Bewerbungsgespräch:Was Mimik und Körpersprache verraten

Arme, Beine oder Gesicht können erzählen, was man eigentlich gar nicht sagen möchte. Der ehemalige FBI-Agent Joe Navarro kann Menschen lesen - er ist mit jeder Haltung, Gestik und Mimik vertraut. Er hat etliche Verdächtige als Verbrecher entlarvt - oder als Unschuldige. Und er weiß, wann Bewerber im Vorstellungsgespräch flunkern.

Viola Schenz

Der Körper kann verräterisch sein, verräterischer, als einem recht ist. Wer sich die Stirn reibt oder an den Hals fasst, zeigt damit Unsicherheit, gar Angst - auch wenn er eigentlich einen ganz anderen Eindruck vermitteln möchte. Gerade im Berufs- und Geschäftsalltag kommt es darauf an, sein Gegenüber richtig einzuschätzen und sich darüber im Klaren zu sein, wie man auf andere wirkt.

Das hat sich Joe Navarro zur Lebensaufgabe gemacht. Als FBI-Agent hat er 25 Jahre lang Kriminelle und Spione entlarvt, indem er vor allem ihre Körpersprache beobachtete. Gelernt hat er das schon als kleiner Junge - notgedrungen: Mit acht Jahren floh er aus Kuba in die USA. Da er anfangs kein Englisch sprach, war er darauf angewiesen, die Gestik und Mimik seiner Schulkameraden zu entschlüsseln.

Der 58 Jahre alte Amerikaner, der inzwischen als Dozent und Buchautor (Menschen verstehen und lenken, mvg Verlag)arbeitet, erklärt, worauf Personaler und Bewerber beim Jobinterview oder Verhandlungspartner bei Geschäftstreffen achten sollten.

SZ: Herr Navarro, angenommen ich habe einen Bewerber vor mir sitzen, bei dem der Verdacht besteht, dass sein Lebenslauf übertrieben ist. Wie finde ich das heraus?

Navarro: Am besten stellen Sie Nachfragen und beobachten die Reaktion. Etwa: Wenn Sie schreiben, Sie haben 13 Jahre an der und der Klinik gearbeitet, waren das genau 13 Jahre oder weniger? Wenn die Frage sichtbares Unbehagen hervorruft, etwa das Berühren des Halses, zeigt mir das: Hier könnte etwas nicht stimmen.

SZ: Gibt es noch andere Methoden, um herauszufinden, ob jemand flunkert?

Navarro: Wenn Sie jemanden auffordern, etwas über sich zu erzählen, kann der alles Mögliche erzählen. Wenn Sie aber spezielle Fragen stellen, am besten solche, mit denen er nie gerechnet hat, dann lässt sich herausfinden, ob jemand etwas verbirgt oder sich verstellt. Die beste Taktik ist also, weitere Fragen zu stellen, etwa: Sie schreiben, Sie haben die Uni Heidelberg besucht. Wo haben Sie dort gewohnt, wie hieß die Straße? Wenn das Probleme verursacht, dann ist klar, dass etwas nicht stimmt. Besonders vor dem Hintergrund, dass bis zu einem Viertel aller Lebensläufe aufgebauscht sind.

SZ: Wie dringe ich zu einem Bewerber vor, der offensichtlich hochqualifiziert ist, aber sehr nervös?

Navarro: Zunächst mal sollte eine scheue Person sagen, dass sie nervös ist. Die meisten Arbeitgeber rechnen damit und haben Verständnis dafür, besonders wenn man offen damit umgeht. Es gibt eine ganz simple Möglichkeit, solche Leute aus der Reserve zu locken: sich nicht frontal gegenüberzusetzen, sondern seitlich. Wenn man in etwa in dieselbe Richtung schaut, ist das für beide angenehmer. Man gewinnt Raum, und mehr Raum beruhigt. Im Fernsehen laufen Polizeiverhöre immer so ab: Polizist und Verdächtiger sitzen sich frontal gegenüber am Tisch. So ist das aber nicht, so habe ich Leute nie befragt, so kriegt man nichts aus ihnen raus. Nur bei seitlicher Position kriegt man Leute dazu zu gestehen. Daher sollte man andere - egal ob Besucher, Bewerber oder Verdächtige - auch immer nahe bei einer Tür platzieren. Nur dort fühlen sie sich wohl, weil sie wissen: Es gibt einen Weg aus dieser Situation.

