Bewerbungsfehler:"Im Jogginganzug fühle ich mich wohler"

Keine Eigelbflecken auf dem Anschreiben, ein guter Anzug und Höflichkeit - leider keine Selbstverständlichkeit. Wie Bewerber Chefs zur Verzweiflung bringen.

Julia Bönisch

Bloß nicht gewöhnlich sein! Auffallen um jeden Preis! Aus der Masse herausstechen! So lautet das gängige Credo der Karriereratgeber. Schließlich soll der Bewerber in der Masse herausstechen und der Personalabteilung auffallen. Wer normal und langweilig ist, hat bei der Jobsuche angeblich nur schlechte Chancen.

Diese Ratschläge nehmen manche Bewerber leider allzu ernst - und schießen übers Ziel hinaus, wie eine Umfrage unter Führungskräften und Personalentwicklern offenbarte. Darin berichteten Manager von einem Bewerber, der zum Vorstellungsgespräch seine Mutter zum Händchenhalten mitbrachte.

Allergische Reaktion auf Serienbriefe

Ein anderer Kandidat zündete sich ohne zu fragen eine Zigarette an. Ein dritter sorgte für einen garantiert unvergesslichen Auftritt, als er auf die Erläuterung des gängigen Dresscodes im Unternehmen antwortete: "Ach wissen Sie, im Jogginganzug fühle ich mich wohler."

Doch auch mit deutlich weniger originellen Patzern gelingt es Bewerbern, sich ins Abseits zu stellen und ihre Chancen auf den Traumjob zu vermasseln. So reagiert jeder Personaler allergisch auf Serienbriefe und Massenanschreiben.

"Das ist ein Zeichen für Nachlässigkeit und mangelnde Wertschätzung", bestätigt Alfred Quenzler, Leiter Personalmarketing bei Audi. Des Öfteren hat er Mappen auf dem Tisch, denen ein Anschreiben beiliegt, das eigentlich an BMW oder Opel gerichtet ist. "So etwas sortieren wir gleich aus."

Bei Rechtschreibfehlern, ebenfalls eine sehr beliebte Fehlerquelle, ist Quenzler jedoch nicht ganz so streng. "Ein Flüchtigkeitsfehler kann schon mal passieren." Wenn eine Bewerbung allerdings vor Verschreibern strotze, werde es eng für den Kandidaten.

"superbiene3@yahoo.com"

"Audi ist ein addraktiver Arbeitgeber" - der Autor dieser Zeilen, offensichtlich ein fränkischer Bewerber, hatte zum Beispiel keine Aussicht auf Erfolg. Und das nicht nur wegen der lautmalerischen Schreibweise: "Wir bekommen etwa 66.000 Bewerbungen pro Jahr", erklärt Quenzler. "Was wir wirklich nicht mehr sehen können, sind solche Floskeln."

Sein Rat an alle Jobsuchenden: sich nicht zu sehr an der Ratgeberliteratur orientieren - sonst klingen alle Kandidaten gleich und austauschbar. Das Anschreiben müsse transportieren, dass sich ein Bewerber wirklich für das Unternehmen interessiere und sich schon mit ihm beschäftigt habe.

Doch auch mit einer makellosen Mappe hat ein Bewerber noch lange keine Garantie auf seinen Traumjob. Wer das perfekte Anschreiben inklusive tollem Foto und gelungenen Arbeitsproben von der E-Mail-Adresse "fussballgott@web.de" oder "superbiene3@yahoo.com" absendet, für den endet die Karriere schon, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Auf der nächsten Seite: Warum Bewerber auch in kreativen Branchen großen Wert auf Formalitäten legen sollten und auch dort weniger Kreativität manchmal mehr ist.

"Im Jogginganzug fühle ich mich wohler"

Verzicht auf Floskeln

Wer nun glaubt, in kreativen Branchen werde auf solche Formalitäten nicht so viel Wert gelegt, irrt. "Selbstverständlich wollen wir keine schlampigen Bewerbungen", bestätigt Inka Wittmann, Personalleiterin bei der Werbeagentur Jung von Matt.

