Bewerbungsgespräche:Was der Händedruck verrät

Niemand schätzt das Gefühl, zur Begrüßung statt der Hand einen toten Fisch gereicht zu bekommen - auch Personaler nicht. Sie beurteilen Bewerber anhand ihres Händedrucks.

M. Sonnenmoser

Svenja K. hat gleich ein Vorstellungsgespräch. Ihre Hände sind vor lauter Aufregung schweißnass. Nervös wischt sie sich die rechte Hand am Rock ab, denn wenn sie den Personalchef begrüßt, will sie mit ihren glitschigen Fingern nicht gleich einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Händedruck, iStock

Händedruck: Bewerber mit festem, kraftvollem Händedruck, bekommen bessere Beurteilungen als Bewerber, die nur kurz und lasch die Hand reichen.

(Foto: Foto: iStock)

Svenja liegt mit ihrer Befürchtung gar nicht so falsch, denn der Händedruck ist eines der vielen kleinen Signale, die wir innerhalb der ersten Sekunden an einem anderen Menschen wahrnehmen. Und kaum jemand schätzt das Gefühl, das Gegenüber reiche uns statt seiner Hand einen toten Fisch zum Gruß.

Der Händedruck eines anderen beeinflusst, wie wir über ihn denken. Das haben Wissenschaftler um den Personalpsychologen Greg Stewart von der University of Iowa nun auch wissenschaftlich belegt.

Stark und kraftvoll

Sie gaben 98 Studierenden die Anweisung, bei einem simulierten Bewerbungsgespräch so zu tun, als ginge es um einen wichtigen Job. Die Gespräche wurden von echten Personalchefs geführt, die den "Bewerbern" zur Begrüßung und zum Abschied die Hand schüttelten. Vor und nach den Gesprächen begrüßten außerdem fünf unabhängige Personen die Kandidaten mit Handschlag und schätzten anschließend ein, wie stark und kraftvoll der Händedruck der Bewerber war.

Außerdem stellten sie fest, wie lange der Händedruck dauerte und ob die Bewerber ihnen in die Augen schauten. Im Anschluss daran führten die Wissenschaftler mit den Teilnehmern einen Persönlichkeitstest durch, wobei es ihnen vor allem um eine Eigenschaft ging: Extraversion.

Menschen, bei denen diese Eigenschaft stark ausgeprägt ist, gelten als begeisterungsfähig, mitteilsam und selbstbewusst. Sie suchen den Kontakt zu anderen, gehen aus sich heraus und können sich durchsetzen. Im Gegensatz dazu sind Personen mit geringer Extraversion eher verschlossen und zurückhaltend. Eine ausgeprägte Extraversion ist in vielen Jobs von Vorteil.

Lebhaftes Händeschütteln und Augenkontakt

Nach den Bewerbungsgesprächen beurteilten die Personalchefs die Bewerber danach, welche sie einstellen würden und welche sich vermutlich im Berufsleben bewährten. Für die Beurteilung standen ihnen lediglich ihre subjektiven Eindrücke, nicht aber die Ergebnisse der Persönlichkeitstests zur Verfügung.

Wie sich zeigte, erhielten Bewerber mit festem, kraftvollem Händedruck, der ein paar Sekunden dauert und mit lebhaftem Händeschütteln und Augenkontakt einherging, deutlich bessere Beurteilungen als Bewerber, die nur kurz und lasch die Hand reichten. Die Bewerber mit dem kernigen Händedruck waren zugleich auch sehr extravertiert und besaßen damit eine charakterliche Voraussetzung für beruflichen Erfolg. Die Personalchefs hatten also ein gutes Gespür für geeignete Bewerber bewiesen. "Vermutlich schlossen sie vom Händedruck auf das Wesen der Menschen", schreiben die Wissenschaftler im Journal of Applied Psychology (Band 93 Ausgabe 5).

Auf der nächsten Seite: Frauen haben einen schwächeren Händedruck als Männer - sind sie deshalb bei Vorstellungsgesprächen im Nachteil?

Was der Händedruck verrät

Positive Körpersignale

Wahrscheinlich gibt aber nicht nur ein fester Händedruck Aufschluss über eine ausgeprägte Extraversion. Extravertierte Bewerber verstehen es, sich im Interview vorteilhaft zu präsentieren und tragen somit zu einem positiven Gesamteindruck bei. Trotzdem ist der Händedruck ein Indiz, das beim ersten Eindruck eine wichtige Rolle spielt.

Viele Frauen haben allerdings nur einen schwachen Händedruck oder geben zu kurz die Hand. Nach Ansicht der Wissenschaftler liegt das daran, dass Frauen allgemein weniger Kraft in den Händen haben und auch das Begrüßen mit Handschlag weniger gewohnt sind als Männer. Die Teilnehmerinnen waren dadurch jedoch nicht benachteiligt, denn sie erhielten fast genauso gute Beurteilungen wie Männer mit kräftigem Händedruck. Ein Grund dafür war, dass sie ihre "Schwäche" mit mehr Augenkontakt und anderen positiven Körpersignalen kompensierten.

In männlicher Manier

Hinzu kam, dass die Personalchefs offenbar gar keinen kräftigen Händedruck von weiblichen Bewerbern erwarteten. Wenn ihnen trotzdem eine Frau in männlicher Manier die Hand reichte, waren sie umso mehr überrascht und angetan, was sich in besonders positiven Beurteilungen niederschlug. Diese Teilnehmerinnen wurden sogar noch besser beurteilt als Männer mit einem kräftigen Händedruck.

Bewerber haben es also buchstäblich in der Hand, ob sie einen Job angeboten bekommen. Es braucht nur warme, trockene Hände und einen kräftigen Händedruck, verbunden mit lebhaftem Schütteln und einem tiefen Blick in die Augen - und schon stechen sie einige Konkurrenten aus.

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