Job und Bewerbung:Was Persönlichkeitstests verraten

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Die Persönlichkeit zählt, nicht nur im Leben, sondern auch im Job. (Foto: imago/Westend61)

Wenn Personalchefs neue Mitarbeiter suchen, kommen oft Fragebögen zum Einsatz. Welche Arten von Tests es gibt, welche sinnvoll sind und warum es nicht schlimm ist, absichtlich falsche Antworten zu geben.

Von Nicole Grün

Extravertierte Menschen haben oft Chef-Ambitionen und sind zufriedener und erfolgreicher im Job als andere. Gewissenhafte Menschen zeigen eine hohe Arbeitsleistung, und ängstliche sind besonders stressanfällig. Was wie Küchenpsychologie klingt, ist wissenschaftlich erwiesen: Die Persönlichkeit zählt, nicht nur im Leben, sondern auch im Job.

Kein Wunder, dass Personalverantwortliche nicht nur auf Noten und Qualifikation schielen, sondern vor allem die persönlichen Eigenschaften eines Bewerbers ergründen möchten. Schließlich soll es passen: der Bewerber zum Unternehmen und auf die Stelle und die Stelle zum Bewerber. Denn ein Fehlgriff bei der Besetzung einer Position ist teuer. Wer seinen Job nicht gerne macht, ist weniger produktiv und kündigt vielleicht, wodurch die kostspielige Suche nach einem geeigneten Mitarbeiter von vorne beginnt. Doch wie findet man heraus, ob es passt?

Wie und wer wir sind, steht uns nicht auf der Stirn geschrieben und zeigt sich nicht unbedingt schon im Bewerbungsgespräch, sondern erst nach und nach in unserem Verhalten. Bewerber sehen sich deshalb immer wieder mit Persönlichkeitstests konfrontiert. Darin sollen sie Multiple-Choice-Fragen beantworten wie etwa: "Wenn etwas neu ist, gehören Sie gewöhnlich zu den Ersten, die es ausprobieren?"

Oder sie sollen auf Skalen ankreuzen, inwieweit verschiedene Aussagen auf sie zutreffen. Beispiele: "Mit meinen Entscheidungen jemandem wehzutun, fällt mir schwer" oder "Kollegen mögen mich wegen meiner kontaktfreudigen Art". Die Antworten erlauben Personalern Rückschlüsse auf erwünschte Eigenschaften wie Belastbarkeit oder Gewissenhaftigkeit und weniger erwünschte wie psychische Labilität.

Wasser, Feuer, Erde und Luft - vier Menschentypen

Martin Kersting ist Professor für Psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Persönlichkeitstests. Er sieht in ihnen mehrere Vorteile. "In einem Jobinterview haben Sie nur einen oder wenige Kandidaten, es fehlt der Vergleich mit anderen", sagt Kersting. Die Antworten aus den Persönlichkeitsfragebogen aber lassen sich mit denen anderer Bewerber vergleichen. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, nach Nasenfaktor zu entscheiden.

Außerdem seien Persönlichkeitstests weniger aufwendig als Assessment-Center oder Jobinterviews und daher sehr ökonomisch. Man kann sich ohne Weiteres online vom heimischen Schreibtisch aus durch die Fragen klicken. Ein weiterer Vorteil ergibt sich laut Kersting aus der Multimethodalität, also daraus, im Bewerbungsprozess mehrere Verfahren zur Beurteilung der Kandidaten einzusetzen. "Es gibt Menschen, die sich auf ein Bewerbungsgespräch freuen. Andere haben Angst davor und kommen mit einem Fragebogen besser zurecht", sagt der Psychologe. "Jede Methode hat ihre Stärken und Schwächen, daher kann eine gezielte Kombination von Verfahren Vorzüge erzielen."

