Süddeutsche Zeitung

Bologna-Prozess:Studienreform von unten

Es schadet nicht, dass nun auch Annette Schavan Korrekturen an Bologna verlangt. Es hilft aber auch nichts. Studenten müssen die Unis auf eigene Faust reformieren.

T. Schultz

Der Bildungsstreik war nicht vergebens. In die Studienreform kommt neue Bewegung, Rektoren und Minister sehen endlich ein, dass es beim Bachelor nicht rund läuft. Nötig sind mehr Flexibilität in der Studiendauer und größere Freiräume im Curriculum. Es schadet nicht, dass nun auch Annette Schavan solche Korrekturen verlangt. Es hilft allerdings auch nicht viel. Als Bundesministerin ist ihr Einfluss bei diesem Thema gering.

Eine ministeriell von oben verordnete Reform der Reform wäre ohnehin nicht wünschenswert. Viel zu lange haben sich die Hochschulen hinter der Politik versteckt. Der Bologna-Prozess, in dem europaweit die Abschlüsse Bachelor und Master eingeführt werden, ist offener und flexibler, als es viele Wissenschaftsfunktionäre glaubten oder behaupteten.

Viel Selbstdisziplin und Motivation

Es muss keinen Einheits-Bachelor geben. Die Hochschulen sollten unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Ansprüche entwickeln: Wer ein freies Studium sucht, das viel Selbstdisziplin und Motivation verlangt, sollte genauso fündig werden wie ein Student, der Angst davor hat, sich zu verzetteln, und deshalb ganz zufrieden ist, wenn sein Studium etwas verschulter abläuft.

Welche Form angebracht und gewünscht ist, müssen Professoren und Studenten von Uni zu Uni und von Fach zu Fach entscheiden. Es ist höchste Zeit für die "Hochschulreform auf eigene Faust", zu der Helmut Schelsky schon vor Jahrzehnten aufrief. Weder die Minister noch irgendwelche Akkreditierungsagenturen, die die Studiengänge genehmigen und deren monströser Name bereits viel über ihr Wesen aussagt, dürfen die Kreativität bremsen. Die Studienreform muss von unten kommen, sonst wird es schon bald den nächsten Streik geben.

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Quelle:
SZ vom 9.7.2009/bön
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