Brüssel:Die Sonne - ein weiterer Feind der EU

Im Europäischen Parlament regt sich Widerstand gegen Pläne der Kommission, Arbeitnehmer vor zu viel Strahlung zu schützen.

Von Alexander Hagelüken

Seit Franzosen und Niederländer Europa per Verfassungs-Veto in die Krise stürzten, sind wieder mehr Klagen über zu viel EU-Bürokratie zu hören. Überregulierung made in Brussels gilt als ein Grund dafür, warum viele Bürger des europäischen Projekts müde sind. Schon mehren sich die Forderungen, die Brüsseler Kommission müsse sich beschränken und weniger Gesetze vorschlagen. Die EU-Zentrale kümmert dies eher wenig. Die Eurokraten greifen nach den Sternen, genauer gesagt: nach dem heißesten Gestirn. "Darf Brüssel jetzt auch noch die Sonne regulieren?", stöhnte dieser Tage ein Lobbyist.

Sonne

Idee aus Brüssel: Wenn Beschäftigte durch "natürliche Quellen optischer Strahlung" gefährdet sind, soll der Arbeitgeber "ein Aktionsprogramm mit technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen ausarbeiten und durchführen".

(Foto: Foto: ddp)

Verursacht hat die Aufwallung eine Richtlinie, die in Kürze das Europaparlament beschäftigen wird. Pünktlich zur Hitzewelle wird das Ziel ausgerufen, die Arbeitnehmer des Kontinents vor zu viel "optischer Strahlung" zu bewahren. Erfasst wird auch die "natürliche optische Strahlung". Menschen außerhalb Brüssels sagen Sonnenschein dazu.

Auf 42 Seiten verlangen die Eurokraten von Firmen unter anderem, "Risiken für die Gesundheit und Sicherheit" ihrer draußen tätigen Beschäftigten zu bewerten, "so dass die erforderlichen Maßnahmen zur Minimierung der Risiken angewendet werden können". Sind Beschäftigte durch Sonnenschein, pardon: durch "natürliche Quellen optischer Strahlung" gefährdet, müsse der Arbeitgeber "ein Aktionsprogramm mit technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen ausarbeiten und durchführen".

Expansion ins Weltall

Ob ein Unternehmenschef seine Bauarbeiter mit Sonnencreme einreibt oder ihnen Käppis in den Firmenfarben aufs Haupt drücken soll, sagt die Richtlinie nicht. CDU/CSU-Abgeordnete wie Alexander Radwan oder Anja Weisgerber halten das ganze für bürokratischen Unsinn. Handwerkern, Baufirmen oder Biergartenwirten würden zusätzliche Lasten aufgebürdet, Investitionen gehemmt und die Schaffung neuer Stellen verhindert. Die CDU/CSUler wollen die Brüsseler Expansion ins Weltall stoppen und die Passagen zum Sonnenschein streichen.

Eine Kommissionssprecherin meint hingegen, das geplante Gesetz helfe "Arbeitnehmern und Arbeitgebern". Schließlich sei erwiesen, dass immer mehr Menschen an Hautkrebs erkrankten. Die Richtlinie nütze auch jedem Arbeitgeber, der seine Beschäftigten vor den Gefahren der Sonne warne oder bewahre: "Er schützt sich vor Klagen von erkrankten Arbeitnehmern, weil er ja seine Pflichten erfüllt hat." Eine Belastung der Unternehmen mag die Sprecherin nicht erkennen. "Im Regelfall wird es reichen, wenn ein Firmenchef seinen Bauarbeitern sagt: ,Zieht Euch ein T-Shirt an!"" Die Anforderungen seien absichtlich sehr allgemein formuliert.

Fragt sich, warum die Schutzvorschriften nötig sind, wenn sie nur Selbstverständlichkeiten enthalten. Wirtschaftsvertretern schwant, dass sich die vagen Bestimmungen in der Praxis wie in anderen Fällen zu einem umfangreichen Belastungsprogramm auswachsen könnten. Uapme, der europäische Dachverband der Mittelständler, appelliert deshalb in einem Brief an EU-Industriekommissar Günter Verheugen.

Der Deutsche, der sich Bürokratie-Abbau auf die Fahnen geschrieben hat, soll eingreifen. Bevor das Gesetz Realität werde, müssten erst die Folgen für die Wirtschaft untersucht werden. Am Sonntag kletterte das Thermometer in Brüssel bis auf 30 Grad. Die Lobbyisten hoffen, dass Verheugen sie vor einem Hitzschlag bewahrt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: