Spät, aber doch beginnt so etwas wie eine breite Diskussion zu den Bologna-Reformen der deutschen Universitäten. Eine nichtfachliche, nicht lobbyistisch befangene Öffentlichkeit beginnt zu ahnen, dass es um mehr geht als um den Umbau einer institutionellen Sonderwelt mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten.
Schlechte Zeiten für Studenten: Das neue System betrachtet sie als mangelhaft vorgebildete, sogar unneugierige, studierunwillige junge Menschen, denen man Studienpflichten auflegen muss.
(Foto: Foto: ddp)Begonnen hatte die Reform vor zehn Jahren in dem Windschatten, in dem bildungspolitische Anliegen vor den Pisa-Studien und vor der Wahrnehmung der Ausbildungsdefizite einer dramatisch alternden Gesellschaft gelandet waren. Inzwischen aber ist nicht nur Ausbildung, sondern sogar "Bildung" - als Gemeinsames einer fast grenzenlos differenzierten Gesellschaft - wieder ein großes Thema geworden.
Und so verraten auch die gereizten Reaktionen von Verwaltungsfachleuten, dass die Einwürfe von "Feuilletonisten" vielleicht nicht mehr ganz achtlos abgetan werden können; ganz zu schweigen von der Verwunderung ausländischer Beobachter, die registrieren, dass Deutschland eine seiner wertvollsten Erbschaften nicht einfach auf den heutigen Stand bringt, sondern komplett abschafft.
An der Verwaltung hängt alles
Die jüngste Rückzugslinie der Bologna-Verteidiger gegen eine in praktischen Erfahrungen mittlerweile wohlbegründete Kritik lautet: Es sind Umsetzungsprobleme. Die Idee eines europaweit vereinheitlichten, durch Modularisierung vergleichbar gemachten Studierens bleibe richtig. Die aktuellen Schwierigkeiten - zeitliche und stoffliche Überforderung der Studierenden, rigide Erhöhung der Schranken beim Universitäts- und Länderwechsel - seien den Verwaltungen vor Ort, teils auf Länderebene, teils in den Hochschulen zuzuschreiben.
Sie haben die Idee einseitig, also dysfunktional in die Wirklichkeit umgesetzt. Und Professoren, die unter Verwaltungslasten ächzen, haben etwas falsch verstanden. Positive Gegenbeispiele, die natürlich auch vorliegen, beweisen, dass Bologna im Prinzip das Richtige will.
Tatsächlich? Man kann all diesen Argumenten vorbehaltlos zustimmen und doch festhalten, dass genau sie das zentrale Problem benennen. Es besteht eben in der Abhängigkeit von administrativen Leistungen, von der Qualität der Verwaltung, die den Bologna-Prozess offenbar kennzeichnet. Er kann gelingen, sofern die Verwaltung gut ist; aber an ihr hängt es eben.
Damit ist aber für die Studierenden bereits ein entscheidender Mobilitätsverlust bezeichnet. Im ungeordneten bisherigen System war es erheblich leichter, Schwächen auszuweichen. Im Zweifelsfall genügte der Wechsel der Lehrveranstaltung, des Professors oder der Fakultät. Wer dagegen jetzt an einer Hochschule landet, die Bologna unzulänglich umgesetzt hat, muss die Universität oder gar das Bundesland wechseln - mit allen materiellen, aber auch zeitlichen und bürokratischen Schwierigkeiten, die das bedeutet: Ein- und Ausschreiben, Anerkennung des bisher Geleisteten, Umzug, Wohnungssuche.
Solche Mühsal hat das Potential, ein Studium scheitern zu lassen. Die Reform der Reform, die jetzt kommen mag, wird dieses strukturelle Übergewicht der Verwaltung und ihrer Leistungen bestimmt nicht reduzieren.