Bildungsministerin Schavan:Der 100.000-Euro-Scheck

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Bundesbildungsministerin Annette Schavan will die Wirtschaftskrise bekämpfen - indem sie Milliarden für die Bildung ausgibt. Jede Schule soll 100.000 Euro bekommen.

Stefan Braun

SZ: In der Koalition ist ein Wettlauf um das nächste Konjunkturprogramm entbrannt. Was halten Sie für wichtig?

Bundesbildungsministerin Annette Schavan: "Wir brauchen ein Renovierungs- und Modernisierungsprogramm für Schulen und Hochschulen." (Foto: Foto: dpa)

Annette Schavan: Es geht doch nicht um einen Wettlauf. Die Konjunktur muss gestärkt werden. Und deshalb müssen wir, sollten wir uns für ein nächstes Paket entscheiden, einen richtig großen Treffer setzen. Aus meiner Sicht muss das vor allem ein großes Programm für Bildung und Forschung sein.

SZ: Was schwebt Ihnen vor?

Schavan: Wenn wir schon versuchen, uns gegen die aufziehende Wirtschaftskrise zu lehnen, dann bitte so, dass Deutschland durch unser Engagement nach der Krise besser dasteht als vorher. Mir schwebt vor, dass wir den kleinen und mittleren Unternehmen deutliche steuerliche Anreize für Investitionen in die Forschung geben. Vor allem aber plädiere ich für ein Renovierungs- und Modernisierungsprogramm für Schulen und Hochschulen. Dass es da hohen Bedarf gibt, wissen wir seit langem.

SZ: Was heißt das?

Schavan: Ich bin dafür, dass wir unsere Schulen und Hochschulen im besten Sinne zukunftsfest machen. Dazu brauchen wir einen unbürokratischen Weg, um Mittel für Renovierung, Modernisierung und auch den Ausbau von Gebäudekapazitäten zur Verfügung zu stellen. Das hilft dem heimischen Handwerk. Es fördert den Handel, wenn Computer und anderes beschafft werden. Es fördert außerdem moderne Energietechnik, etwa bei der energetischen Gebäudesanierung. Und es hilft so auch dem Klima. Ganz konkret: Ich schlage vor, dass wir jedem Schulleiter und Universitätschef einen Betrag in die Hand geben, mit dem er seine Schule oder Hochschule renovieren und modernisieren kann. Das ist unbürokratisch und geht deshalb schnell.

SZ: Für jeden Schulleiter einen Scheck?

Schavan: Nennen Sie es, wie Sie wollen. Über den von den Ländern und Kommunen erhobenen Bedarf wäre das eine sehr sinnvolle Investition in unsere Zukunft. Schulleiter und Hochschulpräsidenten wissen, was am dringendsten notwendig ist. Das Geld darf nicht in der Verwaltung hängenbleiben. Dringende Maßnahmen müssen rasch möglich sein. Das ist nicht Investition in Beton, das ist Investition in die nächste Generation. Mit nichts könnten wir den schweren Schritt in höhere Schulden besser begründen.

SZ: Wie hoch könnte der Scheck sein?

Schavan: Die Höhe des Schecks hinge natürlich vom aktuellen Bedarf der einzelnen Schule ab. Aber damit es wirklich etwas bewirkt, denke ich im Durchschnitt an 100.000 Euro für jede Schule und 500.000 Euro für jede Universität oder Fachhochschule für den raschen Start. Das kann abhängig von Studenten- und Schülerzahlen natürlich variieren. Aber es sind Größen, mit denen in jedem Ort Handwerker Aufträge erhalten und in der Schule was passiert. Das könnte überall im Land einen positiven Impuls auslösen, auch psychologisch.

Auf der nächsten Seite: Was der Schulscheck Deutschland kosten würde - und wie die Bildungsministerin das Paket finanzieren möchte.

SZ: Die Länder werden sicher ganz schnell Föderalismus rufen und auf ihre Kompetenz in Bildungsfragen pochen.

Schavan: Die aktuelle Lage ist eine ganz andere als noch vor wenigen Wochen. Wenn sich die Politik entscheidet, mit einer großen Aktion auf die Wirtschaftsprobleme zu reagieren, dann wird das ganz ohne Zweifel eine nationale und damit gemeinsame Aufgabe werden. Im Übrigen finanzieren wir ja schon über das Programm "energetische Gebäudesanierung" auch die Sanierung von Schulen. Und bei den Hochschulen gilt, dass der Bund im Zuge der Föderalismusreform bis 2013 Mittel an die Länder für die Hochschulen gibt. Diese Summe würde aufgestockt und direkt den Hochschulen zur Verfügung gestellt. Der Beitrag zur Sanierung der Forschungsmuseen ist unproblematisch, da Bund und Land ihn gemeinsam finanzieren und mir schon jetzt Anträge vorliegen. Wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg.

SZ: Das heißt: Alle sollen zahlen?

Schavan: Über die Verteilung der Lasten eines solches Paketes müssten wir reden - mit den Ländern und mit den Kommunen als den Schulträgern. Außerdem gibt es ja zahlreiche Pläne und Bedarfe, die mangels Geld bislang nicht umgesetzt werden können. Eine Kommune, in der saniert und gebaut wird, spürt sofort, dass ihre heimischen Unternehmen davon profitieren und das wirkt sich wieder positiv auf die Steuereinnahmen aus. Das ganze Land von Nord bis Süd muss in so einer Krise erleben, dass wir unser Haus renovieren und unsere Kinder für die Zukunft stark machen, indem wir ihnen eine gute Lernumgebung schaffen.

SZ: Wie viel würde das kosten?

Schavan: Bei den Schulen rechne ich mit rund fünf Milliarden Euro, bei den Hochschulen gibt es einen Bedarf von rund 15 Milliarden Euro, bei den Forschungsmuseen würden schon 200 Millionen Euro weiterhelfen. Die steuerlichen Anreize für Forschung und Entwicklung kann ich noch nicht beziffern. Wenn wir dem Gedanken nähertreten, lässt sich das rasch genauer beziffern. Und die Gegenrechnung lautet: Es werden Arbeitsplätze erhalten, mehr Steuern eingenommen, das Land ist nach der Krise innovativer als vor der Krise und die Klage über miserable bauliche Zustände in Schulen und Hochschulen hat ein Ende.

© SZ vom 6.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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