Süddeutsche Zeitung

Bewerbung:Lebenslauf: Es klappt auch anonym

Seit sechs Monaten sind Bewerbungen in ausgewählten deutschen Unternehmen nur noch mit anonymem Lebenslauf möglich. Mit der ersten Zwischenbilanz ist die Antidiskriminierungsstelle zufrieden. Ihrem Ziel komme sie mit dem anonymen Verfahren näher.

Es geht auch ohne Nachnamen und Alter: Mehr als 4000 Ausbildungs- und Jobsuchende haben sich in den vergangenen sechs Monaten anonym um eine Stelle beworben, bei 111 von ihnen hat es geklappt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zog am Donnerstag eine positive Zwischenbilanz ihres Pilotprojekts für Bewerbungsverfahren, in denen persönliche Angaben zunächst anonymisiert werden.

Sowohl die fünf teilnehmenden Unternehmen und drei öffentlichen Arbeitgeber als auch die Bewerber selbst hätten "ermutigende" Rückmeldungen abgegeben, erklärte ADS-Leiterin Christine Lüders.

Das Projekt startete im November und läuft bis März 2012. Die Arbeitgeber verzichteten bei den Bewerbungen auf Fotos sowie Angaben wie den Namen, das Alter, das Geschlecht, die Herkunft oder den Familienstand. Einige setzten dabei auf Onlinebewerbungen, andere auf Formulare per E-Mail oder Post und wiederum andere ließen Bewerbungen erst nachträglich anonymisieren. Erst bei einer Entscheidung für einen Bewerber wurden die persönlichen Details bekannt gemacht.

An der Initiative beteiligen sich die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, L'Oréal, der Geschenke-Vermittler Mydays, Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Arbeitsagentur Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle.

Die Personalverantwortlichen dieser Arbeitgeber hätten positive Rückmeldungen gegeben, erklärte Lüders. Die Befürchtungen in Teilen der Wirtschaft, das Verfahren sei enorm aufwändig und praktisch nicht umsetzbar, hätten sich als unbegründet erwiesen.

Die ADS will mit dem Projekt herausfinden, ob es bisher oft benachteiligte Gruppen wie Menschen mit Migrationshintergrund, Ältere und Frauen mit Kindern tatsächlich öfter in Vorstellungsgespräche und in Jobs schaffen als bisher. "Wir wollen Menschen eine erste Chance geben, die diese erste Chance sonst vielleicht nicht bekommen haben", sagte ADS-Leiterin Lüders im ZDF-Morgenmagazin.

Anonymisierte Bewerbungen seien auch eine Gewohnheitssache. Die Menschen in Deutschland würden in ihren Bewerbungen viel mehr preisgeben als in anderen Ländern, etwa ihre Hobbys oder Angaben zu Vater und Mutter, kritisierte Lüders. Im Mittelpunkt müsse aber die Qualifikation stehen.

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