SZ: Personaler stellen gerne Fangfragen. Wie kann ich als Bewerber feststellen, ob eine Frage ernst gemeint ist?

Navarro: Die beste Strategie ist, über mögliche Fragen vorher nachzudenken, sie vorab zu beantworten und sich so auf das Auswahlgespräch vorzubereiten. Jede Sprechpause, jedes Hm, jedes Herumnesteln lässt einen unvorbereitet und damit unprofessionell erscheinen. Was immer funktioniert: lächeln, entspannen, freundlich sein. Personaler haben jedoch meist ein begrenztes Zeitbudget, sie werden nur Fragen stellen, die wertvoll sind.

Der Trick mit dem Blick

SZ: Welche Körperhaltung sollte man einnehmen, wenn man nach einer Gehaltserhöhung fragt?

Navarro: Interessiert erscheinen, indem man sich nach vorne beugt, aber nicht zu weit. Wichtig ist der Blick: Man kann den Chef dabei ansehen, sollte ihn oder sie aber nicht scannen. Und man sollte den Blick nicht zu aufdringlich durch das Chefzimmer schweifen lassen - das wirkt, als wolle man es möglichst schnell übernehmen. Mir haben schon oft Unternehmer gesagt, dass sie aus diesem Grund jemanden nicht eingestellt haben. Solche Leute, sagten sie, mögen Genies sein, aber sie kennen die Businessregeln nicht und passen daher nicht in ihr Unternehmen.

SZ: Wie haben Sie Ihre Erfahrungen vom FBI in die Businesswelt übertragen?

Navarro: Das war einfach, denn wir haben es immer mit dem menschlichem Gehirn zu tun. Kriminelle verhalten sich nonverbal genauso wie Nichtkriminelle. Menschen sind alle und überall gleich. Ein historisches Beispiel: Als die Konquistadoren in der Neuen Welt ankamen, sahen sie alles so, wie sie es von Königin Isabella in Spanien her kannten: Der König saß erhöht, war besser gekleidet, besaß eine Entourage, die Leute verneigten sich vor ihm. Dasselbe Bild später auf den Cook-Inseln im Pazifik - das identische Verhalten von Leuten, die nie zuvor miteinander zu tun hatten. Der Übergang zur Businesswelt ist also leicht.

SZ: Welcher Körperteil ist denn am ehrlichsten?

Navarro: Die Füße. Ein Lächeln kann man schnell vortäuschen, aber Füße sagen immer die Wahrheit, sie wollen einen zum Beispiel von einer unangenehmen Situation wegbringen. Beobachten Sie ein Kind, das jemanden küssen muss, aber das nicht will. Es zeigt den Widerwillen, indem es sich weit nach vorne beugt: Die Füße bleiben in der alten, sicheren Position zurück, scheuen sich vor der vermeintlichen Gefahr. Allerdings: Es gibt nicht das eine Verhalten, das eine Lüge verrät. Es gibt Anzeichen, aber die können ebenfalls täuschen. Wenn jemand behauptet, er kann Lügner sofort erkennen, dann lügt er selber. Selbst die besten FBI-Agenten haben nur eine 60-Prozent-Trefferquote.

SZ:Wir leben in digitalen Zeiten, ein Gutteil der Kommunikation läuft über soziale Medien ab. Was heißt das für unseren menschlichen Instinkt, andere zu deuten?

Navarro: Das ist ein riesiges Problem, wir laufen tatsächlich Gefahr, diese Fähigkeit zu verlieren. Ich beobachte, dass gerade junge FBI-Agenten nicht mehr wissen, wie sie sich länger als 20 Minuten mit jemandem unterhalten sollen, ein Zwölf-Stunden-Verhör ist für sie der Horror. Das andere Problem: Sie wissen nicht, wie sie andere für sich interessieren, sie wirken bei zwischenmenschlichen Kontakten roboterhaft, vielleicht weil sie zu viel simsen. Die besten Verhörer sind "people-people", Leute, die gerne mit anderen reden, die Spaßvögel sind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: