Bewerberrecherche im Internet:Wenn Facebook für Personaler zur Tabuzone wird

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"Da ist das Netz sehr praktisch": Personalverantwortliche suchen gerne und oft im Internet nach Fakten über Bewerber. Mit einem neuen Gesetz zum Datenschutz soll diese Praxis in Zukunft erheblich eingeschränkt werden. Kann das funktionieren?

Verena Wolff

Das Internet ist eine Bühne für Bewerber - im Positiven wie im Negativen. Manche präsentieren sich auf ihrer eigenen Homepage, andere stellen sich in Business-Netzwerken dar, um potentiellen Arbeitgebern zu gefallen.

Neue Funktionen
:Facebook gibt Nutzern mehr Daten-Kontrolle

Facebook ändert wieder seine Einstellungen zur Privatsphäre. Nutzer sollen künftig leichter erkennen, welche Freunde welches Posting sehen können. Auch bei unerwünschten Fotos bekommen Facebook-Mitglieder nun mehr Rechte.

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Die Kehrseiten des digitalen Schaufensters: Ausrutscher in sozialen Netzwerken, peinliche Bilder und Bemerkungen, Denunziationen. Ein mühsam aufgebauter guter Ruf ist manchmal schneller ruiniert, als man einen Eintrag löschen kann.

"Das Netz vergisst nichts", lautet ein Sprichtwort des digitalen Zeitalters. Das wissen auch Personalverantwortliche. Gern und oft suchen sie im World Wide Web nach Informationen über ihre Bewerber, wie mehrere Studien belegen. Sie googeln, schauen in Karrierenetzwerke und klappern soziale Netzwerke ab.

Dem will der deutsche Gesetzgeber schon lange einen Riegel vorschieben. Das "Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes" ist eigentlich eine Reaktion auf mehrere Skandale um Überwachung und Bespitzelung von Beschäftigten - etwa bei der Bahn, bei der Telekom und beim Lebensmitteldiscounter Lidl.

In dem Gesetzeswerk versteckt: Ein Passus, nach dem der Arbeitgeber keine Daten über Beschäftigte aus dem Internet, insbesondere aus sozialen Netzwerken, beziehen darf - es sei denn, der Mitarbeiter willigt ein. Ausnahmen gelten demnach nur "für Internetseiten zum Zweck der eigenen Präsentation", der eigenen Homepage des Bewerbers also.

Für Personaler wie Bewerber könnte die Verabschiedung des Gesetzes weitreichende Folgen haben - nur, wie es wirksam umgesetzt werden kann, ist unklar.

"Rein praktisch kann kein Mensch verhindern, dass der Personalchef rumwühlt, denn das passiert im Verborgenen", sagt Rechtsanwältin Valentine Reckow aus Berlin zu Süddeutsche.de. Zwar gebe es in einigen der beruflichen Netzwerke Funktionen, mit denen man sehen kann, wer das eigene Profil angeschaut hat - aber nur, wenn derjenige ebenfalls angemeldet ist und mit seinem Profil surft. "Auch von dem gesetzlich vorgesehenen Recht, Auskunft über die gesammelten Daten zu verlangen, wird wohl in der Praxis kaum ein Beschäftigter oder Bewerber Gebrauch machen", sagt die Juristin.

Zwar hinterlässt jeder Nutzer im Internet Spuren, doch die sind nicht für jeden gleich ersichtlich. "Ich nutze das Internet nach bestem Wissen und Gewissen, um für mich das Bild eines Bewerbers abzurunden", sagt Peter Kincer, Personalleiter bei der Unit4 Business Software GmbH in München. Er schaue sich an, mit wem die Kandidaten vernetzt sind, wen sie kennen und welche Publikationen sie veröffentlicht haben. "Da ist das Netz sehr praktisch", sagt er zur SZ. Allerdings hüte er sich davor, gleich mit den Bewerbern in Kontakt zu treten: "Mir geht es auch nicht darum, belastendes Material über einen Bewerber zu sammeln - das kann und soll nicht Zweck der Recherche sein und wird oft überzeichnet."

Ein Gesetz, wie es derzeit zur Abstimmung vorliegt, hält Kincer ebenfalls für kaum umsetzbar. Und auch nicht unbedingt notwendig: "Ein geschulter Personaler braucht Facebook nicht", sagt er. "Es gibt ein strukturiertes Interview, bei dem findet man heraus, ob der Bewerber schlüssige Angaben gemacht hat." Schließlich gebe es auch heute noch ausreichend Bewerber, die kein Profil in einem Netzwerk, sozial oder beruflich, haben. "Auch das wirft kein schlechtes Licht auf sie."