Die Idee der vier Temperamente - Phlegmatiker, Sanguiniker, Melancholiker und Choleriker - geht auf die Vier-Elemente-Lehre der Griechen zurück. (Foto: imago stock/Imago/United Archives Internatio)

Allerdings gibt es beim Einsatz von Persönlichkeitstests auch mehrere Probleme. Das wohl größte: "Die Qualitätsunterschiede der Verfahren sind enorm groß. Es gibt Persönlichkeitsfragebogen, die sollten Sie niemals einsetzen", warnt Kersting. Besonders Typentests wie der vor allem im angloamerikanischen Raum beliebte Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) oder die bei uns weit verbreiteten DISG-Modelle, deren Name sich aus den Anfangsbuchstaben der vier Grundtypen Dominanz, Initiative, Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit ergibt, erfüllen die wissenschaftlichen Anforderungen nicht.

Die Idee hinter der Einteilung in verschiedene Persönlichkeitstypen ist alt: Griechische Philosophen gingen etwa davon aus, dass Menschen unterschiedlich stark von den Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft geprägt sind. Auch die Unterteilung in Choleriker, Melancholiker, Sanguiniker oder Phlegmatiker hat ihren Ursprung in der Antike. Vor knapp hundert Jahren nahm sich der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung des Themas an und entwickelte eine Typenlehre, die davon ausgeht, dass Menschen in den Dimensionen Denken, Fühlen, Intuition und Empfinden entweder extravertiert sind und ihr Verhalten auf die äußere, objektive Welt ausrichten, oder eben introvertiert und sich auf ihre innere, subjektive Welt konzentrieren.

Mit Fragebögen erfasst man nur das Selbstbild

Persönlichkeitstests wie der MBTI oder der Golden Profiler of Personality (GPOP) basieren auf den Erkenntnissen von Jung, sind aber wie dessen Thesen nicht empirisch untermauert. "Bei Typentests versucht man, die Menschen in Schubladen zu stecken: Es gibt den Introvertierten, die Denkerin, den Intuitiven", sagt Kersting. "Das ist natürlich total sexy, deshalb machen das alle. Nur stimmt das Testergebnis häufig nicht, weil der Mensch komplexer ist."

Genau diese Komplexität lasse sich besser mit Strukturtests abbilden, die nicht Prototypen, sondern Eigenschaften in den Mittelpunkt stellen. Um die häufigsten Eigenschaften zu finden, nahmen sich Wissenschaftler alle Adjektive vor, die das Wesen des Menschen beschreiben. Sie fassten diejenigen mit ähnlicher Bedeutung so lange zusammen, bis nur noch fünf Eigenschaften übrig blieben: Offenheit, Gewissenhaftigkeit (diszipliniert, leistungsbereit), Extraversion (gesellig, herzlich, aktiv), Verträglichkeit (gutherzig, selbstlos) und Neurotizismus (ängstlich, reizbar, labil).

Deshalb heißen Persönlichkeitsfragebogen, die auf diesen Eigenschaften beruhen, Big-Five- oder Fünf-Faktoren-Modelle. "Sie können auf jeder dieser Dimensionen unabhängig voneinander hoch oder niedrig scoren. Dadurch kommt man zu differenzierteren Ergebnissen", sagt Psychologieprofessor Kersting. Der Vorteil dieser Modelle ist also, dass sie eine Person nicht auf einen Typ reduzieren.

Wichtig bei allen Verfahren ist immer, dass es einen Bezug zum Anforderungsprofil der Stelle gibt: "Wenn ich jemanden suche, der besonders gewissenhaft ist, ist es natürlich idiotisch, einen Fragebogen einzusetzen, der die Extraversion misst, auch wenn es ein guter Fragebogen ist." Allerdings schränkt der Psychologe ein: "Mit Fragebogen erfasst man nur das Selbstbild der befragten Person oder das Bild, dass diese Person von sich vermitteln möchte. Das muss nicht mit dem Bild übereinstimmen, das andere von ihr haben. Anders ausgedrückt: Wenn im Rahmen der Personalauswahl ein Fragebogen zur Gewissenhaftigkeit eingesetzt wird, gibt das Ergebnis des Fragebogens nicht unbedingt die Gewissenhaftigkeit des Bewerbers wieder."

