Bildungspolitik:Die Schule brennt

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Die Schule ist in der Krise - oft heißt es, Lehrer seien schuld. Doch schon Lehramtsstudenten haben mit einer unerträglichen Mischung aus Ignoranz und Ratlosigkeit zu kämpfen.

T. Schultz

Urteile über Lehrer sind oft viel zu pauschal, um wahr zu sein. Doch noch immer stimmt Kurt Tucholskys Satz: "Wer die Schule hat, hat das Land." Kaum ein Beruf ist so wichtig für das Wohl und Wehe einer Gesellschaft wie der des Pädagogen. Zu Tucholskys Zeiten konnte man verzweifeln an der monarchistischen und militaristischen Gesinnung vieler Lehrer. Solche Probleme gibt es glücklicherweise nicht mehr. Woran man heute verzweifelt, ist die Mischung aus Ignoranz und Ratlosigkeit, die dem pädagogischen Nachwuchs entgegenschlägt.

Verzweifelte Lehrer: Wer das Unterrichten ernst nimmt, hat wahrlich keinen lauen Job. (Foto: Foto: dpa)

Lästige Lehramtsstudenten

Die Krise der Schule beginnt an der Hochschule. Die Zustände in den Lehramtsstudiengängen sind meist ein bitterer Vorgeschmack auf die großen Klassen und die schlechten Arbeitsbedingungen, die auf die Absolventen warten. Lehramtsstudenten sind vielen Professoren lästig, im allerorten ausgebrochenen Streben nach universitärer Exzellenz spielt das Lehramt kaum eine Rolle. Hoffnung geben einzelne Hochschulen wie die TU München, die jetzt massiv in das Lehramt investiert. Bis das Früchte trägt, werden aber noch Jahre vergehen.

Der Mangel an jungen, guten Lehrern ist ein akutes Problem, zumindest in Fächern wie Physik, Chemie oder Latein. Viele Eltern wundern sich, warum es dem Staat so schwer fällt, die Nachfrage zu berechnen und zu decken. Die Zahl der Schüler ist ja kein Datum, für das die Kultusminister einen Nostradamus befragen müssten. Für den pädagogischen Nachwuchs gibt es aber weder einen richtigen Markt noch einen guten Plan. Zu besichtigen ist ein massives Markt- und Steuerungsversagen. Es gibt föderales Flickwerk und spontanes Reagieren statt vorausschauendes Regieren; es herrscht eine zwischen Bürokratie und Anarchie schwankende Mangelwirtschaft.

Nicht zu verkraftender Verlust

In den kommenden Jahren werden Hunderttausende Lehrer in den Ruhestand gehen. Der Verlust wird deutlich größer sein, als trotz rückläufiger Schülerzahl zu verkraften ist. Die Kultusminister haben gerade erst vereinbart, den Bedarf bis 2020 zu errechnen und sich besser gegenseitig zu informieren. Von einer wirklich länderübergreifenden Strategie kann man noch immer nicht sprechen, jeder Kultusminister bleibt sich selbst am nächsten. Auch das Studium ist ja von Land zu Land unterschiedlich organisiert; und durch die neu eingeführten Bachelor-Angebote wird es immer schwieriger abzuschätzen, wie viele am Ende wirklich in den Lehrberuf münden.

Ganz trivial ist das Berechnen des Bedarfs auch deshalb nicht, weil viele Bundesländer zurzeit die Schulstruktur reformieren und der Bedarf für bestimmte Schultypen, vor allem für Hauptschulen, deutlich sinkt, für Gymnasien dagegen steigt. Hier rächt sich, dass das Berufsbild des Lehrers in Deutschland noch immer stark geprägt ist von der Abgrenzung zwischen verschiedenen Schulformen und Lehrämtern: Die einen sind Studienräte am Gymnasium, die anderen unterrichten an der Haupt- oder Realschule. Diese Zersplitterung schwächt den gesamten Berufsstand, doch vor allem Gymnasiallehrer glauben, auf diese Weise ihre bessere Bezahlung rechtfertigen und verteidigen zu können.

Auf der nächsten Seite: Warum das Referendariat für viele die härteste und stressigste Zeit ist - und die Pädagogen anschließend weitgehend sich selbst überlassen werden.

Kein lauer Job

Referendare und junge Lehrer mögen zu Recht über niedrige Gehälter klagen, insgesamt ist die Bezahlung der Pädagogen in Deutschland jedoch recht ordentlich. Andere Länder sind nicht so großzügig, nicht einmal Finnland. Wer das Unterrichten ernst nimmt, hat wahrlich keinen lauen Job. Aber das Privileg eines sicheren Arbeitsplatzes kann andere durchaus mit Neid erfüllen, zumal in Zeiten der Wirtschaftskrise. Lehrer haben außerdem kaum Probleme, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren - allein das ist sicher mehr wert als ein zusätzliches Monatsgehalt.

Die Sicherheit hat als Kehrseite die Gefahr der Ermattung. Es fehlt an Möglichkeiten und auch am politischen Willen, besonderen Einsatz zu belohnen und die besten Pädagogen dorthin zu bringen, wo sie am meisten gebraucht werden: zu den schwierigsten Schülern. Und möglichst jeder Lehrer sollte hin und wieder herausgerissen werden aus dem Takt der Schulstunden. Er sollte in Betrieben hospitieren, Forschern über die Schulter schauen und mit Schülern auf Exkursionen gehen. Dafür muss es Zeit und Freiräume geben (wobei auch Ferientage nicht tabu zu sein brauchen).

Erschöpfung, Frust und Resignation

Das Referendariat ist für viele die härteste und stressigste, aber auch die lehrreichste Zeit. Anschließend werden die Pädagogen weitgehend sich selbst überlassen. Die Unterrichtsentwicklung, der fachliche und pädagogische Austausch kommen oft zu kurz, kritisch-konstruktive Rückmeldungen fehlen.

Ermutigende Ausnahmen gibt es: Lehrer, die ein Kind durch zusätzliche Hilfe vor dem Sitzenbleiben bewahren und denen die Eltern ewig dankbar sind; Rektoren, die aus pädagogischen Einzelkämpfern ein echtes Team formen; Netzwerke wie der Schulverbund "Blick über den Zaun", die an der Qualität des Unterrichts arbeiten, ohne auf ministerielle Weisungen zu warten. Aber auch sie müssen mit den Widrigkeiten des Alltags kämpfen, mit fehlenden Kollegen und großen Klassen. Auch die besten Pädagogen bleiben nicht verschont. Erschöpfung, Frust und Resignation lauern in jedem Lehrerzimmer.

© SZ vom 26.6.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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