Süddeutsche Zeitung

Berufseinsteiger im Bewerbungsgespräch:"Und, welches Gehalt hatten Sie sich vorgestellt?"

Sie wolllen den Job, aber auch eine gerechte Bezahlung. Und mit beidem haben sie keine Erfahrung. Job-Einsteiger sollten Gehaltsverhandlungen gründlich vorbereiten, denn sie haben Personalern noch nicht sehr viel zu bieten. Überzeugen können sie trotzdem.

Christine Demmer

Pi mal Daumen nach einer Dreiviertelstunde ist die Sollbruchstelle im Vorstellungsgespräch erreicht. Was Bewerber oder Bewerberin können, ist klar, was sie im neuen Job tun sollen ebenfalls. Ein paar Sekunden lang herrscht Stille, und dann stellt der Personalchef die Mutter aller kniffligen Fragen: "Und was hatten Sie sich so an Gehalt vorgestellt?" Von der Antwort auf diese Frage kann alles Weitere abhängen. Wenn die gegenseitigen Erwartungen passen, darf gratuliert werden. Falls nicht, dümpelt der Termin nach schleppenden zehn Minuten in einem leicht verkrampft wirkenden Smalltalk aus: "Haben Sie vielen Dank für Ihren Besuch. Sie hören von uns."

Vielen Berufsanfängern graut es vor der Frage nach dem Gehaltswunsch. Denn sie ist tückisch. "Wenn man zu wenig fordert, signalisiert man mangelndes Selbstvertrauen und wird als unerfahren und schlecht informiert eingeschätzt", sagt Heike Friedrichsen vom Personal- und Karrieredienstleister Personalmarkt in Hamburg. Und wenn man zu viel verlangt? "Dann läuft man Gefahr, seine Chance auf eine bestimmte Stelle zu verspielen." Die Forderung müsse vor allem realistisch sein. "Wer außergewöhnlich viel Geld verdienen will, muss Außergewöhnliches bieten."

Friedrichsen hat ein Buch über "Die erfolgreiche Gehaltsverhandlung" geschrieben. Sie weiß: "Gehälter entstehen über Angebot und Nachfrage am Markt. Deshalb ist es ganz wichtig, sich vor der Verhandlung gründlich über das aktuelle Gehaltsniveau zu informieren." Das variiert nicht nur von Beruf zu Beruf, von Branche zu Branche und von Region zu Region, sondern hängt entscheidend von der Unternehmensgröße, von der zu besetzenden Position und von den Qualifikationen des Kandidaten ab.

Hinweise auf das marktgängige Einkommen geben die Branchenverbände und zahlreiche Online-Gehaltsvergleiche. Doch hier ist Vorsicht geboten: Nicht alle sind kostenlos, und nicht alle sind gleich aussagekräftig. Wer die Möglichkeit hat, Auskünfte bei Freunden oder ehemaligen Kommilitonen einzuholen, die beim in Frage kommenden Arbeitgeber angestellt sind, wird seine Erfolgsaussichten auf jeden Fall realistischer einordnen können.

Der Weg zum Wunschgehalt ist für Berufseinsteiger mit vielen Unsicherheiten gepflastert. Sie kennen weder die momentane Geschäftslage noch das Gehaltsgefüge im Unternehmen. Die Bewerber wissen nicht, ob das Unternehmen händeringend nach ihnen sucht und durchaus bereit wäre, Knappheitslöhne zu bezahlen. Und sie schätzen sich und ihre Qualifikationen mitunter ganz anders ein, als es ein Personalchef tun würde.

"Hochschulabsolventen können noch nicht so viel in die Waagschale werfen wie berufserfahrene Kollegen", sagt Verhandlungsexpertin Friedrichsen. "Deshalb sind die Bandbreiten der Gehälter auch nicht so groß wie bei einem späteren Jobwechsel."

Insofern solle man sich vorsichtig an sein Wunscheinkommen herantasten. "Immer eine Gehaltsspanne nennen, zum Beispiel 35.000 bis 45.000 Euro im Jahr", empfiehlt Friedrichsen, und dann den Arbeitgeber kommen lassen. Klar sei, dass man für sich selbst eine Untergrenze definiert haben sollte. Liegt das Angebot des Arbeitgebers am unteren Ende oder sogar darunter, könne man das Spektrum der Gehaltsnebenleistungen ins Spiel bringen. "Es ist durchaus üblich, danach zu fragen, welche Zusatzleistungen ein Unternehmen anbietet", sagt Friedrichsen. Prämien, also leistungs- und erfolgsbezogene Gehaltsbestandteile, Firmenwagen, Dienst-Handy, Zuschüsse zu den Fahrtkosten und zum Kantinenessen, betriebliche Altersvorsorge - die Liste der möglichen Nebenleistungen ist ziemlich lang.

Hierauf lässt sich ausweichen, wenn die Konjunktur im Sinkflug ist und die Unternehmen nach - und an - Kräften sparen. Ansonsten aber solle man sich von dem rituellen Hinweis auf die heute, spätestens morgen düstere Wirtschaftslage nicht den Wind aus den Segeln nehmen lassen, meint Martin Wehrle, selbständiger Berater in Hamburg. "Das Argument mit der Wirtschaftslage wird immer verwendet", winkt der Gehaltscoach ab. "Stecken wir gerade in einer Krise, dann ist gehaltlich natürlich nicht viel drin. Haben wir Hochkonjunktur, dann dämmert schon die nächste Krise am Horizont." Und befinde sich die Wirtschaft soeben im Übergang von A nach B, dann werde eben die unsichere Zukunft hervorgehoben.

Klug sei es deshalb, nur mit dem eigenen Leistungsversprechen zu argumentieren. "Bewerber sollten alles daran setzen, ihren Marktwert für das Unternehmen in Erfahrung zu bringen", rät Wehrle. Hat man zum Beispiel gerade eine Masterarbeit über ein Thema geschrieben, das für diese Firma hoch relevant ist? Hat man mehr, längere, anspruchsvollere Praktika absolviert? Verfügt man über Zusatzqualifikationen, nach dem sich der Arbeitgeber nach Lage der Dinge alle Finger lecken müsste? "Wenn das der Fall ist, kann man mehr fordern, als im Schnitt bezahlt wird", sagt Wehrle, selbst in der Krise: "Es ist ja nicht so, dass Unternehmen in schwierigen Zeiten zweitklassige Leute brauchen. Wenn ich überdurchschnittlich gut bin, kann ich auch überdurchschnittlich viel verlangen."

Um ihrem Gegenüber eine Ahnung davon zu geben, was in ihnen steckt, sollten Bewerber durchaus schon im Vorstellungsgespräch ihre Ideen präsentieren. "Wie könnte die Firma ihre Geschäftsfelder ausweiten?", regt Wehrle an, "wie kann sie ihren Anteil in bestimmten Märkten erhöhen? Wo ließen sich Kosten sparen? Es kommt immer gut an, wenn Bewerber Denkanstöße mitbringen und zeigen, dass sie initiativ sind. Das darf natürlich nicht besserwisserisch klingen. Aber als Idee, als Vorschlag - wunderbar."

Klar, dass der Tipp nicht nur für Berufseinsteiger bares Geld wert ist. Auch wer schon jahrelang im Geschäft ist, kann auf diese Weise noch etwas herausschlagen. Eines dürften die Mitarbeiter aber nie vergessen: "Geld ist nicht alles", warnt Heike Friedrichsen, "genauso wichtig sind die Entwicklungsperspektiven, die das Unternehmen dem Mitarbeiter bietet."

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SZ vom 20.08.2011/holz
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