Bildstrecke:Warum wir Geisteswissenschaften studieren

Zehn Studenten geben Auskunft darüber, warum sie geisteswissenschaftliche Fächer belegen, was sie daran besonders reizt und was sie nach dem Abschluss damit anfangen wollen. Protokolle: Juliane Speigl, Julius Müller-Meiningen

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Warum wir Geisteswissenschaften studieren

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Isabel Robles-Salgado, 25, studiert Politik, Kunstgeschichte und Germanistik im 9. Semester:

"Vor allem Politik ist eigentlich mein Gebiet. Geschichte und Sozialkunde hatte ich schon im Leistungskurs. Und weil ich später als Journalistin im Fernsehen arbeiten will, habe ich mein Studium als guten Einstieg gesehen. Größtenteils habe ich Dinge gelernt, die sowieso Allgemeinwissen sind. Ich denke, es sollten eigentlich alle wissen, wie die UN oder die Europäische Union funktionieren.

Eine straffere Organisation wäre manchmal nicht schlecht gewesen, man braucht viel Eigeninitiative. Dazu kommt, dass viele Fächer und Kurse überbelastet sind.

Gerade was die Praxis angeht, da muss man sich natürlich selbst drum kümmern. Geisteswissenschaftliche Studiengänge sind eine gute Basis für das Leben, den Rest muss man selbst machen. Wir werden inzwischen auch ernster genommen als noch vor einiger Zeit. Auch die Unternehmen haben verstanden, dass es Sinn hat, zum Beispiel einen Soziologen einzustellen. Geisteswissenschaften sind kein Larifari-Studium mehr."

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Carolin März, 26, studiert Japanologie und Sinologie im 8. Semester:

"Japanologie und Sinologie sind sehr im Kommen. Das liegt bei der Japanologie aber gewiss nicht nur am Boom der Manga-Comics, denn schließlich werden Japan und China als Wirtschaftsmächte immer wichtiger. Auch politisch sind beide Länder ziemlich interessant.

Für das Studium der beiden Fächer sind die Sprachen essentiell, über die kommt man dann automatisch zur Kultur der Länder. Das macht für mich den Reiz des Studiums aus: eben diese Kulturen verstehen zu lernen. Denn es ist faszinierend, wie China und vor allem Japan es schaffen, eigene Traditionen in die Moderne zu übernehmen. Bei uns werden Traditionen ja eher belächelt. Aber die Gegensätze dort sind wirklich faszinierend.

Für die spätere Tätigkeit gibt es zwar kein festes Berufsbild, der Erfolg hängt wohl auch von Zusatzqualifikationen ab. Ich könnte mir aber vorstellen, einmal im Bereich der interkulturellen Kommunikation zu arbeiten, als eine Art Berater. Da gibt es Bedarf, denn Ausländer haben wegen kultureller Unterschiede in japanischen Firmen teilweise große Probleme."

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Johannes Friedl, 23, studiert Archäologie im 8. Semester:

"Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Exotisches, für Sachen eben, die nicht so ganz gewöhnlich sind. Bei den Geisteswissenschaften habe ich das Gefühl, dass ich mich intellektuell mit den Dingen auseinandersetzen kann. Ich finde, es geht in die Nähe eines Studium generale, und das gefällt mir. Ich hatte in der Schule Griechisch als Leistungskurs und Latein und habe so ein Faible für die Kultur der Griechen und Römer entwickelt.

Am Archäologiestudium finde ich spannend, dass man sich mit einer Kultur so ganzheitlich wie möglich beschäftigt. Man setzt sich mit Kulturen auseinander, die die westliche Gesellschaft geprägt haben und manchmal in Vergessenheit geraten sind. In München beschäftigen wir uns viel mit Bildaussagen, etwa von Statuen oder in der Malerei.

Ich werde oft gefragt, warum ich mich für so altes Zeug interessiere. Ich denke, man muss wissen, woher man kommt, um zu wissen, wohin man will. Beruflich möchte ich später mal in die Forschung. Eine andere Möglichkeit gibt es für Archäologen auch kaum."

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Barbara Bierbrauer, 28, studiert Ethnologie, Politik und Amerikanistik im 11. Semester:

"Dank der Ethnologie habe ich die Entdeckung gemacht, dass die Prioritäten der westlichen Gesellschaften nicht die allgemeingültigen sind. Es gibt zum Beispiel Kulturen, die definieren sich über das Schenken. So etwas relativiert die eigene Kultur.

Bei solchen Fragen sind die Geisteswissenschaften im Vorteil, weil sie sich mit Problemen befassen, die über den Alltag hinausgehen. Wenn man so will, sind die Geisteswissenschaftler die Kulturträger der Gesellschaft. Wenn es uns nicht gäbe, dann wäre es langweilig. Ohne Historiker könnte man nie aus Fehlern in der Geschichte lernen.

Was meine Zukunftsaussichten angeht: Ich will gerne promovieren und würde dann gerne bei einer Stiftung im Entwicklungsbereich arbeiten."

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Nikolaus Witty, 20, studiert Philosophie und Theaterwissenschaften im 2. Semester:

"Ich will später als Regisseur oder Dramaturg im Theater arbeiten. Philosophie ist dafür die Grundlagenwissenschaft. Außerdem lernt man geistig unabhängig - etwa von gewissen Moden - zu sein und einen eigenen Stil aus den Gedanken heraus zu entwickeln.

