Huth stellt die großen Fragen, wenn er ein Projekt beginnt. Fragen, die weit über Teppichfarbe und Sofastoff hinaus gehen: Wie hierarchisch arbeiten wir? Was macht einen Großteil unserer Arbeit aus: Besprechungen? Oder Einzelarbeit? Letztendlich: Was ist uns als Firma wichtig? Das erstaunt seine Kunden gelegentlich. "Die meisten Kunden wissen nicht, welcher Prozess sie erwartet. Sie wollen einfach nur Möbel", sagt er.
Dabei geht es um viel mehr als Möbel. Wie die Arbeitsplätze aussehen, hat Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Zum einen, weil Firmen hoffen können, dass ihre Leute länger im Büro bleiben und folglich mehr arbeiten, wenn sie sich wohlfühlen. Das sieht man bei den Konzepten der Internetfirmen besonders deutlich, die Experten gern "work life blending" nennen, also das Verschmelzen von Arbeit und Leben: Die Spaßatmosphäre ist der Versuch, den Leuten keinen Grund zu geben, nach Hause zu gehen. Letztendlich laufen alle Besonderheiten, die Unternehmen anbieten, darauf hinaus: Sie wollen die Leistung optimieren. Deshalb gibt es die firmeneigene Kinderbetreuung im Erdgeschoss und das Fitnessangebot unterm Dach. Zum anderen spielt die Bürogestaltung aber auch für die unmittelbaren Arbeitsergebnisse eine Rolle: So zeigten Studien des Fraunhofer-Instituts, dass zwischen Büroeinrichtung und Kreativität ein Zusammenhang besteht.
Dieses Wissen wollen die Unternehmen nun nutzen: Während in den 1970er Jahren der Wandel vom Einzel- zum Großraumbüro eine markante Veränderung brachte und später die Kleingruppenbüros angesagt waren, sind die aktuellen Trends komplexer: Viele Firmen etablieren sogenannte "Mix Offices", in denen es flexibel nutzbare Bereiche gibt. Der Versandhauskonzern Otto etwa hat gerade sein "Collabor8" vorgestellt: In der höchsten Etage der Firmenzentrale ist eine Fläche entstanden, in der Mitarbeiter mit flexiblen Möbeln und verschiedenen Bereichen jederzeit das Umfeld kreieren können, das zu ihren aktuellen Anforderungen passt. Für zwischendurch gibt es eine Kaffeebar und Schaukelsessel, die von der Decke hängen.
Die höchste Steigerungsform dieser Idee ist das "Total Office", vor allem propagiert vom Internetkonzern Google. Das Büro ist dort ein Ort, wo man isst, Sport treibt, mit Freunden Bier trinkt und möglicherweise ein paar Stunden schläft.
Ob Einzelbüro oder gemischte Zonen, heutzutage ginge es darum, drei Grundbedürfnissen der Menschen auch am Arbeitsplatz gerecht zu werden, sagt Innenarchitekt Huth: Kommunikation, Konzentration und Regeneration. Diese Bedürfnisse hätten sich nicht verändert, die Firmen ginge aber damit bewusster um als früher. Mit anderen Worten: An der Kaffeemaschine haben sich schon immer alle zum Quatschen getroffen - heute möchte man das gezielt steuern und baut deshalb eine Coffee-Lounge mit Wlan.
Dabei stehen die Möbel für eine Herangehensweise, die allmählich die Arbeitswelt verändert. Die fängt zwar beim Filzhocker an, hört da aber nicht auf: Neue Besprechungstechniken halten Einzug und Mitarbeiter bekommen Einzelcoaching. Weniger Hierarchie und Regeln, mehr Kommunikation, Offenheit und Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Angestellten stehen dahinter - und manifestieren sich im Schaukelsessel. Das moderne Büro, sagt Inneneinrichter Huth, sei ein Symbol "für den internen Wandel und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern".
Einer derjenigen, die gerade am Wandel vom Durchschnittsbüro zur Erwachsenenspielwiese mitarbeiten, ist Sven Hock. Er war selbst einst Berater und hat dann "Service Partner One" gegründet. Sein Unternehmen ist eine Mischung aus Hausmeister, Putzfrau und Essenslieferdienst. Wer bei ihm Kunde ist, bekommt vom Kaffeevollautomaten bis zum Kicker alles geliefert, was gerade im Büro vonnöten ist, und zahlt am Ende nur eine Rechnung. Hocks Beobachtung: Was Facebook und Google in Sachen Büro vorgelegt haben, müssen nun nicht nur andere Arbeitgeber im Valley, sondern auch jene im Vogtland bieten.
Mittelständler sind skeptisch
Angefangen hat Hock mit seinem Partner und kleinem Team, anfangs haben sie selbst geputzt und Obst ausgefahren. Rund zwei Jahre nach der Gründung hat das Unternehmen etwa 100 Mitarbeiter, sieben deutsche Standorte sowie zwei im Ausland. Das liege daran, dass die Firmen im Kampf um die besten Talente aufrüsten, sagt Hock. "Geld allein reicht heutzutage nicht mehr - man muss viel mehr bieten." Welche Dienstleistungen es über den schlichten Arbeitsplatz und das Gehalt hinaus gebe, werde mehr und mehr ein Qualitätssiegel für Arbeitgeber.
Bei Sven Hock hat deshalb die Vielfalt seiner Dienstleistungen deutlich zugenommen. Anfangs ging es darum, gute Putzdienste bereitzustellen, Schreibblöcke und Klopapier. Dann kamen Obstkörbe und Kaffeevollautomaten dazu. Als mehrere Kunden nachfragten, hat Hock einen Tischkicker in sein Angebot aufgenommen. Mittlerweile hat er eine Mitarbeiterin, die sich nur um Büropflanzen kümmert - sie trägt den schönen Titel "Head of Plants". In einigen Unternehmen komme jetzt mittags und abends ein Caterer, sagt Hock, außerdem gebe es Massagetermine. Immer öfter fragten ihn Geschäftsführer, welche Innenarchitekten derzeit als besonders innovativ im Bereich Open Space gelten. Vor allem in den Metropolen sind die Firmen bereit zum Wandel.
Der normale Mittelständler dagegen sei eher vorsichtig. Das zeigen Zahlen: Durchschnittliche Firmen stecken nur ein bis zwei Prozent ihrer Ausgaben in Einrichtung, obwohl Umfragen zeigen, dass viele Büroarbeiter unglücklich mit der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze sind. Inneneinrichter Huth führt die Skepsis darauf zurück, dass die Bedeutung der Einrichtung oft unterschätzt wird. Auch, weil der Nutzen abstrakt bleibt: "Motivation und Zufriedenheit lassen sich kurzfristig nur schwer messen."
Selbst wenn Firmen investieren - dass das sofort die Stimmung verbessere, kann niemand garantieren. Auch zwischen schönen Möbeln kann ein hässliches Arbeitsklima herrschen. Ein gut ausgestattetes Büro allein reiche eben nicht, sagt der Innenarchitekt: "Wir stellen nur die Bühne. Bespielen müssen die Kunden sie selber."