Bundestag beschließt Familienpflegezeit:Pflegende Angehörige dürfen Arbeitszeit reduzieren

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Viele Menschen wollen sich selbst um kranke Angehörige kümmern - doch gerade Berufstätigen ist dies oft kaum möglich. Nun hat die schwarz-gelbe Koalition ein neues Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Job und Pflege beschlossen. Ministerin Schröder rechnet mit einem großen Erfolg. Die Opposition spricht hingegen von einem "kümmerlichen" Schritt.

Arbeitnehmer sollen es künftig leichter haben, ihren Job und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut zu bringen. Mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition hat der Bundestag die Einführung der Familienpflegezeit beschlossen. SPD, Linke und Grüne stimmten dagegen.

Mehr als 70 Prozent der Angehörigen von Pflegebedürften wollen diese weitgehend selbst betreuen. Das neue Familienpflegegesetz soll bessere Voraussetzungen schaffen, damit dies auch Berufstätigen möglich ist. (Foto: dpa)

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) rechnet mit einem großen Erfolg der Neuregelung. Zahlreiche Unternehmen hätten bereits angekündigt, dabei mitzumachen. Das "innovative" Modell von Union und FDP belaste nicht zusätzlich die Sozialsysteme, betonte sie in der Debatte. Mit der Neuregelung könnten Menschen "sich Zeit für Pflege nehmen, ohne allzu große finanzielle Einbußen hinzunehmen zu müssen und ohne Angst haben zu müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren".

Nach dem neuen Gesetz sollen Beschäftigte nun die Möglichkeit haben, zur Pflege eines Angehörigen ihre Arbeitszeit maximal zwei Jahre lang auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren. Dadurch kann ein Vollzeitbeschäftigter beispielsweise um die Hälfte weniger arbeiten. Das Gehalt beträgt während dieser Zeit 75 Prozent des letzten Bruttoeinkommens.

Zum Ausgleich soll der Arbeitnehmer nach der Auszeit wieder voll arbeiten, bekommt aber weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist. Die Rentenansprüche sollen in etwa auf dem Niveau der bisherigen Vollzeitbeschäftigung erhalten bleiben.

Die Opposition kritisierte vor allem den fehlenden Rechtsanspruch. Es bleibe ganz im Ermessen des Arbeitgebers, ob dieser den Antrag genehmige. Ihre Redner sprachen von einem "kümmerlichen Vorhaben". Schwarz-Gelb mache die Pflege zur reinen Privatsache.

Kein Rechtsanspruch

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig kritisierte, Familienministerin Kristina Schröder lasse pflegende Angehörige mit dem Gesetz im Stich. Es sei zutiefst unsozial, dass die Auszeit allein von den Arbeitnehmern finanziert werden solle, erklärte sie. "Es nutzt nur denjenigen, die sich einen bis zu vierjährigen Gehaltsverzicht von 25 Prozent leisten können." Ein weiterer Fehler sei, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Auszeit gebe.

Den Vertrag über die Teil-Freistellung müssen Beschäftigte nämlich direkt mit ihrem Arbeitgeber schließen. Das Gesetz schafft dafür lediglich einen Rahmen. Den Gehaltszuschuss in der Pflegephase sollen die betroffenen Unternehmen durch ein zinsloses Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanzieren können. Das Gesetz soll zum Jahreswechsel in Kraft treten.

Von den knapp 2,4 Millionen Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, werden nach Angaben des Ministeriums mehr als 1,6 Millionen zu Haus versorgt - durch Angehörige und ambulante Dienst. 76 Prozent der Berufstätigen möchten demnach ihre Angehörigen so weit wie möglich selbst betreuen.

© AFP/dapd/dpa/Reuters/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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