Blick über den Atlantik:Darum machen in den USA mehr Frauen Karriere

California Attorney General Kamala Harris talks with Facebook COO Sheryl Sandberg at the Facebook headquarters in Menlo Park

Facebook-Chefin Sheryl Sandberg (rechts) im Gespräch mit der kalifornischen Generalstaatsanwältin Kamala Harris: In den USA ist es viel selbstverständlicher, dass Frauen Erfolg im Beruf haben.

(Foto: REUTERS)

Drei deutsche Managerinnen sagen, was wir uns von den Amerikanern abschauen sollten - und was nicht.

Von Miriam Hoffmeyer

"Wenn Unternehmen sich die Frauenförderung nicht als Aufgabe setzen, wird es nicht besser werden", sagt Carolin de Lorenzi. Die 45-Jährige, die beim IT-Dienstleister Computacenter den Vertriebsbereich "Workplace Sales" leitet, gehört zu den wenigen Frauen in Deutschland, die eine Spitzenposition in der Computerbranche besetzen. Oder besser gesagt: die es überhaupt zur Chefin gebracht haben.

In den Vorständen deutscher Unternehmen, besetzen Frauen weniger als ein Zehntel der Sitze, kein einziger Dax-Konzern wird von einer Frau geführt. Dagegen liegt der Frauenanteil in den "Boards" amerikanischer Unternehmen, die einen abgetrennten Aufsichtsrat nicht kennen, bei 20 Prozent. Und bei 23 der 500 größten US-Unternehmen steht eine Frau an der Spitze.

"In den USA ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen Führungspositionen besetzen", sagt Carolin de Lorenzi. Das liege an der höheren Flexibilität amerikanischer Arbeitnehmer, die für die Karriere eher bereit seien umzuziehen, aber auch an der grundsätzlichen Einstellung der Gesellschaft: "Die Angebote zur Kinderbetreuung haben sich in Deutschland zwar verbessert, aber Mütter, die viel arbeiten, sind noch nicht völlig akzeptiert. In Frauenrunden werde ich schon mal gefragt, warum ich einen so anstrengenden Job überhaupt mache."

Die Volkswirtschaftlerin arbeitet ihren Töchtern zuliebe seit zehn Jahren in Teilzeit, die Reduktion auf 80 Prozent hat sich für sie bewährt. "Als Führungskraft in Teilzeit zu arbeiten, geht aber nur, wenn sowohl das Unternehmen als auch der Partner das unterstützen. Ich habe mich auf das Wichtigste in beiden Bereichen fokussiert. Es hat geklappt, weil ich meine Kinder zur Selbständigkeit erzogen habe und Aufgaben an mein Team delegieren konnte. Trotzdem hatte ich in den ersten Jahren große Zweifel, ob ich alles richtig mache."

Der Zwiespalt, es allen recht machen zu wollen

Auch Alicia Dahm, Personalleiterin Europa für das Ersatzteil- und Zubehörgeschäft von Ford, hat nach der Geburt ihrer heute 13-jährigen Zwillinge einige Jahre in Teilzeit gearbeitet. Seit dem Beginn ihrer Konzernkarriere hatte die Psychologin immer wieder das Aufgabenfeld gewechselt, um Erfahrungen zu sammeln: "Mir war es immer wichtig, mich auf Neues einzulassen." Deshalb ergriff sie die Chance, die Personalleitung der Ford-Bank zu übernehmen, auch wenn das nur in Vollzeit möglich war und ihre Zwillinge kurz vor der Einschulung standen.

"Es war natürlich Stress, die Kinderbetreuung zu organisieren", sagt Alicia Dahm. "Und ich kenne auch diesen typischen Zwiespalt, dass Frauen es allen recht machen wollen, den Kindern, dem Partner und dem Arbeitgeber." In den USA sei der Stress für Mütter sicher nicht geringer, meint sie. "Aber dort ist es allgemein üblich, dass Frauen bald nach der Geburt an den Arbeitsplatz zurückkehren. Mehrere Kinder zu haben ist für Amerikanerinnen auch in Spitzenpositionen normal."

