Der Mann hat es ein bisschen übertrieben, denn am Ende landete er vor dem Oberlandesgericht München - angeklagt wegen Landesverrats und Bestechlichkeit. Als Archivar in der Abteilung "Auslandsbeziehungen" des Bundesnachrichtendiensts hatte er jahrelang Informationen an die CIA weitergeleitet. Die Sache flog im Sommer 2014 auf, sie erschütterte die Beziehungen zwischen Berlin und Washington, und sie war auch sonst peinlich für den BND. Der 32-Jährige gab vor Gericht ein ziemlich banales Motiv an: Ihm sei bei der Arbeit einfach oft langweilig gewesen.
Ein extremer Fall von Bore-out. Betroffene leiden unter einem Job, der sie unterfordert oder langweilt oder beides. Bore-out ist das Gegenteil von Burn-out, dem Zustand körperlich-geistig-emotionaler Erschöpfung. Aber Bore-out ist weit weniger prominent als Burn-out. Ausgebrannt zu sein ist gesellschaftlich anerkannt, zumal in einer Leistungsgesellschaft wie der deutschen. Wer über Dauerstress klagt, signalisiert Einsatz, Hingabe, Unentbehrlichkeit und kann sich einer gewissen Bewunderung seiner Mitmenschen sicher sein. Deswegen kokettieren auch viele gerne mit ihren Burn-out-Symptomen.
Langeweile? Selbst schuld!
Aber wer gibt schon gerne zu, unausgelastet zu sein, gelangweilt gar? Klingt nach Faulheit, nach Luxusproblem. Burn-out kann man immerhin den Umständen, den Arbeitszeiten, dem Chef, dem Stress ganz allgemein zuschreiben. Beim Bore-out scheint es keinen Schuldigen zu geben - außer einem selbst.
Bore-out ist keineswegs eine Randerscheinung. Eine Umfrage der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin zeigt, dass elf Prozent der Erwerbstätigen sich beruflich unterfordert fühlen. Ihnen mangelt es an anspruchsvollen Aufgaben (53 Prozent), an Verantwortung (48 Prozent) und an Abwechslung (37 Prozent).
Deutschland ist Bore-out-prädestiniert
Den Wirtschaftspsychologen Christian Dormann von der Universität Mainz wundert das nicht. Deutschland sei Bore-out-prädestiniert: "Wir Deutschen machen gern strenge Vorgaben, im internationalen Vergleich haben Arbeitnehmer hier wenig Handlungsspielraum. Das macht es schwerer, gegen Monotonie anzukämpfen." Kann man selbst entscheiden, wann und wie man arbeitet, ändert man eben das Pensum je nach Aufkommen oder Dichte - aber genau das geht oft nicht.
Es scheitert schon an der ausgeprägten Präsenzpflicht an deutschen Arbeitsplätzen, am Stechuhr-Denken, am Festhalten an Abläufen aus dem Fabrikzeitalter. Leistung und Produktivität werden seit der Industrialisierung über die Anwesenheit gemessen. "Da man nicht dafür bezahlt wird, was man produziert, sondern für die erbrachte Zeit, wird Zeit zu einer symbolischen Qualität, die Arbeit als produktive Aktivität verschleiert", schreibt der schwedische Soziologe Roland Paulsen in seinem Buch "Empty Labor".