Bewerbung der Zukunft:Lebenslauf ade

Seit Generationen machen wir uns Gedanken über die perfekten Bewerbungsunterlagen und den lückenlosen Lebenslauf. Zeit zum Umdenken: Die Bewerbung der Zukunft wird anders aussehen.

Maria Holzmüller

Seit Generationen geben wir uns größte Mühe, unser Leben schönstmöglich zu formulieren, ansehnlich zu formatieren und knick- und kaffeefleckenfrei in eine schöne Mappe zu verpacken - um damit vielleicht den Job unserer Träume zu bekommen. Die Bewerbungsmappe macht Hoffnung und Angst zugleich. Erfüllt sie alle Kriterien, wirke ich auf dem Foto auch sympathisch? Werden die positiven Eigenschaften ausreichend hervorgehoben und liegen die Arbeitszeugnisse an der richtigen Stelle?

Bewerbung der Zukunft: Zum Traumjob kommt man künftig nicht mehr mit einer konventionellen Bewerbungsmappe.

Zum Traumjob kommt man künftig nicht mehr mit einer konventionellen Bewerbungsmappe.

(Foto: Foto: iStock)

Fragen, die jeden Bewerber immer wieder von neuem quälen. Schon bald könnten diese Sorgen jedoch der Vergangenheit angehören: Die Bewerbungsmappe wie wir sie heute kennen, wird es morgen nicht mehr geben. Das zumindest sagen führende Karriereberater und Recruiting-Experten.

Dass sich die Bewerbung in ihrer Form verändert, ist nichts Neues. Schon seit geraumer Zeit verliert die klassische Bewerbungsmappe an Bedeutung, immer mehr Unternehmen akzeptieren nur noch Online-Bewerbungen. Unterlagen auf dem Postweg nehmen sie nicht mehr an.

So auch der Münchner Siemens-Konzern. Auf der Webseite des Unternehmens finden Bewerber einen Fragebogen, den sie in einem vorgefertigten Formular ausfüllen müssen. Der Personalabteilung kommt es jedoch trotzdem auf die individuelle Gestaltung der Unterlagen an. "Das Anschreiben und den Lebenslauf gestalten die Bewerber noch immer frei. Das macht das Gesicht der Bewerbung aus", sagt Peter Scharff, Leiter des Recruitings im Siemens Energy-Sektor.

Papier fällt weg

Die Sorgen um die richtige Formulierung im Anschreiben und das passende Foto im Lebenlsauf bleiben also die gleichen - nur das Papier fällt weg. Dass es in der Zukunft nicht bei rein formalen Änderungen bleiben wird, davon ist Karriereberaterin und Buchautorin Svenja Hofert aus Hamburg überzeugt. "Auch inhaltlich wird sich die Bewerbung verändern", sagt sie. "Der deutsche tabellarische Lebenslauf wird verschwinden und dem angelsächsischen Modell Platz machen."

Reihenfolge und Lückenlosigkeit verlieren dann an Bedeutung. "Der Lebenslauf wird erfolgsorientierter werden", sagt Hofert. Zudem würden eine Reihe persönlicher Daten aus den Unterlagen verschwinden: "Geburtsdatum, Familienstand oder Foto gibt es in amerikanischen Lebensläufen schon gar nicht mehr. Das wird auch bei uns so kommen."

Leben in Blöcken

Zumindest die Sorge um Lücken im Lebenslauf würde damit wegfallen. Was zählt, sind dann die wesentlichen Stationen im Berufsleben, in übersichtlichen Blöcken zusammengefasst. Ziehen Bewerber im Moment noch Arbeitszeugnisse heran, um ihre Leistungen zu dokumentieren, wird das früher oder später der Personaler selbst erledigen, sagt Online-Recruiting-Experte und Geschäftsführer der Personensuchmaschine Yasni, Steffen Rühl. "In zehn Jahren gibt es keine klassische Personal-Bewerbung mehr", prognostiziert er.

"Ehrliche Bewerber werden profitieren"

Personaler werden sich seiner Meinung nach schon bald selbst die Informationen suchen, die sie über einzelne Bewerber brauchen - im Internet. "Warum sollten sie sich auf geschönte Angaben im Lebenslauf verlassen, wenn sie wesentlich authentischere Informationen im Netz finden", sagt Rühl. Dabei vertraut er nicht allein auf soziale Netzwerke - die ja durchaus ebenfalls Falschinformationen enthalten können. "Jeder von uns wird ein elektronisches Profil haben, das er pflegen muss."

Arbeitszeugnisse haben keinen Platz mehr

Arbeitszeugnisse werden seiner Meinung nach dort keinen Platz mehr finden. "Im Grunde spielen Arbeitszeugnisse doch jetzt schon keine Rolle mehr - negative Beurteilungen werden in schöne Worte verkleidet. Das ist absurd", sagt Rühl. An ihre Stelle rücken Referenzen. "Im Profil werden Ansprechpartner aus vorherigen Beschäftigungen genannt, die der interessierte Personaler dann kontaktieren kann." Ob alle wichtigen Informationen im Profil enthalten sind, werde vor allem an den Bewerbern liegen, die es pflegen. Ego-Marketing ist gefragt. "Ehrliche Bewerber werden von dieser Entwicklung profitieren, sie werden keine Schwierigkeiten haben, Referenzen vorzuweisen", sagt Rühl

Keine Zeit zum Schnüffeln

Die Personaler jedenfalls sollen alle wichtigen Informationen gebündelt präsentiert bekommen, nicht mehr nach vereinzelten Informationen im Netz suchen müssen, meint Rühl. Das ist den meisten bislang zu aufwendig. Eine Studie der Beratungsfirma Ifok ergab vor kurzem, dass Personalverantwortliche Social Media weit weniger nutzen, als oftmals vermutet. Meist aus Zeitgründen. 200.000 Bewerbungen gehen bei Siemens jedes Jahr ein, 45.000 davon allein im Energy-Sektor. "Da haben wir gar nicht die Zeit, Informationen zu den Bewerbern aus dem Netz zu ziehen. Falls jemand in seinen Unterlagen auf die eigene Webseite hinweist, werfen wir da aber schon mal einen Blick drauf", sagt Scharff.

Das Netz spielt auch für Siemens eine immer wichtigere Rolle beim Recruiting neuer Mitarbeiter. "Wir sind in Netzwerken wie Xing oder LinkedIn vertreten und dort auch aktiv. Zum einen können uns potentielle Bewerber im Netzwerk kontaktieren, zum anderen schreiben wir Leute an, an deren Bewerbung wir interessiert sind", sagt Scharff.

Wer sucht, der findet

Ein Trend, den Karriereberaterin Hofer auch für die Zukunft voraussagt: "Immer mehr Firmen werden bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern selbst aktiv werden und in Netzwerken nach geeigneten Kandidaten suchen", sagt sie.

Aber auch wenn Siemens-Recruiter Scharff das Potential von sozialen Netzwerken durchaus anerkennt, einen Ersatz für die konventionelle Bewerbung sieht er in ihnen nicht - und sorgt für Erleichterung bei all jenen, die an der traditionellen Bewerbung hängen: "Wir werden auch weiterhin Wert auf einen individuellen Lebenslauf legen."

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