"Die Klischees stimmen leider völlig"

Andrea Albrecht, CEO Deutschland der Werbeagentur Leo Burnett, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Mutter eines vier Monate alten Sohnes hat mehrere Jahre in Chicago und in London gearbeitet. "In beiden Ländern habe ich bei unseren Kunden viele Frauen in Führung erlebt, niemand hat angezweifelt, dass die ihren Job bestens machen. Im angelsächsischen Raum finden es die Männer auch eher normal, wenn Frauen Erfolg im Beruf haben. Dagegen bin ich in Deutschland in Meetings oft die einzige Frau."

In den USA gibt es keine gesetzlich geregelte, bezahlte Erziehungszeit, drei Monate nach der Geburt eines Kindes müssen Frauen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, wenn sie ihn behalten wollen. Das würde sich wohl niemand für Deutschland wünschen. Managerinnen wie Alicia Dahm, Andrea Albrecht und Carolin de Lorenzi versuchen, durch ihr Beispiel und gezielte Förderung Frauen in ihren Unternehmen voranzubringen. Bei Leo Burnett Deutschland hätten Frauen inzwischen 40 Prozent der Führungspositionen inne, sagt Albrecht: "Und ich bleibe dran!"

Vorbilder und Mentoren

Allen drei Managerinnen ist gemeinsam, dass sie schon beim Berufseinstieg genug Selbstbewusstsein mitbrachten, um sich von der Männerdominanz in ihren Unternehmen nicht beirren zu lassen. Und dass sie ihre Chancen beherzt nutzten. Für Frauen sei das eben nicht selbstverständlich, erklärt die IT-Managerin Carolin de Lorenzi: "Die Klischees stimmen leider völlig: Viele Frauen trauen sich nicht so viel zu und sind deshalb im Wettbewerb mit selbstbewussten Männern im Nachteil. Sie schrecken oft davor zurück, das Gespräch mit leitenden Managern zu suchen, weil sie denen nicht die Zeit nehmen wollen." Besonders in großen Unternehmen sei es aber eine hohe Kunst, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. "Computacenter hat inzwischen 5000 Mitarbeiter, da steht das Management in der Verantwortung, weibliche Talente gezielt zu fördern." So würden begabten Frauen, die die Motivation für den Aufstieg mitbrächten, Mentoren zur Seite gestellt.

Ford hat schon seit längerem ein Mentorenprogramm für weiblichen Führungsnachwuchs. Mindestens ebenso wichtig seien Vorbilder, meint Alicia Dahm: "Frauen stärken sich noch zu wenig untereinander. Ich erlebe bei jungen Frauen, besonders bei Müttern, oft geradezu Angst vor einem Aufstieg. Sie fürchten, dass sie dann nicht mehr Herrin ihrer Zeit sind und rund um die Uhr arbeiten müssen. Ich sage dann, dass ich selber schon Dienstreisen wegen meiner Kinder abgesagt habe und nie auf absolutes Unverständnis gestoßen bin." Sie versuche jungen Frauen auch zu vermitteln, dass sie nicht alles absolut perfekt machen müssten. "Frauen neigen dazu, sich 150-prozentig vorzubereiten, Männer begnügen sich oft mit 80 Prozent. Und das reicht meistens auch."

Drei Dinge müssten sich ändern, damit mehr Frauen in Führung gelangen, glaubt die Werberin Andrea Albrecht: "Die ganze Gesellschaft muss daran mitwirken, dass Gleichberechtigung bewusst gelebt wird. Frauen müssen bereit sein, Entscheidungen zu treffen und die auch zu tragen. Und zu guter Letzt müssen sich die Männer in den Unternehmen auf Veränderungen einlassen."

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