricht ferngehalten hatte. (Foto: Archivbild: AP)

Auch die Konfrontation mit Traditionen wie Fastnacht ist religiösen Minderheiten zumutbar, heißt es in dem Beschluss. Damit wies das Gericht eine Verfassungsbeschwerde der Eltern zweier Schüler einer Grundschule aus Ostwestfalen ab, die dem baptistischen Glauben anhängen.

Wegen eines Theaterprojekts zum Thema sexueller Missbrauch sowie einer Karnevalsveranstaltung hatten sie ihre 1998 und 1999 geborenen Söhne zu Hause gelassen - weswegen sie nun 80 Euro Bußgeld zahlen müssen. Aus Sicht der Eltern beruhte das teilnahmepflichtige Projekt mit dem Titel "Mein Körper gehört mir" auf einer "absolut einseitigen emanzipatorischen Sexualerziehung".

Den Kindern werde vermittelt, sie allein dürften über ihre Sexualität bestimmen und sich dabei einzig auf ihr Gefühl verlassen - womit Gottes gute Gebote aufgehoben würden. Auch von der Karnevalsveranstaltung hielten sie die Jungen unentschuldigt fern, weil Fastnacht in ihren Augen ein katholisches Fest ist - obwohl es während der Feier Turn- oder Schwimmunterricht als Alternativangebot gegeben hätte.

Nach den Worten einer Kammer des Ersten Senats darf der Staat zwar eigene Erziehungsziele verfolgen, dabei aber keine gezielte Beeinflussung in einer politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben. Schulischer Unterricht dürfe sich nicht mit einem bestimmten Glauben oder einer Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in der Gesellschaft gefährden. Diese Grenzen habe die Schule nicht überschritten.

Der Vorwurf, das Theaterprojekt erziehe zu freier Sexualität oder gar zu Pädophilie, ist aus Sicht der Richter haltlos. Zur Karnevalsfeier merkte das Gericht an, Fastnacht sei kein katholisches Kirchenfest. Die Religionsfreiheit und ihr Erziehungsrecht geben den Eltern danach keine Handhabe, ihren Kindern die Auseinandersetzung damit völlig zu ersparen. "Denn solche mit dem Schulbesuch verbundenen Spannungen zwischen der religiösen Überzeugung einer Minderheit und einer damit in Widerspruch stehenden Tradition einer anders geprägten Mehrheit sind grundsätzlich zumutbar", heißt es in der Entscheidung.

© dpa/AFP/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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