Jedes Jahr um Himmelfahrt herum treffen sie sich zum Kräftemessen: die "Tipptiger Rottal-Inn" und die "Tastensprinter" aus Cham, die "Eichsfelder Schriftfreunde" und die Cracks von "JKLÖ Südwestpfalz". Zehn Minuten fehlerfreies Perfektionsschreiben, 30-Minuten-Schnellschreiben, Einzel- und Mannschaftswettbewerb. Das Höchsttempo schaffte im letzten Jahr der Verwaltungsfachmann Patrick Sahm aus Obertshausen, 590 Anschläge pro Minute. Zum Vergleich: Sekretärinnen mussten früher bei der Abschlussprüfung mindestens 230 Anschläge schaffen.
Doch was einmal Maschinenschreiben hieß und heute Tastatur- oder Tastschreiben, was Generationen von Büromenschen ganz selbstverständlich lernten, ist auf dem Rückzug. Am deutlichsten wurde das in der Neuordnung der Büroberufe 2014, bei der drei Ausbildungen zum "Kaufmann/-frau für Büromanagement" verschmolzen wurden. Die derzeit etwa 72 000 Azubis im beliebtesten Ausbildungsberuf müssen das Tastschreiben inzwischen gar nicht mehr lernen.
Wie kann das sein, wo doch in der heutigen Arbeitswelt mehr Text produziert wird als je zuvor? "Der Stellenwert des Tastschreibens hat sich durch die Digitalisierung immens verändert", sagt Sven Päßler, Referent für berufliche Bildung bei der Kultusministerkonferenz. Im Berufsalltag sei es nicht mehr relevant, schnell tippen zu können: In den Büros wird - außer vielleicht in Anwaltskanzleien - kaum noch diktiert, die meisten Dokumente lassen sich aus vorgefertigten Textblöcken zusammenkopieren.
"Wichtig ist für die Auszubildenden, dass sie Texte bearbeiten, formatieren und gestalten können", erklärt Päßler. Für die Berufsschullehrer seien die Folgen der Neuordnung überschaubar, schon vorher hätten sie die Schüler vor allem im Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen unterrichtet. "Einige Lehrer bringen ihnen vielleicht auch noch Tastschreiben bei, aus Spaß an der Freud. Aber ich glaube, dass es mit dem Tastschreiben gehen wird wie mit der Stenografie, die ja im Büro praktisch ausgestorben ist."
An allgemeinbildenden Schulen ist Tastschreiben als Pflichtfach ebenfalls abgeschafft und wird nur noch in Arbeitsgruppen vermittelt - mit einer Ausnahme: An Hauptschulen in Bayern lernen noch alle Fünft- und Sechstklässler das Zehnfingersystem. Ab der siebten Klasse können sie die Fertigkeit im Wahlpflichtfach "Wirtschaft und Kommunikation" weiter üben.