- Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt wehrt die Klage einer jungen Frau wegen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer bei den gesetzlichen Kündigungsfristen ab.
- Die Kündigungsfristen von Arbeitnehmern dürfen sich gemäß Urteil (6 AZR 636/13) auch künftig mit zunehmender Beschäftigungszeit erhöhen.
Der Fall
Die Geschichte nahm ihren Anfang auf dem Grün. Die Klägerin E. hatte im Juni 2007 eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau in der Golfsportanlage der Beklagten begonnen. Etwa ein Jahr später brach sie diese jedoch ab und war von Juli 2008 an als "Aushilfe Golf-Empfang und Pro-Shop" bei der Beklagten angestellt. Auch das ging nicht auf Dauer gut: Am 28. September 2011 erhielt die Klägerin eine Abmahnung. Kurz vor dem Jahreswechsel dann der endgültige Rauswurf; die Inhaberin der Golfsportanlage erklärte am 28. Dezember eine ordentliche Kündigung zum 31. Januar 2012. Daraufhin zog die Klägerin vor Gericht.
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"Sie hat ihre Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt." In dieser chiffrierten Formulierung fehlt das Wort "stets", meint eine Arbeitnehmer und klagt gegen das Arbeitszeugnis.
Die Streitfrage
Die Geschasste versuchte allerdings nicht, die Kündigung an sich rückgängig zu machen - sie wehrte sich gegen den kurzen Vorlauf. In Deutschland sind Kündigungsfristen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten. "Arbeitsverträge können individuelle Vorlaufzeiten festsetzen, allerdings dürfen die gesetzlichen Kündigungsfristen dabei grundsätzlich nicht unterschritten werden", erklärt Daniel Hautumm, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Düsseldorf.
Paragraf 622, Absatz 2, Satz 1 staffelt die Kündigsfristen nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses: Wer mindestens zwei Jahre beschäftigt ist, dem muss mit einmonatiger Frist gekündigt werden. Wer mindestens fünf Jahre in einem Unternehmen ist, hat eine zweimonatige Kündigsfrist. Das geht hoch bis zu einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren - dann sind es sieben Monate.
Diese Regelung führt dazu, dass jüngere Arbeitnehmer häufig eine kürzere Kündigungsfrist haben als ältere. Hier setzten E. und ihr Anwalt Thomas Wolf an, denn: Das ist unfair, oder?
So argumentierte die Klägerin
Konkret hieß es in der Klage: Die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund des Alters dar. Hier kommt neben dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auch europäisches Recht ins Spiel ( Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf). Jüngere Arbeitnehmer, so die Klageschrift, würden unzulässig mittelbar diskriminiert, weil langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien.
Die Forderung
Die beiden Vorinstanzen hatten die Klage von E. jeweils abgewiesen. Allerdings ließ das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen die Revision zu, sodass der Fall nun beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt lag. Seine Mandantin wünsche sich, "dass für sie die gleichen Kündigungsfristen Anwendung finden wie für langjährig Beschäftigte", sagte Anwalt Thomas Wolf vor der Verhandlung am Donnerstag. Er wollte rückwirkend die maximale Kündigunsgfrist von sieben Monaten durchbringen.
Das Urteil
Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts schloss sich der Argumentation der Klägerin jedoch nicht an und wies auch die Revisionsklage ab. Zur Begründung sagte das Gericht: Zwar führe die Differenzierung der Kündigungsfrist nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Jedoch verfolge die bestehende Regelung das rechtmäßige Ziel, "länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren". Daher liegt nach Ansicht der höchsten Arbeitsrichter keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vor.
Das sagt der Arbeitsrechtexperte
Was heißt das konkret? "Das Bundesarbeitsgericht geht genau wie die Vorinstanzen davon aus, dass ein Arbeitnehmer mit zunehmender Betriebszugehörigkeit sein Sozialleben auf den Job ausrichtet", erklärt Hautumm. "Er zieht an den Arbeitsort, schickt seine Kinder dort zur Schule. Vielleicht nimmt er sogar einen Kredit auf, um ein Haus zu bauen, weil er damit rechnet, weiterhin mindestens denselben Lohn zu bekommen." Die Rechtsprechung gestehe jemandem, der 20 Jahre in ein und derselben Firma beschäftigt sei, deshalb einen gesteigerten "Bestandsschutz" zu.
Ein angemessenes Urteil für einen aus Sicht des Experten "skurrilen Fall".