Bildungsmisere:Bildung in Not

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Langfristig werden Tausende Hochqualifizierte fehlen. Schulen und Universitäten sind Investitionen in die Zukunft.

Tanjev Schultz

Deutschland ist keine Bildungsrepublik, eher schon eine Bankenrepublik. Die Schulen und Hochschulen sind Hütten, die Banken Paläste. Geraten Kreditinstitute in Not, eilen Staat und Steuerzahler mit Milliardenbeträgen zu Hilfe. An Bildungsnöte hat man sich dagegen gewöhnt. Vorige Woche hat die OECD den Deutschen wieder einmal den Spiegel vorgehalten: Gemessen an der Wirtschaftsleistung liegen die Ausgaben für Bildung unter dem Wert der anderen Industrieländer. So ist es seit Jahren. Zyniker könnten sagen: Na und? Die Wirtschaft läuft dennoch recht ordentlich. Sicher kann Deutschland noch eine Weile von seiner Substanz zehren. Aber schon jetzt fehlen vielen Firmen Fachkräfte, und schon jetzt treiben 80.000 Schulabbrecher die Sozialausgaben in die Höhe.

Schüler lesen in einem baden-wuerttembergischen Gymnasium ihre Abituraufgaben. (Foto: Foto: AP)

Das Schicksal eines Landes hängt von der Ausbildung seiner Jugend ab. Diese alte (bereits von Aristoteles formulierte) Erkenntnis hat mittlerweile selbst die vom Ölreichtum verwöhnten arabischen Staaten bewogen, massiv in Schulen und Universitäten zu investieren. Einen solchen Aufbruch muss es auch in Deutschland geben. Mit dem im Oktober geplanten Bildungsgipfel will sich nun Angela Merkel des Themas bemächtigen. Bildung ist überwiegend Sache der Länder, aber der Bund kann durchaus den Antreiber spielen. Der Bundeshaushalt setzt bereits ein Zeichen. Trotz blauer Briefe des Finanzministers konnte Forschungsministerin Schavan ihren Etat um acht Prozent steigern. Dennoch wird Deutschland mit großer Sicherheit das EU-Ziel verfehlen, bis 2010 den Anteil der Forschungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt auf drei Prozent zu bringen.

Kümmerlich ist die Zahl der Akademiker in Deutschland. Nur jeder Fünfte erwirbt einen Hochschulabschluss, im OECD-Durchschnitt sind es 37 Prozent. Zwar muss man berücksichtigen, dass es gute Berufsausbildungen gibt, die eine Alternative zum Studium sein können. Doch langfristig werden Tausende Hochqualifizierte fehlen. Die Universitäten müssen sich viel stärker für Bewerber öffnen, die keine Hochschulreife haben. Und die Schulen müssen mehr Jugendliche zum Abitur bringen. Bayern beispielsweise könnte seinen Bedarf an Akademikern bisher nicht aus eigener Kraft decken. Da mögen CSU-Politiker noch so sehr auf die Schulen in anderen Ländern herabblicken: Bayerische Unternehmer sind froh, wenn sie einen Ingenieur aus Bremen gewinnen können.

Spitzenforschung durch "Exzellenzinitiative" stärken

Bisher sind die Unis nicht dafür gerüstet, mehr Studenten aufzunehmen. Es geht hier nicht um Kleckerbeträge: Für neue Studienplätze werden bis 2015 jährlich etwa eine Milliarde Euro nötig sein; dazu käme nach Berechnungen des Wissenschaftsrats der gleiche Betrag, um die Betreuung der Studenten zu verbessern. Wer die Spitzenforschung stärken will, müsste die "Exzellenzinitiative" fortsetzen und die Mittel für Helmholtz- und Max-Planck-Institute erhöhen. Das wird noch einmal mehrere Milliarden Euro kosten.

Zugleich müssen die Kinder vor und während der Schulzeit besser gefördert werden. In Deutschland gibt es nur einen Schulpsychologen für 12.000 Schüler; es fehlen Sprachlehrer für Migranten und gutausgebildete Erzieherinnen. Für die Schwächsten müsste ein Programm zur Einzelförderung starten; Lehrer brauchen mehr Fortbildungen. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft hat schon vor Jahren den Mehrbedarf für ein besseres Bildungssystem auf jährlich 27 Milliarden Euro beziffert.

Auf dem Bildungsgipfel könnten die Länder sich verpflichten, ihre Bildungsausgaben trotz rückläufiger Schülerzahlen nicht zu kürzen. Das wäre ein Anfang, aber ein defensiver. Das Geld wird so immer noch nicht reichen. Auf dem Gipfel muss diskutiert werden, wie dauerhaft mehr Geld für Bildung und Forschung gewonnen werden kann. Dafür müssen auch haushaltsrechtliche Barrieren fallen, denn derzeit werden Ausgaben für Lehrer und Bücher nicht als Investitionen betrachtet, sondern als konsumtive Kosten. Es könnte außerdem nötig sein, Erben stärker zu besteuern. Und auch der Solidaritätszuschlag für den Osten ließe sich dereinst in einen "Bildungssoli" umwandeln.

© SZ vom 15.09.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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