Ein Bewerber, der sein Anschreiben mit der Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren" beginnt, ist bei ihr ebenfalls unten durch. Man müsse sich schon die Mühe machen, im Internet die richtigen Ansprechpartner zu recherchieren. "So viel Zeit muss sein."

Einen ebenso schlechten Eindruck hinterlassen Kandidaten, deren Anschreiben vor Floskeln wie "Frischfleisch" oder "frisches Blut" strotzen. "Solche ausgetretenen Pfade sollten Bewerber vermeiden."

Nicht zu viel Schnickschnack

Die richtige Mischung aus Kreativität und Seriosität zu finden, fällt den Kandidaten jedoch nicht immer leicht - und so manche gute Idee erweist sich nach der Umsetzung schnell als nicht praktikabel.

So erhielt Wittmann von einer Bewerberin aus Frankfurt einmal ein Paket "Handkäs mit Musik", also echten Sauermilchkäse. Leider traf das Paket am Gründonnerstag ein, so dass es fünf Tage ungeöffnet in ihrem Büro lag. Als sie nach Ostern an ihren Schreibtisch kam, stank ihr Büro bestialisch. "Das Beispiel zeigt: Kandidaten sollten nicht zu viel Schnickschnack betreiben. Eine Bewerbung muss leicht, kompakt, schnell zu öffnen und schnell zu erfassen sein. Und am Ende zählen für uns die Arbeitsproben."

Hat ein Bewerber dank guter Unterlagen die erste Hürde genommen und darf sich persönlich beim Unternehmen vorstellen, sollte er selbstverständlich die Etikette beachten: pünktlich und höflich sein, sich an den Dresscode der Firma halten und das Handy ausschalten.

Auf der nächsten Seite: Welche Fragen Bewerber im Vorstellungsgespräch auf keinen Fall stellen sollten - und warum Schach nicht immer ein gutes Hobby ist.

"Im Jogginganzug fühle ich mich wohler"

Nicht gleich nach dem Urlaub fragen

Sowohl Alfred Quenzler von Audi als auch Inka Wittmann betonen, wie wichtig eine gute Vorbereitung auf das Gespräch ist. Die Kandidaten sollten wissen, welche Position ihre Gesprächspartner im Unternehmen bekleiden und sich bereits im Vorhinein ein paar Fragen zum Job und zur Firma überlegen.

"Die Bewerber sind oft zu passiv", erklärt Wittmann. "Das Gespräch sollte keine Einbahnkommunikation sein - wir freuen uns, wenn die Kandidaten den Mund aufmachen." Wer aber mit der Tür ins Haus fällt und sich als Erstes nach Gehalt und Anzahl der Urlaubstage erkundigt, katapultiert sich selbst aus dem Rennen.

"Nur wer übertreibt, erzählt anschaulich" - beiden Personalverantwortlichen sind schon Bewerber begegnet, die diesen Leitsatz allzu wörtlich genommen haben. So berichtet Quenzler von Bewerbern, die begeistert von ihrem Hobby Schach berichteten, um auf ihre tollen Analysefähigkeiten hinzuweisen.

Nicht zu dick auftragen

"Aber bei genauerem Nachfragen stellte sich heraus, dass der Kandidat noch nicht mal wusste, wo Turm und Springer überhaupt stehen." Er empfiehlt, sich nicht besser zu verkaufen als man ist - früher oder später fliege ein Bewerber ohnehin auf.

Um aufzufallen, müssen Bewerber also gar nicht eine ungewöhnliche Mappe einsenden und möglichst spritzig im Gespräch sein. Meist genügt schon ein fehlerfreies Anschreiben, gute Arbeitsproben und ein freundliches, gewinnendes Auftreten im Bewerbungsgespräch.

Der Artikel erscheint in "Uni & Job", einer Sonderbeilage der Süddeutschen Zeitung. Das Hochschulmagazin liegt der morgigen Ausgabe bei.

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