Der absolute Vorteil der Geisteswissenschaften ist die geistige Flexibilität, die ja überall gefordert wird. Für die Geisteswissenschaften ist das selbstverständlich, wir werden geschult, Bedeutungen und Zusammenhänge erkennen zu können. Und unsere Fragen drehen sich um den Menschen, also das Wesentliche.

Wir werden nicht zu schlechten Spezialisten, sondern eher zu Generalisten, die auf das Ganze schauen können."

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Anita Sauckel, 24, studiert Nordische Philologie, Vor- und Frühgeschichte sowie Geschichte im 9. Semester:

"Ich bin durch Zufall auf Nordische Philologie gekommen. Ich wollte auf jeden Fall etwas mit Sprachen machen und war dann für Amerikanistik eingeschrieben. Gleich zu Anfang habe ich aber im Vorlesungsverzeichnis gesehen, dass ich Nordische Philologie viel interessanter finde und habe dann gewechselt.

Mit BWL oder Jura hat man zwar bessere Berufsaussichten, aber das ist mir egal. Mathe liegt mir einfach nicht, nur mit Formeln und Gleichungen würde ich wahnsinnig werden.

Bei den Geisteswissenschaften hat man einen tieferen Hintergrund. Als Schwerpunkt habe ich Altskandinavistik und bin auf die Wikingerzeit spezialisiert. Später würde ich gerne in einem Museum arbeiten oder promovieren."

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Anna Ketterer, 21, studiert Evangelische Theologie auf Pfarramt im 4. Semester:

"Ich finde Geistes- spannender als Naturwissenschaften, die sind mir zu platt und zu empirisch. Geisteswissenschaften haben eine lange Tradition und für mich einen anderen Stellenwert. Das Spannende an meinem Studium ist die Vielschichtigkeit. In praktischer Theologie schreibt man Predigten, in Kirchengeschichte bekommt man ein kleines Geschichtsstudium, in anderen Bereichen geht es in Richtung Philosophie. Und man muss Altsprachen lernen.

Im Laufe des Studiums hat sich herauskristallisiert, dass ich Pfarrerin werden will. Mir gefällt, dass es ein besonderer Beruf ist und man so nah am Menschen ist. Zu den Berufsaussichten gibt es unterschiedliche Aussagen, ich bin zuversichtlich."

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Brigitte Neda, 26, studiert Französisch, Spanisch und Europarecht im 14. Semester:

"Sprachen liegen mir einfach. Naturwissenschaften wären für mich nicht in Frage gekommen, weil ich da nicht gut genug bin. Ich hatte als Nebenfächer schon Informatik, VWL und Geographie, bis ich dann auf Europarecht gekommen bin. Ich denke, dass das zusammen mit den Sprachen eine gute Kombination ist mit Blick auf die EU-Erweiterung.

Ich habe schon Praktika in Frankreich, Rumänien und Deutschland gemacht. Aber was ich beruflich genau machen will, weiß ich noch nicht. Im Moment lerne ich für die Magisterprüfung. Läuft alles gut, bin ich im Juli fertig. Dann heißt es erst mal Koffer packen. Ich will im Ausland arbeiten oder "Work and Travel" machen. Dazu hat man nur noch jetzt nach dem Studium Zeit."

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Florian Kromus, 23, studiert Kunstgeschichte, Psychologie und Neuere Deutsche Literatur im 6. Semester:

"Ich habe mich immer schon für Kunst interessiert. Meine Fächer habe ich nach persönlichem Interesse ausgewählt. Die Entscheidung für Psychologie im Gegensatz zu den beiden geisteswissenschaftlichen Fächern war etwas vernunftgesteuert.

Das wichtigste ist für mich aber, dass Leidenschaft dahintersteckt, denn sonst hält man Durststrecken nicht durch. Ich könnte also zum Beispiel nie Jura studieren.

Grauenvoll finde ich, wie Studiengänge derzeit nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit beurteilt werden. Geisteswissenschaften sind Fächer, die etwas vermitteln, nämlich das Grundbedürfnis des Menschen nach Kultur. Ins Theater zu gehen hat einfach nichts mit Ökonomie zu tun. Oder Goethe, den braucht eigentlich niemand, aber jeder freut sich an ihm. Also muss es Leute geben, die sich um seine Texte kümmern.

Ich könnte mir vorstellen, später einmal im Kunstmarkt zu arbeiten. Jetzt helfe ich bereits in einer Galerie aus. Geisteswissenschaften sind jedenfalls nicht automatisch ein Schritt in die Arbeitslosigkeit."

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Pascal Ströing, 20, studiert Philosophie, Komparatistik und Mathematik im 2. Semester:

"Was mich an der Literatur interessiert, sind Menschenkenntnis und Empathievermögen. Meine Lieblingsautoren wie Dostojewski oder Schnitzler beschreiben Menschen. Und Berufsberater sagen ja oft: Für die Magisterstudiengänge gibt es kein klares Berufsbild, aber man lernt, mit Menschen umzugehen. Ich bin von Komparatistik etwas enttäuscht, weil das Fach das literarische Schaffen zum Gegenstand hat und eben nicht den Menschen in der Literatur.

Die Philosophie ist für mich eigentlich der spannendste Bereich, da lernt man alle Denkansätze kennen. Mathematik studiere ich, weil man rationale Problemlösungen lernt und das Fach schwer ist. Belastbarkeit bringt auch beruflich Vorteile."

Alle Fotos: Andreas Heddergott (SZ vom 25.4.2007)

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