Tests sind durchschaubar und damit auch verfälschbar

Das hängt mit einem anderen Problem der Tests zusammen: Sie sind meistens durchschaubar und damit auch verfälschbar. Studien weisen immer wieder darauf hin, dass Menschen in solchen Fragebogen ihre positiven Eigenschaften betonen und negative unterschlagen - vor allem, wenn sie sich um eine Stelle bewerben. Sind sie schon angestellt, stellen sie sich realistischer dar.

Um einen Test zu verfälschen, muss man jedoch erst einmal antizipieren können, was erwünscht ist. Psychologen nennen die Fähigkeit, Bewertungskriterien korrekt zu identifizieren, "ability to identify criteria" (ATIC). "Diese Fähigkeit ist auch im wirklichen Leben gefragt, etwa im Kundenkontakt", erklärt Kersting. Hemdsärmelige Kunden schätzen es vielleicht, wenn man ihnen zur Begrüßung auf die Schulter klopft, während man bei anderen akademisch daherreden müsse, um erfolgreich zu sein. "So gesehen ist es nicht schlimm, dass die Tests verfälschbar sind, weil die Fähigkeit, sich zu verstellen, beruflich relevant ist. Das ist abgründig, aber spannend."

Tatsächlich lässt erfolgreiches "Faking" auf eine hohe kognitive Leistungsfähigkeit schließen - das haben Psychologen der Universität Ulm und der University of Missouri herausgefunden. "Die Fragebogen geben uns einen Eindruck davon, welches Bild die Kandidaten uns vermitteln möchten. Das ist mindestens so interessant wie das tatsächliche Selbstbild", sagt Kersting, der Persönlichkeitsfragebogen gerne als Grundlage für ein Interview nimmt. "Wenn Frau Müller im Test angegeben hat, total extravertiert zu sein, ich ihr aber jedes Wort aus der Nase ziehen muss, klafft da ein Delta, auf das ich sie ansprechen kann. Der Fragebogen generiert also Hypothesen, die ich mit einem anderen Verfahren prüfen kann."

Viele setzen die Fragebogen aber nicht so ein, und vor allem setzen sie die schlechten Tests ein, bemerkt der Psychologe, der eine Din-Norm für berufsbezogene Eignungsdiagnostik mitentwickelt hat. Die Qualität der Personalauswahl beruht demnach auf drei Säulen: der Qualität der Verfahren und des Gesamtprozesses sowie der Qualifikation der verantwortlichen Personen.

Bald werten Algorithmen unsere Persönlichkeit aus

Gerade um Letzteres ist es bei der Diagnostik mit Persönlichkeitsfragebogen nicht immer gut bestellt: Die Qualifikation der Verantwortlichen erschöpft sich oft in zweitägigen Schulungen, die häufig noch dazu reine Produktschulungen sind, hat Kersting in einer Analyse festgestellt. Auch die Multimethodalität, also der Einsatz verschiedener Methoden wie Persönlichkeitsfragebogen, Interview und Rollenspiel, hat ihre Tücken: "Die schöne Idee, dass die Summe mehr ist als die Teile, funktioniert in der Praxis häufig nicht, weil die Recruiter oft an der sinnvollen Integration der Daten scheitern."

Das sind Probleme, die es möglicherweise nicht mehr lange geben wird: Sogenannten Psychoinformatikern gelingt es jetzt schon, aus den Daten, die unser Smartphone täglich über uns sammelt und die wir im Internet hinterlassen, auf unsere Persönlichkeit zu schließen. Der britische Persönlichkeitsforscher Samuel Gosling schloss unlängst in einer Studie aus den Bluetooth- und GPS-Daten ihrer Smartphones auf den Hang zu Geselligkeit von Studenten.

In Zukunft könnten es Algorithmen sein, die unsere Persönlichkeit auswerten. Statt Fragebogen auszufüllen, lädt man sich dann vielleicht eine Personality-App aufs Handy, die dem potenziellen neuen Arbeitgeber auf Knopfdruck alles über uns verrät. Da stellt man sich wahrscheinlich lieber der Qual der Wahl, ob man bei Fragen wie "Ich halte meine Sachen immer ordentlich und sauber" das Kreuz bei "Ich stimme voll zu" oder "Ich stimme teilweise zu" machen soll.

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