Süddeutsche Zeitung

Bewerbung:Wie bewerbe ich mich als Transgender?

Arielle K. ist auf Jobsuche. Privat lebt sie als Frau, vorgestellt hat sie sich aber bisher als Mann.

SZ-Leserin Arielle K. fragt:

Ich bin ein junger Transgender (MzF, also Mann zu Frau) und auf Jobsuche im Bereich Projektmanagement. Bisher habe ich mich immer als Mann beworben, privat lebe ich aber schon als Frau. Ich hatte eigentlich vor, erst im Vorstellungsgespräch zu erklären, dass ich Transgender bin. Oder vielleicht gleich im Kleid hinzugehen und mein Gegenüber so zu konfrontieren. Jetzt bin ich aber nicht mehr sicher, ob dies die richtige Herangehensweise ist. Sollte ich offensiver mit meiner Situation umgehen - auch wenn es dann schwerer werden könnte, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau K., aus dieser Zwickmühle heraus führt nur ein von jeglichem Wunschdenken unverstellter Realismus. Denn das ist die Wirklichkeit: Ein Personalchef oder Fachvorgesetzter, der mit Geschlechterrollen - egal, mit welcher! - ein ernsthaftes Problem hat, wird nur unter schwersten Bedenken jemanden einstellen, der dem Augenschein nach einer solchen Rolle entspricht.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und Schweden. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin.

Wer also beispielsweise mit Frauen ein grundsätzliches Problem hat, wird keine Frauen einstellen. Es sei denn, er wird von höherer Stelle angewiesen. Darauf allerdings können Sie nur hinarbeiten, wenn Sie in Chefkreisen zu Hause sind und einen Bombenruf im Projektmanagement genießen. (Bonustipp: Verschaffen Sie sich einen Bombenruf im Projektmanagement!)

Für die Betroffenen ist es bitter und für die Gesellschaft zum Schwarzärgern, wenn man sieht, wie oft selbst supertolle Qualifikationen von abwehrenden Bauchgefühlen der Entscheider zu Mittelmaß rationalisiert werden. Gegen Vorurteile zu argumentieren, ist anstrengend und zerbröselt auf Dauer das stärkste Selbstbewusstsein. Natürlich werden Sie mehr Einladungen bekommen, wenn Sie sich als Mann bewerben und im Anzug antreten. Aber das sind dann nicht Sie. Man wird spüren, dass Sie sich wie im falschen Film fühlen, dass Ihnen Echtheit fehlt.

Erhalten Sie sich Ihre Selbstsicherheit als Projektexperte und als Transfrau. Bewerben Sie sich offensiv als Frau und erklären Sie im Anschreiben zu Ihrer Bewerbung in einem Satz, warum manche Zeugnisse und Zertifikate auf Ihren früheren männlichen Namen lauten, etwa: "Ich lebe seit Längerem in der von mir als weniger belastend wahrgenommenen Rolle als Frau."

Nicht im Anschreiben, aber im Vorstellungsgespräch können Sie zudem auf das Thema Diversity zu sprechen kommen. Finden Sie vorher heraus, was das Unternehmen dazu zu sagen hat oder zu leben vorgibt. Wenn es mit seiner Vorurteilslosigkeit prahlt, dann geben Sie ihm mit Ihrem Freimut Gelegenheit, das unter Beweis zu stellen.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2016/mkoh
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