Bologna-Konferenz:Frustrierte Bachelors

Vielen Studenten reicht der erste Uni-Abschluss nicht - doch freien Zugang zum Master will Bildungsministerin Schavan nicht zugestehen. Es fehlt an Geld für Studienplätze.

Johann Osel

Europas Bildungsminister hatten es sich 1999 im italienischen Bologna so schön erträumt - ein Studium, das mit enger Betreuung und internationaler Mobilität junge Leute passgenau ausgebildet und schnell in Jobs bringt. Mittlerweile sind 83 Prozent der Studiengänge auf die neuen Abschlüsse umgestellt, den sechssemestrigen Bachelor und den anschließenden Master. Doch die Bologna-Reform gleicht einer Dauerbaustelle. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) lud am Freitag in Berlin Politik, Hochschulen und Studenten zur Debatte über die Probleme ein.Kein Geld für Studienplätze

Seit den Studentenprotesten 2009 läuft vielerorts eine Reform der Reform: Stundenpläne wurden etwa entschlackt - denn anfänglich hatte man Inhalte der alten Modelle teils einfach in den kürzeren Bachelor gepresst. Hauptstreitpunkt der Reform ist nun der Übergang vom Bachelor zum Master. Derzeit sind laut Kultusministerkonferenz (KMK) 20 Prozent der Masterangebote beschränkt. Nicht alle Studenten können also ohne weiteres das inhaltliche Niveau des alten Diploms bekommen, sofern sie dies möchten.

Darüber gab es zuletzt oft Frust. Extrembeispiel: An der Humboldt-Universität (HU) Berlin wurde Studenten der Zugang zum Lehramt-Master verwehrt - obwohl es Bachelor-Lehrer an deutschen Schulen gar nicht gibt. Für die Plätze gebe es nicht genug Geld, hieß es. Auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, forderte am Freitag "Rahmenbedingungen, die es den Hochschulen ermöglichen, ausreichend Studienplätze anzubieten".

Schavan sagte, sie sehe keinerlei Probleme, "wenn die Studierenden flexibel sind". Könnte in der Praxis heißen: Wenn in München kein Master-Platz frei ist, muss der Betroffene eben zum Studium nach Hamburg ziehen. Studenten fordern dagegen einen Master-Rechtsanspruch an derselben Hochschule. "Das Märchen der Ministerin vom reibungslosen Übergang vom Bachelor zum Master glaubt niemand mehr", sagt Ben Stotz vom linken Studentenverband SDS. Es sei alarmierend, wenn schon jetzt ein Viertel mit einem Numerus clausus belegt ist, teilte die Gewerkschaft GEW mit - weil die Zahl der Bachelor-Absolventen in den kommenden Jahren drastisch steigen werde und deren Job-Perspektiven häufig mies seien. Umfragen belegen, dass viele Firmen mit dem Bachelor hadern - die Abstriche im Vergleich zum Diplom seien gravierend, die oft erst 23-jährigen Akademiker zu unreif.Halbfertiges Studium

Für einen freien Masterzugang gibt es nach der Konferenz aber keine Anzeichen. KMK-Präsident Bernd Althusmann (CDU) warnte davor, "Bachelor und Master gegeneinander ausspielen". Der grüne Hochschulexperte Kai Gehring wertete die Konferenz als "Gesundbeten der Bologna-Reform". Er forderte, über den Hochschulpakt mehr Masterplätze zu finanzieren. Schavan kündigte an, berufsbegleitende Master-Studiengänge mit 250 Millionen Euro zu fördern. Der Job-Einstieg nach dem Bachelor und dann ein späteres Nachholen des Masters ist etwa in den USA durchaus Usus.

"Wir müssen uns beim Bachelor von der Vorstellung eines halbfertigen Studiums verabschieden. Es war ja die Absicht, schneller gut qualifizierte Absolventen zu bekommen", sagt der Berliner HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz. Den wissenschaftlich angelegten Master und den Bachelor dürfe man "nicht hierarchisch verstehen, sondern als legitimen Pfad der Bologna-Reform". Gefragt sei jetzt nicht nur die Politik mit besserer Finanzierung; auch die Hochschulen müssten den "berufsqualifizierenden und trotzdem wissenschaftlich anspruchsvollen Bachelor" weiter umsetzen. (Seite 4)

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