Bildungspolitik in Spanien:Lehrer revoltieren gegen Sparpläne

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Die Jugendarbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie in anderen EU-Ländern, die Zahl der Schulabbrecher ebenso - und nun will Spanien auch noch an der Bildung sparen. Das Land will auf mindestens 8200 sogenannte Verstärkungslehrer verzichten. Zehntausende gingen deswegen auf die Straße. Dabei geht es ihnen gar nicht darum, dass die festangestellten Lehrer dann mehr arbeiten müssen.

Javier Caceres, Madrid

Wer sich die Zahlen anschaut, dürfte wohl nur schwerlich zu dem Schluss kommen, das Krisenland Spanien sollte ausgerechnet an der Bildung sparen. Es ist ja nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit, die mit mehr als 45 Prozent doppelt so hoch ist wie in den anderen Ländern der Europäischen Union (EU). Auch der Prozentsatz derer, die nach Erfüllung der Unterrichtspflicht, also mit 16 Lebensjahren, die Schule für immer verlassen (und sich anders als vormals keine Hoffnung mehr auf einen gut und schwarz bezahlten Job in der Baubranche machen können), ist mit 28,4 mehr als doppelt so hoch wie im Rest der EU.

In Spanien demonstrierten Tausende Lehrer gegen Entlassungen. (Foto: dpa)

Auch andere Zahlen sprechen Bände. In der Pisa-Studie, die den Bildungsstand in den Industrienationen miteinander vergleicht, ist Spanien nur Mittelmaß. Dennoch sind im Bildungssektor erhebliche Einsparungen geplant, gegen die sich Widerstand regt.

Zu Beginn des neuen Schuljahrs ist die große Mehrzahl der Lehrer in einer Handvoll "autonomer Gemeinschaften" Spaniens in den Warnstreik getreten. Nachdem sie 2010 einen zehnprozentigen Kaufkraftverlust durch Lohnkürzung und Inflationsausgleich noch vergleichsweise klaglos hingenommen hatten, laufen sie nun gegen einen faktischen Personalabbau Sturm.

Am Dienstagabend waren Zehntausende auf der Straße. Diverse Regionalregierungen haben angekündigt, fortan auf mindestens 8200 "Free-Lance"-Pauker verzichten zu wollen. Diese sogenannten Verstärkungslehrer machen insgesamt etwa zehn Prozent des Lehrkörpers aus. Im Gegenzug soll die "Produktivität" der festangestellten Lehrer erhöht werden. Statt bisher 18 sollen sie 20 Stunden pro Woche unterrichten.

Die Lehrer sagen, dass es nicht um zwei Stunden mehr oder weniger gehe - sondern darum, dass Kollegen auf die Straße gesetzt werden. Mehr Unterrichtsstunden pro Lehrer bedeuteten zwangsläufig weniger Unterrichtsvorbereitung sowie Schüler- und Elternbetreuung. Man bediene keine Maschinen, sondern arbeite mit Minderjährigen zusammen - mitunter an sozialen Brennpunkten.

Die Zahl der Schüler sei in den vergangenen zwei Jahren um fast fünf Prozent gestiegen, nicht zuletzt durch Einwanderer-Kinder. Gleichzeitig rutschte der Anteil des Bruttoinlandsprodukts, der in die Bildung gesteckt wird, wieder unter die 2009 mühsam übertroffene Fünfprozenthürde. Zudem fürchten die Lehrer, dass die aktuellen Kürzungen nur der Vorgeschmack auf das sind, was nach den Parlamentswahlen vom 20. November kommt. Die konservative Volkspartei PP blickt da einem Erdrutschsieg entgegen.

Besonders sichtbar ist der Konflikt deshalb auch in Madrid, für die PP schon seit Jahren die Hochburg schlechthin. Die dortige Regionalregierung der Privatisierungsfanatikerin Esperanza Aguirre will mit den gestrichenen Stellen 80 Millionen Euro einsparen. Nach Gewerkschaftsangaben (die von Aguirre freilich bestritten werden), ist der Betrag deckungsgleich mit dem Einnahmeausfall durch Steuervergünstigungen, die vor allem Kunden von Privatschulen zugute kommen.

Aguirre selbst goss an anderer Stelle zusätzlich Öl ins Feuer. Hatte sie sich gerade noch dafür entschuldigt, die Lehrer pauschal für Faulpelze erklärt zu haben, hinterfragte sie nun, ob Bildung in wirklich allen Phasen gratis sein müsse. In der Zentrale der Volkspartei PP ist man nun nervös. Der Wahlsieg ist ihr zwar kaum zu nehmen - die mögliche absolute Mehrheit aber schon.

© SZ vom 22.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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