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Zudem wollen viele Bewerber gefunden werden, sie nutzen das Netz gezielt als Plattform zum Eigenmarketing. "Jeder stellt sich möglichst positiv dar, sei es mit guten Referenzen oder einem tollen Bild", sagt Malte Martensen. Der Unternehmensberater und Doktorand an der ESCP Europe Wirtschaftshochschule in Berlin beschäftigt sich mit Selbstmarketing in sozialen Netzwerken,

Martensen hat in einer Online-Studie Interessantes ans Tageslicht befördert: "Die meisten jungen Leute sind in mehreren Netzwerken im Internet unterwegs und unterscheiden sehr genau nach dem, was sie dort von sich preisgeben wollen", sagt er zur SZ. In beruflichen Plattformen wie Xing oder LinkedIn seien ganz andere Informationen untergebracht als etwa in Facebook oder StudiVZ. Allerdings erliegen viele der vor allem jungen Nutzer einem Trugschluss: "Die Daten in Facebook sind nicht so privat, wie wir alle es gerne hätten."

Martensen zufolge sind sich die meisten bewusst, dass es Einstellungen zur Privatsphäre gibt. "Aber das eine ist es, das zu wissen, und das andere ist es, das auch zu tun." Und noch einen Befund hat Martensen gemacht: "Das Thema ist für Berufseinsteiger und Young Professionals heiß." Führungskräfte seien seltener in solchen Netzwerken zu finden - weil sie ihre Profile dort nicht haben oder so geschickt sind, sie nicht für jeden sichtbar anzuzeigen.

Allzu blauäugig kommt der Gesetzentwurf also in vielen Punkten daher: Bewerber könnten sich in ihrer Privatsphäre sicherer fühlen, meint der Gesetzgeber. Was sie oder ihre Freunde in Facebook gepostet haben, würde so privat bleiben, wie es gedacht war. Und: Bewerber könnten rechtlich gegen Unternehmen vorgehen, wenn sie feststellen, dass Personaler doch online nach ihnen gesucht haben - und die gefundenen Informationen sie vielleicht den Job oder die Einladung zum Vorstellungsgespräch gekostet haben. Wie sie das allerdings feststellen sollen, wenn ein Personaler nicht aktiv den Kontakt sucht, ist unklar.

Und es gibt in dem Entwurf eine weitere spitzfindige Formulierung, die schlussendlich fast alles beim Alten belässt - zumindest aus Bewerbersicht: Der Arbeitgeber muss zwar die Beschäftigtendaten unmittelbar erheben, muss den Bewerber darüber unterrichten und dessen Einwilligung holen. "Es sei denn, er findet allgemein zugängliche Daten woanders heraus", erklärt Anwältin Reckow. Solche Daten sind etwa der Presse oder dem Rundfunk zu entnehmen, oder sie sind in sozialen Netzwerken, bei denen jeder die Mitgliedschaft erlangen kann, bei "bestimmungsgemäßer Nutzung für jeden abrufbar". Darunter fällt also auch das Facebook-Profil, wenn es öffentlich zugänglich ist.

In der Konsequenz ändert sich also so gut wie nichts: "Man muss weiterhin genau aufpassen, welche Spuren man im Netz hinterlässt", so die Juristin. Und: "Was in dem Entwurf steht, ist nicht neu - sondern ein Konzentrat aus der zum Thema Arbeitnehmerdatenschutz ergangenen Rechtsprechung."

Der Beschluss des Gesetzes zieht sich hin. "Dieser neue Entwurf befindet sich noch mitten im Gesetzgebungsverfahren, ist noch nicht beschlossen und verabschiedet und hat daher derzeit noch keine Gültigkeit", sagt Reckow. Schon im Sommer 2010 hatte das Bundeskabinett den ursprünglichen Gesetzentwurf beschlossen. Nach der ersten Lesung im Februar 2011 lag der Entwurf ein Jahr lang im Bundestag, bis sich die schwarz-gelbe Koalition Anfang Februar auf Änderungen einigen konnte. Nun wurde der Regierungsentwurf nach Angaben des Bundesinnenministeriums dem Parlament zugeleitet und wird beraten. Zeitrahmen: ungewiss.

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