Süddeutsche Zeitung

Bewerbung: Absage:"Ihre Unterlagen führen wir der Vernichtung zu"

Bewerbungen sind harte Arbeit. Ärgerlich, wenn Kandidaten nichtssagende Standardantworten bekommen, das Schreiben vor Ironie trieft - oder gar unverschämt ist.

J. Bönisch

Recherche auf der Internetseite des Unternehmens, Lebenslauf aktualisieren, stundenlang am Anschreiben herumtüfteln - Bewerber stecken häufig mehrere Tage Arbeit in ihre Bewerbungsmappe, um Personalentscheidern zu signalisieren: "Ich bin derjenige, den ihr unbedingt haben müsst!"

Um so deprimierender, wenn ein Kandidat entweder überhaupt keine Rückmeldung erhält - oder aber eine Absage mit einer nichtssagenden Standardformulierung. "Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen ...", "Wir bedauern außerordentlich ... ", "... haben uns nach reiflicher Überlegung für einen anderen Kandidaten entschieden ..."

Wer ist eigentlich "wir"?

Spätestens nach dem fünften Schreiben dieser Art sind Bewerber extrem demotiviert und nehmen den Unternehmen ihr Bedauern nicht mehr ab. Es tut ihnen leid? Ja, wo denn? Und wer ist eigentlich "wir"?

Absagen schmerzen, fast jeder nimmt sie persönlich und kann nicht besonders gut mit ihnen umgehen. Ein "Bitte lassen Sie sich von dieser Absage nicht entmutigen, doch wir haben uns für einen anderen Kandidaten entschieden"-Schreiben wirkt ungefähr so, als hätte man jemandem seine Zuneigung gestanden - der daraufhin antwortet: "Du bist ja auch ein Netter. Es tut mir leid, dass ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe, aber aus uns wird einfach nichts."

Doch Unternehmen sollten dafür sorgen, dass sich der Frust der abgelehnten Bewerber in Grenzen hält. "Schließlich ist jeder Bewerber ein potentieller Kunde, den man nicht verlieren sollte", bestätigt Sörge Drosten, Partner bei der Personalberatung Kienbaum. Außerdem könne ein Kandidat, den man für eine bestimmte Stelle einmal abgelehnt habe, für eine andere Position durchaus in Frage kommen. "Es wäre ungeschickt, den Weg für eine solche zweite Chance zu verbauen."

Keine Chance auf dem Arbeitsmarkt

Man trifft sich immer zweimal im Leben, das weiß man auch bei anderen Unternehmen. "Auch der Kandidat, der eine Absage erhalten hat, soll das Unternehmen in guter Erinnerung behalten", sagt Susanne Jochheim, Personalleiterin bei Bosch. Sei der Kandidat gut, solle er sich schließlich auch ein zweites oder sogar drittes Mal bewerben. "Außerdem sollte man auch die menschliche Seite nicht außer Acht lassen. Mit jeder Bewerbung ist die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz und einen Neuanfang verbunden."

Offenbar denken jedoch längst nicht alle Personalabteilungen so weit. Was sie vermutlich gedankenlos dahinschreiben, löst bei abgelehnten Kandidaten Frust aus. Liest ein Bewerber einen Satz wie "Hiermit senden wir Ihnen anbei Ihre Unterlagen zu unserer Entlastung zu", fühlt er sich schnell wie Ballast, der auf dem Arbeitsmarkt ohnehin keine Chance hat.

Auf der nächsten Seite: "Wir freuen uns, wenn Sie uns wieder einmal schreiben. Und richten Sie sich doch einfach mit uns ein." Warum das Gegenteil von gut nur gut gemeint ist.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Es geht jedoch noch schlimmer: "Die Bearbeitung Ihrer Unterlagen wird noch etwas Zeit erfordern. Sollten wir Ihre Bewerbung in die engere Auswahl einbeziehen können, werden wir Sie innerhalb der nächsten drei Wochen nach Erhalt dieser E-Mail kontaktieren", schreibt etwa ein weltweit tätiger Energiekonzern. "Sollten Sie bis dahin nicht von uns kontaktiert worden sein, konnten wir Ihre Bewerbung leider nicht weiterverfolgen. In diesem Fall werden wir Ihre Unterlagen der Vernichtung zuführen. Ein separate Benachrichtigung wird dann nicht erfolgen. Diese Nachricht wurde automatisch erstellt. Bitte senden Sie hierauf keine Antwort."

Oft ist das Gegenteil von gut nur gut gemeint: Eine betont überschwängliche Absage klingt schon fast wieder nach Ironie. "Eines ist sicher: Ihre Bewerbung hat uns sehr gut gefallen und wir freuen uns, wenn Sie uns wieder einmal schreiben. Bis dahin wünschen wir Ihnen viel Erfolg für Ihre berufliche Zukunft. Und richten Sie sich doch einfach mit uns ein." Dieses Schreiben eines schwedischen Möbelhauses etwa soll aufmuntern. Doch welcher Bewerber ist schon auf der Suche nach einer Brieffreundschaft oder einer neuen Wohnzimmergarnitur?

Bitte nie wieder!

Offenbar ist es gar nicht so einfach, in einer Absage den richtigen Ton zu treffen. "Bewerber, die nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden und dennoch ein personalisiertes Schreiben verlangen, erwarten zu viel", sagt Experte Drosten. "Das können Unternehmen bei der Masse an Unterlagen nicht leisten." Doch auch die Standardantwort sollte immer Freude darüber ausdrücken, dass jemand die Mühe einer Bewerbung auf sich genommen hat.

Hat eine Firma einen Kandidaten jedoch persönlich in Augenschein genommen, rät Drosten von Standardschreiben ab. "In solchen Fällen empfehle ich einen Anruf. Das drückt Wertschätzung aus."

Wertschätzung wünschen sich auch die Bewerber. Schließlich steckt in ihren Unterlagen viel Arbeit. Da ist es schwer einzusehen, warum sie sich mit einer unverschämten Standardantwort wie dieser hier zufrieden geben sollten: "Wir schicken Ihnen Ihre Unterlagen zurück, verbunden mit der Bitte, sich nicht noch einmal bei uns zu bewerben." Das ist so deutlich, dass der Bewerber auf diese Idee garantiert nicht mehr kommt.

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