BGH-Urteil zur Tätigkeit als Tagesmutter:Kindertagespflege als Lärmbelästigung

Weil sie sich durch Kleinkinder belästigt fühlt, geht eine Kölnerin rechtlich gegen ihre Nachbarin vor, die als Tagesmutter arbeitet. Das Landgericht urteilt zugunsten der Klägerin, doch damit ist der Fall nicht erledigt. An diesem Freitag hat nun der Bundesgerichtshof entschieden - die wesentliche Frage aber nicht beantwortet.

Kinder sind vor allem eines: laut, zu laut. So sah das zumindest eine Frau aus Köln und leitete rechtliche Schritte gegen die Nachbarin im Stockwerk über ihr ein, die in ihrer Wohnung als Tagesmutter mehrere Kinder betreute. Nachdem das Amtsgericht die Klage noch abgewiesen hatte, gab das Landgericht der entnervten Nachbarin im August 2011 recht.

BGH urteilt im Streit um Kinderlärm

Sind Kinder, die in einer Wohnung betreut werden, für die Nachbarn zumutbar? Darüber hatte jetzt der BGH zu entscheiden - doch der Beschluss der Karlsruher Richter fiel für die Parteien enttäuschend aus.

(Foto: dpa)

Von einer "unzumutbaren Beeinträchtigung" der anderen Bewohner und Wohnungseigentümer war in der Urteilsbegründung die Rede. Durch die fünf Kleinkinder (bis zu drei Jahren) sei von einem "erhöhten Lärmpegel, einer gesteigerten Besucherfrequenz, vermehrtem Schmutz (...) und einem erhöhten Müllaufkommen durch Windeln" auszugehen.

Die Tagesmutter, die neben einer Erlaubnis der Stadt Köln zur Ausübung der Betreuungstätigkeit auch den Rückhalt ihrer eigenen Vermieterin hat, wollte die Entscheidung des Kölner Landgerichts jedoch nicht hinnehmen. Der Fall ging vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. "Wenn hier eine Familie mit drei Kindern leben würde - wo ist da der Unterschied? Das kann nicht richtig sein", sagte der Anwalt der Frau der Berliner Morgenpost.

An diesem Freitag nun fiel die Entscheidung: Der BGH wies die Klage ab - wegen eines formaler Fehlers, der der Tagesmutter und ihrer Vermieterin unterlaufen war.

Eine Grundsatzurteil, wie es Rechtsexperten erwartet hatten, fällte der Senat damit nicht. "Die Erwartungen sind sehr hoch, aber wir können sie nicht erfüllen", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Krüger. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Hausgemeinschaft einer Tagesmutter die für ihre Tätigkeit in einem privaten Wohnhaus erforderliche Zustimmung verweigern kann, bleibt damit vorerst unbeantwortet (Az.: V ZR 204/11).

Tagesmutter hat sich nie um Zustimmung bemüht

Der Tagesmutter und ihrer Vermieterin war schlicht ein Verfahrensfehler unterlaufen. Weil es sich bei der Nutzung der Privatwohnung als Tagespflegeeinrichtung eindeutig um eine gewerbliche Nutzung handelt, hätten sie laut Teilungserklärung auf jeden Fall die Zustimmung der Wohnungseigentümer gebraucht. Die Tagesmutter hatte zwar die Erlaubnis der Stadt, sich aber nie um die Zustimmung der Eigentümer bemüht.

Nach der Beschwerde der entnervten Nachbarin aus dem Erdgeschoss untersagte die Wohnungseigentümerversammlung der Tagesmutter ihre Tätigkeit per Beschluss. Doch auch dagegen wehrte sich die Frau nie.

Deshalb kommt es laut BGH "auf die vom Berufungsgericht geprüfte Frage, ob die Verwalterin zu Recht die Zustimmung zum Betrieb einer Tagespflegestelle in der Wohnung der Beklagten verweigert hat", nicht an. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folge bereits daraus, dass der Tagesmutter die weitere Ausübung ihrer Tätigkeit durch Beschluss der Wohnungseigentümer untersagt worden war.

Ein Ausweg bleibt der Tagesmutter

Rechtsexperten hatten im Vorfeld eine Entscheidung mit Signalwirkung erwartet. Sollte für die klagenden Wohnungseigentümer geurteilt werden, stünden wohl viele Tagesmütter vor dem Aus, so die Annahme. Viele betreuen die fremden Kinder gemeinsam mit eigenen im privaten Wohnumfeld. "Die Kinder in einem familiären Rahmen zu betreuen, das ist genau das, worauf es mir bei der Tagespflege ankommt", sagte Silvia Tietz, die seit 14 Jahren in Berlin-Lichtenberg als Tagesmutter arbeitet, der Berliner Morgenpost.

Die Kölnerin darf nun jedenfalls bis auf weiteres keine Kinder mehr in ihrer Wohnung betreuen. Laut BGH bleibe es ihr und ihrer Vermieterin aber unbenommen, bei der Verwalterin oder der Wohnungseigentümergemeinschaft "einen entsprechenden Antrag" zu stellen. Erst in diesem Fall würde dann über die Frage entschieden werden, ob die Kinder tatsächlich zu laut sind oder nicht.

124.000 betreute Kinder

Weil es gerade in Großstädten zu wenige Krippenplätze gibt, nehmen Eltern immer häufiger private Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch. 2011 wurden dem Statistischen Bundesamt zufolge bundesweit 124.000 Kinder von Tagesmüttern und -vätern betreut - wobei der Anteil männlicher Betreuungspersonen verschwindend gering ist. Das ist ein Ansteig gegenüber dem Vorjahr von mehr als zehn Prozent. Der überwiegende Teil der betreuten Kinder ist drei Jahre alt oder jünger.

Der Bundesregierung fördert Tagesmütter und hat diese anderen Betreuungsformen rechtlich gleichgestellt. "Nach dem Sozialgesetzbuch VIII ist diese Betreuungsform im familiennahen Umfeld gleichrangig mit der Betreuung in anderen Kindertageseinrichtungen, zum Beispiel mit einer städtischen Kita", sagte Eveline Gerszonowicz, Referentin beim Bundesverband für Kindertagespflege, heute online.

Konkret bedeutet das: Für Tagesmütter sollen Eltern pro Kind den gleichen, jeweils von der Kommune festgelegten Betreuungssatz zahlen. Damit kommen die Frauen jedoch selten an das Gehalt einer Erzieherin heran, weshalb manche Frauen einen zusätzlichen Obulus erheben. Für Gerszonowicz ist die Frage der leistungsgerechten Bezahlung von Tagesmüttern noch unbeantwortet. Neben der schlechten Bezahlung könnte ein etwaiges Betreuungsverbot in Privatwohnungen zusätzlich abschreckend wirken auf potenzielle Tagesmütter und -väter.

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